Family 5 - Was zählt
Tapete / Indigo
VÖ: 29.07.2016
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Nachdenkliche Sprüche mit Lieder
Jede Zeit bekommt die Lieder, die sie verdient. Und wenn man sich ansieht, was auf der Welt momentan so passiert, dürfen es innerhalb von nicht einmal zwölf Monaten gerne auch zwei Platten mit Peter Heins mahnendem Gesang sein. Nach Fehlfarbens exquisitem "Über... Menschen" ist nun also mal wieder die Band an der Reihe, die Hein mit Proto-Punk-Veteran Xaõ Seffcheque von S.Y.P.H. betreibt und die bekanntlich nur alle Jubeljahre ein Album macht. Zuletzt war das 2004 der Fall – und "Wege zum Ruhm" pendelte letztlich etwas unentschlossen zwischen Reminiszenzen an die gute alte Beton-Zeit im Ratinger Hof und Pamphleten gegen die mediale Allgegenwärtigkeit unangenehmer Zeitgenossen. Ein paar amüsant abzischende Feger wie "Wo's lang geht" saßen natürlich trotzdem drin – doch seitdem hat sich mit Hartz-IV-Einführung, Eurokrise oder Flüchtlingselend einiges getan, sodass auch bei Family 5 zumindest thematisch des Öfteren Schluss mit lustig ist. Spaß kann man mit den mal nachdenklichen, mal bockig nörgelnden Songs des Sextetts trotzdem haben.
Musikalisch verhält sich "Was zählt" dabei zu Fehlfarben ungefähr wie Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen zu Superpunk: wavige Kühle und allzu garagige Grobheit raus, Funk und Soul sowie mehrstimmige Bläser-Heizung rein. Etwas Wärme muss schließlich sein, sobald Hein in "WennWennWenn" allgegenwärtige Prokrastination beklagt, "Die Lämmer" allen am Hungertuch Nagenden eine soziale Kaltschale vorsetzt oder das bittere "Draht" bedrückt, aber entschlossen Sturm gegen abgeriegelte EU-Grenzen läuft und im Vorbeigehen Eddie And The Hot Rods zitiert. Für (Fun-)Punk ist da kaum Platz – Spurenelemente finden sich allenfalls in der Zeile "Da wird als Investition ein Kind wie ein Auto genannt", die indirekt auf das Mädchen namens Mercedes aus "Porsche, Genscher, hallo HSV" von den Goldenen Zitronen verweist, oder beim unsanften Rocker "Granit", der nach der jüngsten Fortuna-Niederlage stinkig durch die Altstadt wütet. Und aus "Holiday in Cambodia" wird Tretmühle in Düsseldorf.
Wenn eine gewisse betuliche Dezenz durch "Was zählt" weht, ist diese den zuweilen dräuenden Inhalten also angemessen – bremst den gütigen Schulterklopfer "Stolpere nicht" oder die Xavier-Naidoo-Schelte "Nicht Mannheim" allerdings über Gebühr aus. Dafür, dass solche relativen Schnarchigkeiten insgesamt wenig ins Gewicht fallen, sorgen jedoch Songs wie das melancholische, an den The Cure der "Disintegration"-Phase vorbeigetragene "Mit der Zeit", das aufgeheizte "Herbst in Peking" oder "Trennung", wo sich die Gitarren besonders pointiert mit Saxofon und Trompete ergänzen. Bei "Weitergehen" schauen dann auch die enthirnten Politiker aus "Die Internationale" vorbei, David Bowie bekommt eine so respektvolle wie originalgetreue "Helden"-Coverversion spendiert, und im skurrilen Talking-Blues "Kalt" entdeckt Hein gar seinen inneren Helge Schneider. Wäre er 30 oder 40 Jahre jünger – er würde vermutlich überlegen: "Was ist das für 1 Life?" Gute Frage, aber 1 Album wie dieses kommt dazu jedenfalls gerade recht.
Highlights
- Draht
- Mit der Zeit
- Herbst in Peking
- Trennung
Tracklist
- Draht
- Mit der Zeit
- Stolpere nicht
- Die Lämmer
- WennWennWenn
- Herbst in Peking
- Nicht Mannheim
- Walverwandt
- Weitergehen
- Granit
- Trennung
- Helden
- Kalt
Gesamtspielzeit: 45:06 min.
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2016-08-10 21:20:05 Uhr
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