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Milliarden - Betrüger

Milliarden- Betrüger

Vertigo / Capitol / Universal
VÖ: 12.08.2016

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Weder Scheiße noch Gold

Deutschsprachige Bands mit prominenten Rio-Reiser-Referenzen stehen momentan ja extrem hoch im Kurs. Auch wenn natürlich eine qualitative Diskrepanz zwischen den derzeit wohl bekanntesten dieser Acts namens Wanda und AnnenMayKantereit besteht, so ist ihnen doch immerhin gemein, dass sie auf eine einzigartig-rauchige Stimme setzen, nach sogenannter Authentizität schreien und größtenteils über die gute alte Liebe singen. Vollkommen logisch also, den 1996 verstorbenen Ex-Ton-Steine-Scherben-Frontmann immer als den großen Vergleichspunkt heranzuziehen. Nun stoßen auch Ben Hartmann und Johannes Aue als Milliarden zu diesem Kreis und bringen zur Veröffentlichung ihres Debüts "Betrüger" nach der EP "Kokain & Himbeereis" ebenso wie die beiden besagten Bands bereits beträchtliche Vorschusslorbeeren mit. Schwimmflügel benötigen sie demnach nicht, um auf der Hype-Welle nicht unterzugehen.

Als Rezensent könnte man es sich jetzt einfach machen, schnell "Marie" zitieren: "Ob das hier Scheiße oder Gold ist / Kann ich Dir nicht sagen" – und schon ist der Text fertig und der Nachmittag frei. Tatsächlich machen es einem Milliarden nicht gerade immer einfach, wenn sie sich ständig in Widersprüchen verstricken oder zwischen Kitsch und Macho-Gehabe hin und her pendeln, weshalb "Betrüger" zweifellos polarisieren wird. Den Grundstein hierfür legt die Vorab-Single "Oh, Cherie", welche perfekt die Unbedingtheit leidenschaftlicher Liebe einfängt, dafür aber auch mit "Und ich hab Lust, Dich umzubringen" völlig Überflüssiges erzählt, da vorher schon durch das Bild "Du reißt mir die Haare aus / Ich schlag Dir die Zähne ein" der Zwiespalt der Liebe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde. Fühlt man sich noch durch das hymnisch-dahingerotzte "Freiheit is ne Hure" darin bestätigt, über diese Kleinigkeit hinwegzusehen, macht es einem "Im Bett verhungern" gleich schwieriger. Was klingt wie eine unwahrscheinliche Symbiose aus Echt und Wanda und lyrisch so manchen Eintrag ins Freundschaftsbuch widerspiegelt, bietet gleichzeitig ernsthaft romantische Momente, wenn dem Erzähler beispielsweise das "Billig-Kleid von Takko" lieber ist als das von Versace, weil man einfach nichts anderes sein möchte. Die Gift und Galle spuckende Text-Montage "Blitzkrieg Ballkleid" steht dazu wieder im krassen Widersatz, und eben dieser ist sinnbildlich für das komplette Album: Eine erzeugte Stimmung besteht wenn überhaupt nur für die Dauer eines Songs.

Schon bei Charles Bukowski und den nach dessen Roman benannten Hot Water Music war es in etwa das Ideal, sich von einem Moment auf den nächsten vom rauen Schwein in einen romantischen Poeten zu verwandeln und zurück. Zwar ohne diese Qualität zu erreichen, aber ideell gleichermaßen vollziehen Milliarden diesen Wechsel immer wieder, währenddessen schreibt das Duett auf "Milliardär" eine eigene Definition von Reichtum, wagt mit "Die Angst" einen Ausflug in den Bluesrock, liefert Angriffsfläche, wenn es "Katy Perry" eine ehrliche Hommage widmet, wobei "Ende neu" eine punkige Endzeithoffnung zeichnet. Lediglich der introspektive Titeltrack bricht aus diesem Schema komplett aus, weder kitschig noch räudig, dafür assoziativ und angenehm geerdet. Damit ist "Betrüger" zwar mehr Stückwerk geworden, über das auch stellenweise diskutiert werden sollte, aber diese Offenlegung von Ecken und Kanten machen Milliarden trotz mancher eher okayer Momente zu einer der interessanteren deutschsprachigen Mainstream-Bands. Zumindest zu einer Goldenen Schallplatte kann das durchaus reichen.

(Marcel Menne)

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Highlights

  • Freiheit is ne Hure
  • Blitzkrieg Ballkleid

Tracklist

  1. Oh, Cherie
  2. Im Bett verhungern
  3. Milliardär
  4. Bleib hier
  5. Betrüger
  6. Freiheit is ne Hure
  7. Marie
  8. Katy Perry
  9. Blitzkrieg Ballkleid
  10. Friedrichsdorf
  11. Zucker
  12. Die Angst
  13. Ende neu
  14. Schall & Rauch

Gesamtspielzeit: 47:21 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

keenan

Postings: 5312

Registriert seit 14.06.2013

2019-03-13 14:42:38 Uhr
@ korruptionsdetektor

"Sogar die Frau von William H. Macy ist dabei."

die hat homer simpsons doch mit der t-shirt kanone von einer tribüne geschossen und ist dabei ums leben gekommen ;-)
Not impressed
2019-03-13 12:24:42 Uhr
Vor allem würde es einen ja eher verwundern, wenn es sowas NICHT geben würde.

Ich jedenfalls bin nicht überrascht, eher überrascht, warum es rausgekommen ist.
Sicher ein interner "Bandenkrieg" wie man bei "echten" Gangstern sagen würde.
Verzweifelte Hausfrauen
2019-03-13 12:17:01 Uhr
In den USA sollen Dutzende reiche Eltern, darunter Hollywood-Star Felicity Huffman, ihre eigentlich chancenlosen Kinder an Eliteschulen untergebracht haben - mittels Bestechung. Der Skandal offenbart ein verfilztes System.

http://www.spiegel.de/panorama/leute/felicity-huffman-uni-bestechungsvorwuerfe-treffen-viele-prominente-a-1257551.html
Korruptions-Detektor
2019-03-13 12:12:02 Uhr
"Over 50 are charged in the largest college entrance fraud prosecuted in US history! Our favorite Anon tells us to make up our own minds, GROUPTHINK is the opposite of the movement. The unsealing will begin shortly."

https://www.youtube.com/watch?v=AV_-WjbF1HY

Sogar die Frau von William H. Macy ist dabei.
Alex
2016-08-17 12:54:27 Uhr
Finde das musikalisch schon ganz nett stellenweise, diesen übertrieben herausgekehrten "wir sind ja so viel abgebrühter als du"-Gestus aber furchtbar nervig. Exhibit A: Blitzkrieg Ballkleid.
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