ABC - The lexicon of love II
EMI / Universal
VÖ: 27.05.2016
Unsere Bewertung: 2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Der Gin-Fizz ist leer
Was für ein Album das war und noch immer ist! In 1982 kamen ABC mal eben mit "The lexicon of love" an. Verführerischer Dance-Pop mit zig New-Wave-Klimaxen. Monumente einer niemals enden wollenden Nacht voller Sex, mit goldenen Pailletten verzierten Kleidchen und purpurroten Mündern. Also solchen, die auch nach stundenlangem Knutschen nicht verwischen und nach dem nächsten Gin-Fizz gieren. Das schmachtende "Show me", das staunende und immer noch in vielen Köpfen herumgeisternde "The look of love (Pt.1)" oder das großtheatralische "All of my heart" – ein Album, bestehend aus Hits. Ein Album voller Style und New Romantic, so Pathos auf die Tanzfläche triefend, dass die Stilettos auszurutschen drohten. ABC leiteten eine Ära (mit) ein und begleiteten New Order und The Cars auf dem neu eingeschlagenen Musikweg des Synthesizers.
Denn "The lexicon of love" war zuallererst eine Mogelpackung. Alles klang extravagant, teuer, glanzvoll, dabei vollziehen die Synthesizer nur eine Mimese hin zu Streichern. Und ganz so bedrängend romantisch war es auch nicht, schließlich arbeitete sich Martin Fry mit bissigen und zynischen Texten an kaputten Liebschaften ("Tears are not enough") ab. Seit dieser Großtat demontierten sich ABC. Die Alben wurden konsequent schlechter, ein Tiefpunkt war Frys Teilnahme an der Konzertreihe "Night of the proms", einer Art Dschungelcamp für Abgehalfterte aus dem musikalischen Ehemals (Chris de Burgh, Wet Wet Wet, Alphaville). Würde und Erfolg von ABC war zu diesem Zeitpunkt so tief vergraben wie die Seltenen Erden, die der Konzertpromoter, ein finnischer Handybauer, in irgendwelchen Löchern abträgt. 2008 folgte die Kehrtwende mit einem grundsoliden, im Funk getränkten "Traffic".
"The lexicon of love II" schließt den Karrierebogen 34 Jahre später, möchte Fortsetzung zum Meisterwerk sein und ist dabei der eigentlich große Krampf in der Fry-Karriere. Verpufft ist die zeitlose Eleganz aus den Achtzigerjahren. Die üppigen Arrangements, diesmal mit echten Streichern, vielen Flötistinnen und einem Xylophon, sind durchweg kitschig und langweilig. Die kurzen Violinenintros der einzelnen Stücke sind noch am annehmbarsten, bevor Fry dann mit der Parole "Viva love" im gleichnamigen Cha-Cha-Cha irritiert oder in "Confessions of a fool" andauernd "Fool" auf, ja einfallsreich, "Fool" reimt. Die Dampfwalze der Zeit vermag ja einiges, aber diese Songs hätte in anderen Jahrzehnten auch nicht platter sein können.
Die Schmonzette "Ten below zero" wird wohl bald Rosamunde bepilchern, zumindest beschreibt Fry schon das Setting: Es ist heißer als Juni, in seinem Herzen fröstelt es und in einem Schlafgemach schneit es und ihre Lippen schmecken merkwürdig nach einem Cocktail, aber naja, so ist das eben... Dass ein lauter Clubsong "Singer not the song" daraufhin das Musikersein thematisiert, erklärt, wie Dinge im Refrain stets besser sind als im Vers, das schockiert nur noch. Fry dann: "I'm the singer of the song / I'm the player of the game", dazu tobender Applaus und Geschrei im Hintergrund. Und das ist wirklich kaum zu ertragen, es ist ebenso schlimm wie die ruhigere Schlagernummer "The ship of the seasick sailor", in dem mal wieder Kriegsmetaphern für Liebeleien herhalten müssen. Ein Deut der ehemaligen Größe schimmert in "The love inside the love" hervor. Filmmusikalische Streicher schwemmen ihre Elegien hin zu einem dramatischen Finale. "I believe in love" unterkühlt die Synthies, bevor Frys Stimme zerbersten darf. Regungen, von denen man sich mehr gewünscht hätte. Die Stilettos sind kaputt, die Kussmünder taub und der Gin-Fizz bräucht selbst dringend einen Schnaps.
Highlights
- The love inside the love
Tracklist
- The flames of desire
- Viva love
- Ten below zero
- Confessions of a fool
- Singer not the song
- The ship of the seasick sailor
- Kiss me goodbye
- I believe in love
- The love inside the love
- Brighter than the sun
- Viva love reprise
Gesamtspielzeit: 45:09 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Fuchs21 |
2016-12-16 18:22:17 Uhr
Was für ein alberner Kommentar. Wieder einer der im Mainstream zu Hause ist. ABC, sind und waren immer Klasse. |
Loketrourak Postings: 2578 Registriert seit 26.06.2013 |
2016-09-15 11:46:44 Uhr
Schwelg, schwelg!Natürlich aus der Zeit gefallen und Indie Rock Kids werden das aus ihren guten Gründen nicht verstehen. Ist sogar noch etwas gewachsen, aber klar: Nostalgie spielt auch mit. |
MM13 Postings: 2412 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-06-03 16:11:40 Uhr
schon ganz gute songs geworden und das stärkste album was sie(er) in neuerer zeit abgeliefert haben natürlich kommts an teil 1 nicht ran aber ich bezweifle auch das der erste teil heute so ein erfolg geworden wäre,ist einfach nicht mehr die zeit für sowas. |
Loketrourak Postings: 2578 Registriert seit 26.06.2013 |
2016-06-03 12:43:45 Uhr
Danke! Ihr macht mich warm ums Herz. Und das sage ich nicht oft zu Schwarznicks. |
Steamboat Itchy |
2016-06-03 12:40:09 Uhr
9/10 und damit die beste ABC LP seit dem ersten Lexicon of Love. Der Rezensent hat Pop offenbar nicht mal annähernd verstanden. |
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Referenzen
New Order; The Cars; INXS; Heaven 17; Spandau Ballet; The Human League; Duran Duran; Ultravox; Japan; Adam Ant; Adam And The Ants; Simple Minds; Bananarama; Orchestral Manoeuvres In The Dark; Go West; Devo; Nina Hagen; Moev; Madness; Peter Schilling; The Blow Monkeys; Kim Wilde; The Beat; Paul Young; Pet Shop Boys; Tears For Fears; Eurythmics; Marc Almond; A-Ha; Boy George; The Go-Go's; The Boomtown Rats; The Bible; The Call; Talk Talk; Gary Numan; Alice Cooper; The Pretenders; The Church; Dave Gahan; Depeche Mode; Brian Eno; Scissor Sisters; Brandon Flowers; The Killers; Hurts; Sparks; FFS; Future Islands
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- ABC (3 Beiträge / Letzter am 27.02.2021 - 22:56 Uhr)