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Sycamore Age - Perfect laughter

Sycamore Age- Perfect laughter

Santeria / Woodworm / Audioglobe
VÖ: 06.05.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Zum Verrücktwerden

All work and no play makes Felix a dull boy. All work and no play makes Felix a dull boy. All work and no pllay makes Felix adull boy. All work nd no play makes Flix a duull boy. All work and no ply makes Felix a – ja, schon gut. Der Job als Redakteur ist halt nicht immer einfach. Beispielsweise wenn mal wieder eine Promo samt Waschzettel reinflattert, der sage und schreibe 57 Referenzen aufzählt, mit denen die zu bewerbende Band – in diesem Fall Sycamore Age – angeblich vergleichbar wäre. Darunter: Massive Attack, Josh Homme, Radiohead, Syd Barret (sic!) oder auch Led Zeppelin. Eine größer als die andere.

Da kann wohl getrost der Bleistift für den kommenden Verriss gespitzt werden, denn wenn die Band schon selbst nicht zu bieten hat, schmückt man sich eben mit allen zu greifenden fremden Federn. Doch schon beim ersten Hördurchlauf wird der Rezensent eines Besseren belehrt. "Perfect laughter", das zweite Album der italienischen Truppe, klingt tatsächlich nach allem Vorstellbaren und gleichzeitig wie nichts anderes. Wie soll man da durchsteigen, geschweige denn es beschreiben? Schweißperlen fangen an zu tropfen, der Herzschlag rast, die Lesermeute ist im geistigen Ohr schon zu hören, die zur Rezension die Beschwerde "Da weiß man ja hinterher immer noch nicht, wie das klingt!" skandiert. Und man kann mit zittrig-hysterischer Stimme nur entgegnen: "Ich weiß es doch auch nicht, verdammt!" Es folgen mögliche Erklärungsansätze.

Sycamore Age sind Clowns, über die niemand lacht. Im Gegenteil: Es gibt kaum gruseligere Gestalten, und es wäre nicht verwunderlich, wenn jeder mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hat. Entsprechend schaukelt der Opener "7" mit einer Kirmesorgel durch die Gegend, im Hintergrund quietschts unheilvoll, man fühlt sich wie an einem heruntergekommenen Jahrmarkt, zwischen zwielichtigen Wahrsagerinnen und schmierigen Verkäufern. Die Stimme von Sänger Francesco Chimenti erinnert stark an Hot Chips Alexis Taylor, sorgt mit ihrer vermeintlichen Naivität aber nur für einen unwohligen Kontrast zur Musik, deren nächste Verwandte am ehesten die Horrormusik-Erschaffer von The Paper Chase sind. Klagende, angeschrägte Streicher und drohende Percussions paaren sich mit Geräuschen, bei denen man gar nicht wissen will, wie sie erzeugt wurden.

Sycamore Age zeichnen das Gemüt eines Serienkillers nach. Wenn wie in "Frowning days, odd nights" der Happy-Hippo-Rhythmus ständig von Dissonanz konterkariert wird, ist die Vermutung einer gespaltenen Persönlichkeit dahinter nicht mehr weit. Die verschiedenen Bausteine von "Drizzling sand" schwanken zwischen unbeständigem Wabern mit Keyboard-Fehlfunktionen, martialischen Trommeln inklusive dem Kratzen von Fingernägeln auf Schiefertafeln und dem Gänsehaut-Ende samt einem Suspense-Piano, welches auch Hitchcock in seine Filme eingebunden hätte. "Cheap chores" schlägt dagegen auf diversem Kücheninventar herum, die Streicher feiern eine Beerdigung, aber trotz aller Anstrengung ist das auf perverse Art eingängig. Doch auch ein Kettensägenmörder braucht mal eine Pause, denn die hat er sich ja wohl auch schwer verdient. "The womb of nowhere" lädt zum Tabla-Kreis und fährt, fast schon lieblich und entspannt, Sufjan-Stevens-Harmonien auf. Zu dem Zeitpunkt ist es allerdings schon lange nicht mehr möglich, hier irgendetwas "harmlos" zu finden.

Sycamore Age halten allen Hörern den Spiegel vor. Steckt nicht in jedem ein kleiner Psychopath? Welches Gehirn denkt schon geradlinig, bei welchem Menschen können die Einzelteile, welche die Summe ergeben, klar benannt werden? "Perfect laughter" ist ebenso komplex und vielschichtig, trifft irrationale Entscheidungen und ist letztlich so faszinierend wie anstrengend. Täuscht zum Beispiel im famosen "Dalia" Eingängigkeit vor, um die Hoffnung auf Zugänglichkeit mit den folgenden Songs wieder zu zerschlagen. Man glaubt, das Album zu kennen, bis es einen bei der nächsten Begegnung auf dem ganz falschen Fuß erwischt. Um über Sycamore Age zu schreiben, ist dementsprechend kein Tanzkurs in Architektur notwendig. Eher bleibt körperliche Fitness gefragt, wenn es darum geht, mit einer Axt im Heckenlabyrinth den Sound zu erwischen. Es ist zum Verrücktwerden.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Dalia
  • The womb of nowhere
  • Cheap chores

Tracklist

  1. 7
  2. Noise of falls
  3. Dalia
  4. Drizzling sand
  5. Frowning days, odd nights
  6. The womb of nowhere
  7. Diorama
  8. Behind the sun
  9. Cheap chores
  10. In the blink of an eye
  11. Monkey mountain

Gesamtspielzeit: 41:12 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
dx995
2016-06-06 14:13:10 Uhr
hatte sie aufm primavera gesehen. ganz gut gerockt aber auch recht konfus. hätte halt etwas dunkler sein können
Coyo T.
2016-06-05 17:31:05 Uhr
The Paper Chase als erste Referenz reicht mir zum Sofortkauf!

Haha, habe fast das gleiche gedacht. Klingt interessant, sehr geile Rezension im Übrigen.

TRT

Postings: 51

Registriert seit 06.11.2015

2016-06-02 21:25:22 Uhr
Im Übrigen hier noch eine vergleichbare Band:
https://allhuman.bandcamp.com/album/teenagers-you-dont-have-to-die
Ich nenne den Stil ja gerne Creepy Rock =)
Ich heiße Horst
2016-06-02 21:14:14 Uhr
The Paper Chase als erste Referenz reicht mir zum Sofortkauf!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27940

Registriert seit 08.01.2012

2016-06-01 20:00:39 Uhr
Frisch rezensiert.

Meinungen?
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