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Max Giesinger - Der Junge, der rennt

Max Giesinger- Der Junge, der rennt

BMG / Sony
VÖ: 08.04.2016

Unsere Bewertung: 3/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Mehr Haltung

Ja, ist denn schon wieder 2014? Die Fußball-Nationalmannschaft der Männer spielt ein Turnier und dazu ertönt ein Song mit viel Chor und Wumms im Refrain, dazwischen zurückgenommene Strophen. So ist sichergestellt, dass auch jeder, der schon fünf Bier intus hat, weiß, wann er wie mitzuklatschen hat. Die Geschichte ist ursprünglich eine Liebesgeschichte, aber so universell, dass nur wenige Zeilen geändert werden müssen für die Fußball-Version, das gilt für "80 Millionen" genauso wie für "Auf uns". Ob der sensible junge Mann, der das singt, nun Andreas Bourani, Max Giesinger oder auch Mark Forster oder Tim Bendzko heißt, interessiert den Fan nach den besagten fünf Bier dann auch nicht mehr. Die maximale Austauschbarkeit wird auch dadurch gefördert, dass sich die Künstler die immer selben Autoren teilen. Den Produzenten für sein zweites Album "Der Junge, der rennt" lernte Giesinger während seiner Ausbildung an der Mannheimer Popakademie kennen, an der man auch als Musiker Businesspläne erstellt und Seminare zur Existenzgründung absolviert.

Genau so klingt das Neuwerk des Baden-Württembergers. Da ist auf der einen Seite das große Gesangstalent, ohne dass man es weder auf die Popakademie schafft, noch auf den vierten Platz bei "The Voice of Germany". Auf der anderen Seite steht der überraschungsarme, radiokompatible Mainstreampop, der in jedem Moment den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht. Hatte das Debütalbum "Laufen lernen", das der heute 28-Jährige über Crowdfounding finanzierte, noch seine gegen den Strich gebürsteten Momente, ist jeder Augenblick auf "Der Junge, der rennt" glattgebügelt. Wohin rennt er denn? Zu der Einen, in die er ganz verliebt ist, die ihn aber verwirrt, mit der es dann doch passt, es aber wiederum zu schnell zu gemütlich wird, sodass ein Ausbruch folgt, der nur wieder darin mündet, dass es ohne Frau mitunter einsam erscheint? "Ich bin manchmal viel zu wach, manchmal viel zu müde / Hin und wieder tauch ich ab, manchmal geh ich fliegen / Mal ein bisschen drunter, mal ein bisschen drüber / Doch immer in Balance, immer in Balance." Alles so schön lauwarm – nicht ein origineller Ton und sehr wenig originelle Gedanken. Damit passt das Album aber andererseits in eine Zeit, in der eine Studie gerade erst beschreibt, dass Jugendliche nicht mehr Rebellion und Originalität, sondern Konformität anstreben.

Etwas besser wird das Album immer dann, wenn der Text nicht in eine Schablone universeller Gültigkeit gezwungen wird, sondern kleine Geschichten erzählt. Wie die der allein erziehenden Mutter in "Wenn sie tanzt". Aber diese Momente sind viel zu selten, deutlich in der Überzahl ist der Zug zur Allgemeingültigkeit. Da ist es schon eine willkommene Abwechslung, wenn die in Berlin aufgewachsene Sängerin Elif "Ins Blaue" ihre Stimme leiht. "Melancholiker" besitzt eigentlich einen lässigen Groove, aber wird dann doch mit Streichern zugekleistert, während Giesingers Stimme hochgeht, um Emotionen zu imitieren. So gilt hier wie für die Platte insgesamt: Es ist zu gewollt, zu angestrengt, alles soll ein potentieller Hit sein für das größtmögliche Publikum. Das wird es finden, keine Frage. Aber nachhaltigen Eindruck hinterlassen Individualität und Persönlichkeit. "Muss immer in Bewegung bleiben" singt der junge Mann mit dem Bart und man wünscht ihm, dass er zum Stehen kommt und eine Haltung findet.

(Johannes Mihram)

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Highlights

  • Wenn sie tanzt

Tracklist

  1. Barfuß und allein
  2. Roulette
  3. 80 Millionen
  4. Ins Blaue (feat. Elif)
  5. Wenn sie tanzt
  6. Nicht so schnell
  7. Für Dich, für mich
  8. Die guten Tage strahlen
  9. Nicht anders gelernt
  10. In Balance
  11. Vielleicht im nächsten Leben
  12. Melancholiker
  13. Der Junge, der rennt

Gesamtspielzeit: 44:59 min.

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