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Crystal Castles - Amnesty (I)

Crystal Castles- Amnesty (I)

Fiction / Caroline / Universal
VÖ: 19.08.2016

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

3-2-1 – schlechte Laune!

Nicht gerade harmonisch ging es beim Split von Ethan Kath und Alice Glass zu, die zuvor über eine Dekade hinweg gemeinsam Musik als Crystal Castles gemacht hatten. Glass fühlte sich unterdrückt, manipuliert und ihre Werte nicht mehr vertreten, verkündete daraufhin im Oktober 2014 die endgültige Trennung – und bezeichnete den Schnitt gleichzeitig als das Ende von Crystal Castles. Doch Kath wollte davon gar nichts wissen: Da einige Stücke bereits auf Halde lagen, machte er sich auf die Suche nach einer neuen Vokalistin für die Fortführung seiner Vision aus Elektropunk und abgedunkeltem Synthpop. Er fand Edith Frances, welche auf dem anvisierten Neuanfang ihre Stimme beisteuert. Jener deutet schon im Titel "Amnesty (I)" den Fortsetzungswillen an. Ob diese Amnestie international ist sowie weiterhin nicht für MTV gilt, wurde jedoch nicht überliefert.

Zum Verständnis hilft es, zu wissen, welche Position Glass zuvor in der Band hatte. Als Gesicht und als furiose Frontfrau bei Liveauftritten schien sie eigentlich unverzichtbar – ihrem Statement zufolge sah sie das offenbar genauso. Kath sei alles andere als ein Frauenversteher, klagte Glass an. Mehr oder weniger mittelbar führte das dazu, dass die neue Inkarnation von Crystal Castles Anfang des Jahres von einem Festival gegen die Benachteiligung von Frauen wieder ausgeladen wurde. Ungute Vorzeichen für die Wiederauferstehung. Ist das Duo nun nur ein weiterer Eintrag in die Geschichte gescheiterter Neubesetzungen oder pocht Kath jetzt erst recht auf einen richtigen Triumph? Weder noch.

Dass bisher noch nichts zur Musik auf dem neuen Album geschrieben wurde, hat seinen Grund: Viel gibt es da nicht zu erzählen. Platte Nummer vier macht zwar rein vom Namen her einen Neubeginn, hätte aber stilistisch genauso gut vor oder nach jedem anderen Crystal-Castles-Longplayer erscheinen können. Über dem Sound hängt wie immer ein pechschwarzer Schleier, schlechte Laune und Aggression werden kultiviert. Und letztlich muss man feststellen: Zumindest in der Konserve ist Alice Glass vollkommen austauschbar. Wie will man auch eine Sängerin wiedererkennen, deren Stimme sowieso stets durch zahlreiche Filter und Effekte gejagt wurde?

"Fleece" ist ein gewohnt schizophrener Banger, der immer wieder von einer Lawine weißen Rauschens überrollt wird, "Char" fällt dagegen auf die poppige Seite und hätte auch die frühen The Knife glücklich gemacht. Das nur in der physischen Version enthaltene "Kept" bastelt sich aus zerfetzten Vocal-Samples von Beach House einen Brecher für die Düster-Disco und "Ornament" mäandert zuvor statisch um einen ruhigen Kern, sorgt aber wenigstens für Gelegenheit zum Verschnaufen. Von der Zugänglichkeit von "(III)" wird wieder ein Stück abgerückt, "Amnesty (I)" hat ein paar Giftattacken im Angebot. Mal treffend wie "Frail" – man stelle sich die letzte Grimes-Platte vor, hätte Claire Boucher ihre Vocals drei Räume weiter weggesperrt eingesungen –, mal komplett verstörend wie im Instrumental "Teach her how to hunt".

In der Totalen wirkt die Sache jedoch merkwürdig leer und generisch. "Chloroform"? "Concrete"? Standards ohne wirkliche Daseinsberechtigung. "Amnesty (I)" ist kein Ausfall, es verliert nur mit Abstand gegenüber jedem einzelnen Vorgänger. Das zweite Album haute noch konträre Gegensätze wie den Hit "Celestica" und das genial-wahnsinnige "Doe deer" direkt hintereinander raus, dieses hier erreicht allerdings an keiner Stelle eine solche Spannung zwischen den Polen. Auch unverständlich, warum die sehr gute Single "Deicide" aus 2015 nur in der schwächeren Form von "Their kindness is charade" an Bord ist. Oder warum jeder Albumcloser einen Satz bilden muss. Crystal Castles enttäuschen deshalb nicht wegen des Splits, wegen negativer Schlagzeilen oder wegen der neuen Besetzung mit Edith Frances. Sie enttäuschen aufgrund ihrer Ideenarmut.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Fleece
  • Char
  • Kept

Tracklist

  1. Femen
  2. Fleece
  3. Char
  4. Enth
  5. Sadist
  6. Teach her how to hunt
  7. Chloroform
  8. Frail
  9. Concrete
  10. Ornament
  11. Kept
  12. Their kindness is charade

Gesamtspielzeit: 37:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Achim

Postings: 6287

Registriert seit 13.06.2013

2016-08-28 10:19:31 Uhr
Diesem Album gebe ich eine 2/10. Vollkommen lustlos, eindimensional, spröde.

A.
GV
2016-08-26 17:22:30 Uhr
"wenn du nicht wüsstest, dass das ne andere stimme ist, würdest du es nie vermuten." (retro)

Edith ist echt eine perfekte Alice Glass-Kopie und zeigt gut wie austauschbar die Rolle der Frontfrau bei CC letztendlich ist. Leider sucht man daher aber auch vergeblich nach einer "eigenen Note" oder neuen Facetten im CC-Sound. Ich mag das Album trotzdem. Mrhr als "III".
reto
2016-08-25 22:37:41 Uhr
"Alice Glass hat die Band verlassen, dafür darf jetzt Edith Frances die Flagge hissen und Musikgeschichte schreiben. Im feministischen Absurdum lautete gleich mein Urtel: "Aha. Die Frauen sind also austauschbar, da die Stimme ja so oder so ins Unkenntliche verzerrt und getuned wird." In meinen Gedanken stellte ich mir Cher vor, wie sie mich rechtmäßig ohrfeigt und "Snap out of it!" schreit. Tatsache ist, dass mit dem Abgang von Alice eine Stelle frei wurde, die nur Wenige besetzen konnten, um mit Ethan ein sonderbares kreatives Energiefeld aufzubauen. Diese Person muss die gleiche Definition von Liebe mitbringen, um überhaupt dieses Werk zustande bringen zu können"

der dümmste schwachsinn, den ich seit langem gelesen habe. wenn du nicht wüsstest, dass das ne andere stimme ist, würdest du es nie vermuten.
ach ja, lass ma rechtschreibprüfung drüber laufen
Mike Closer
2016-08-25 21:39:25 Uhr
Über das neue Album und die vermeintliche "Austauschbarkeit" der Front-Sängerin habe ich auch ein bisschen in meiner positiven Review reflektiert:

http://mijusic.blogspot.com/2016/08/wenn-der-blitz-vier-mal-einschlagt.html

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 9382

Registriert seit 26.02.2016

2016-08-23 11:16:38 Uhr
Unfassbarerweise haben sich CC entschieden, ihr Album in der digitalen Version noch weiter abzuwerten, denn auf der Spotify-Version ist das Highlight "Kept" offenbar nicht drauf. Für so viel Doofheit fällt mir auch nichts mehr ein.
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