Die Heiterkeit - Pop & Tod I + II

Buback / Indigo
VÖ: 03.06.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Auf Samt
Und wie das deren Ernst sein kann: Mit dem poetisch betitelten "Pop & Tod I + II" spielen sich Die Heiterkeit in die erste Liga der hiesigen Indie-Landschaft. Dabei ist ihr Doppelalbum ein Kraftakt von erstaunlicher Schönheit, glühender Opulenz und zarter Melancholie, denn über die stattliche Distanz von 20 Songs halten Frontfrau Stella Sommer und ihre drei Mitmusiker die Spannung erstaunlich hoch, fabulieren sich in herrlichste Hirngespinste und beschwören damit vor allem einen Vergleich herauf: Tocotronic. Es ist wahrlich nicht von der Hand zu weisen, dass deren Schaffen wohl auch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf Die Heiterkeit ausgeübt hat. Denn wo sich Sommer und Co. früher gerne im Nebulösen verzettelten – was im Übrigen ja auch nicht ganz uncharmant war – klingen sie heute zwingender, können ihre Botschaften klarer ausformulieren. Und auch musikalisch gewinnen die einzelnen Stücke an Kontur, auch wenn sie nach wie vor ihren wolkig-weichen Kern bewahren.
Im Vorfeld gab es einige personelle Veränderungen im Kosmos der in Hamburg gegründeten Band, was nichts an der Tatsache ändert, dass hier sehr viel von Sommer ausgeht, die mit ihrer tiefen Stimme einen weiteren Referenzpunkt schafft. Natürlich kommt einem dabei unweigerlich Nico in den Sinn, die mit ihrer betörenden Darbietung das legendäre Debüt von The Velvet Underground mitgeprägt hat. In ähnlicher Stimmlage agiert auch Sommer, aus dem Keller heraus, düster, manches Mal gar majestätisch. Die Heiterkeit sind sich mehr denn je ihrer Sache bewusst und haben erkannt, worin ihre unwiderruflichen Stärken liegen: Wer "Pop & Tod I + II" noch Schrammelpop schimpft, hat mehr als nur Tomaten auf den Ohren.
Der ein oder andere mag den Sound der Band vielleicht als aufgesetzt betrachten und es liegt auch ein Fünkchen Wahrheit darin: Die Heiterkeit sind junge Meisterinnen der Inszenierung, die Theatralik findet in ihren Songs ein Zuhause. Und doch macht genau jene Überzeichnung den Reiz aus: Wo sonst immer von Authentizität die Rede ist, wird hier einfach der Zauberstab herausgeholt und Pop für all diejenigen gespielt, die keine Angst vor Übertreibung haben. Bereits die ersten Stücke dieser imposanten Platte sprechen Bände: Im von einer zurückhaltenden Orgel getragenen Opener "Die Kälte" spuken Sommer und Co. folgende Zeile ins Mikro: "Da wo ich wohne, ist es immer kalt, kalt, kalt." Und tatsächlich ist dieses Stück das vermutlich unterkühlteste der neuen Kompositionen. "Betrüge mich gut" erfreut sich hingegen vor dem Hintergrund einer warmen Gitarrenpop-Leinwand seiner weiblichen Tricks: "Es ist so einfach für ein Mädchen wie mich zu lügen / Es hat nichts mit Dir zu tun." Man muss sich Die Heiterkeit als eine sehr schelmische Band vorstellen. Und als eine Hitmaschine obendrein, ob sie dies selbst nun hören wollen oder nicht. "Im Zwiespalt" zweifelt sich melodiös von den tiefsten Tiefen in die höchsten Höhen und lässt auch den selbstsichersten Zyniker lässig das Beinchen wippen. Dass Die Heiterkeit nach Schnipo Schranke nun die zweite deutsche Indie-Band ist, die innerhalb eines Jahres Panama besingt, könnte man mit einer möglichen Janosch-Sozialisierung erklären, man kann es aber auch lassen. So oder so: Funkelnder Pop, klasse Atmosphäre. Braucht hier noch jemanden einen Ohrwurm für die nächsten Monate? Dann bitte zugreifen.
Im prägnanten Titelsong erklingen engelsgleiche Chöre, das Schlagzeug stolziert stoisch, hier und da klimpert es fast versöhnlich. Beständig changieren Die Heiterkeit zwischen Schatten und Licht, der im Albumtitel angedeutete Dualismus ist mehr als nur ein Label, das die 20 Kompositionen zusammenhält. Programmatisch erklingt dann auch "Dunkelheit wird niemals", eine langsame, hoch stimmungsvolle Nummer, die immer kurz vor dem Ausbruch zu stehen scheint. Dass mit "The end" der wohl lieblichste Song folgt, kann daher auch kein Zufall sein: Im Zentrum dieser bezaubernden Piano-Miniatur steht Sonja Deffner, die mit ihrer glockenhellen Stimme das Vorangegangene stimmig kontrastiert. Die große Synthese folgt im melancholischen Schwärmer "Das Ende der Nacht", der genau dort hingeht, wo Sonne auf Schatten, Pop auf Tod trifft. Und der damit dieses Meisterwerk mit viel Grandezza auf den Punkt bringt: "Man muss es mögen, ich neige dazu / Es wirkt mir entgegen und winkt immerzu." Man möchte augenblicklich mitwinken.
Highlights
- Im Zwiespalt
- Panama City
- Pop & Tod
- The end
- Das Ende der Nacht
Tracklist
- CD 1
- Die Kälte
- Betrüge mich gut
- Im Zwiespalt
- Panama City
- Pop & Tod
- Vergessen
- Große Namen
- Haus außerhalb
- Dunkelheit wird niemals
- The end
- CD 2
- Heller Morgen
- Weiße Elster
- Schlechte Vibes im Universum
- Dünnes Eis
- Genie bei der Arbeit
- Ein gutes Buch
- Halt mich zurück
- Das Ende der Nacht
- Komm mich besuchen
- Haben die Kids
Gesamtspielzeit: 66:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Christopher Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 3102 Registriert seit 12.12.2013 |
2016-12-21 13:53:56 Uhr
Bin gerade dabei, ungehörte Alben nachzuholen. Werde von dieser Platte hier sehr gut unterhalten. "Es sind schlechte Vibes im Universum...düdüdüdüdü." Großartig. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 24187 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-09-12 18:50:54 Uhr
"Es ist ein großer Wurf. Das dritte Album der Gruppe Die Heiterkeit erzählt in ganzen 20 Liedern von Pop und Tod und der unendlichen Beschissenheit der Dinge." (Spex)"Pop & Tod I+II", das ist ein sich frei machender, unabhängiger Sound, der abseits von Moden, Generationen und Befindlichkeiten nach einer universelleren Wahrheit sucht" (9.2) Spiegel Online "Die Heiterkeit machen Mut und schaffen es Zeilen wie »Wir wissen es seit Jahren, wir wissen es so lang/ Man ist immer allein« nicht deprimierend klingen zu lassen - im Gegenteil fühlt man sich mit ihnen plötzlich nicht mehr so einsam." - Konkret (06/16) "Das Pop komplex und trotzdem emotional sein kann, beweist momentan keine Band so beeindruckend wie die Heiterkeit" - Vogue (09/16) DIE HEITERKEIT - LIVE präsentiert von SPEX & byteFM 09.09.16 Essen – Hotel Shanghai 10.09.16 Köln – Subway 12.09.16 Gießen – Muk 13.09.16 Karlsruhe – Kohi 14.09.16 München – Unter Deck 15.09.16 Wien – Rhiz 16.09.16 Dresden – Altes Wettbüro 17.09.16 Leipzig – Werk 2 22.09.16 Hamburg – Reeperbahnfestival 17.11.16 Düsseldorf – Stahlwerk 18.11.16 Stuttgart – Merlin 19.11.16 Palace – St.Gallen 21.11.16 Heidelberg – Karlstorbahnhof 22.11.16 Frankfurt – Zoom 23.11.16 Bremen – Lagerhaus 25.11.16 Berlin – //:about blank 26.11.16 Jena – Glashaus Tickets ab sofort im VVK http://www.powerline-agency.com/date |
Banana Co. Postings: 244 Registriert seit 14.06.2013 |
2016-06-20 14:36:24 Uhr
Mich an eine Mischung aus Victoria Legrand und Hope Sandoval.An Victoria Legrand musste ich auch unweigerlich beim ersten Mal hören denken. Als etwas absurde Assoziation springen mir bei der Vielzahl der Songs Beach House-Alben und ein wenig sogar die "Heaven or Las Vegas" von den Cocteau Twins in den Kopf. |
captain kidd Postings: 3491 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-06-09 07:23:09 Uhr
musste auch an dagobert denken. |
captain kidd Postings: 3491 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-06-06 23:32:00 Uhr
Fand die ja immer richtig scheiße, aber das neue Album hat was. Mag den Humor. "Hier kommt die Kälte, uhuhuhu"... |
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Referenzen
Tocotronic; Schnipo Schranke; Wir Sind Helden; Die Türen; Stella; Britta; Mobylettes; Christiane Rösinger; Mutter; Motion; Die Charts; Schneller Autos Organisation; Hans Unstern; Mäuse; Knarf Rellöm; Ja, Panik; PeterLicht; Die Goldenen Zitronen; Die Sterne; Blumfeld; Jochen Distelmeyer; Die Braut Haut Ins Auge; Bernadette La Hengst; Parole Trixi; Kante; Einstürzende Neubauten; Egoexpress; Lassie Singers; Almut Klotz & Reverend Dabeler; Tonia Reeh; Masha Qrella; Knochen=Girl; The Oliver Twist; 1000 Robota; 206; NMFarner; Sedlmeir; Gustav; Mit; Von Spar; Chuckamuck; Herrenmagazin; Messer; Isolation Berlin; Die Nerven; The Velvet Underground; Nico
Surftipps
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