Bohren & Der Club Of Gore - Black Earth
Wonder / EFA
VÖ: 28.10.2002
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die unerträgliche Langsamkeit des Seins
"Bei einem Konsumenten, der eine CD kauft und beim zweiten Stück anlangt, bei dem dreißig Sekunden lauter nicht gespielte Noten passieren, stellt sich ein ganz bestimmter Effekt ein, der sich im Radio nicht reproduzieren läßt." (Blixa Bargeld über "Silence is sexy").
Wenn jemand am Ende des Jahres 2002 fragen sollte, wie Härte in der heutigen Musikszene zu definieren sei, drücke man ihm wortlos "Black Earth" von Bohren Und Der Club Of Gore in die Hand. Aus dem Material einer 30-sekündigen-Riffattacke zeitgenössischer New-Metal-Bands komponierten die Mühlheimer vermutlich ein Doppelalbum - und hätten dann noch Füllmaterial übrig. Und beim Wettkampf im 100-Meter-langsam-Spielen ginge selbst die trägste Doom-Kapelle der Welt mühelos vor dem Club ins Ziel. Was nach Langeweile klingt, beschreibt eine Intensität, die ohne Effekthascherei oder die Devise "Schneller + lauter = härter" entsteht.
Bei der neusten Platte der selbsternannten Horror-Jazzer Bohren Und Der Club Of Gore muß man, um auf das eingangs stehende Zitat zurückzukommen, nicht bis zum zweiten Track warten, bis sich das beschriebene, mulmige Gefühl in der Magengegend einstellt. Auf "Black Earth" beherrschen Passagen fortwährender Stille ganze "Songs". Die eigentliche Handlung passiert hier jedoch zwischen den gespielten Noten. Das Warten auf den nächsten Ton baut eine andauernde Spannung auf, die bis zum Finale anhält.
Die Instrumentierung entspricht der einer typischen Jazz-Band. Ließe man sich jedoch davon abschreckeb, beraubte man sich dessen, was man als Musikkonsument heute doch so händeringend sucht: Eigenständigkeit, Innovation oder, ganz einfach gesagt, eine Erweiterung des eigenen Klang-Kosmos. Wer "Black Earth" durchhält, wird am Ende sogar mit zwei fast flotten Weisen (mit so fröhlichen Namen wie "Constant fear" und "Skeletal remains") belohnt, bevor "The art of coffins" wieder den Weg nach ganz unten in die Gruft weist.
Wo wohl könnte mam solche Musik spielen? In einer Jazz-Bar auf jeden Fall nicht, denn der Musik von Bohren fehlt die freie Improvisation, die das dortige Klientel wohl erwartet. Auch nicht in einem Indie-Club, denn die oft ausufernden Stücke jenseits aller modernen Aufmerksamkeitsspannen dürften diesen in Windeseile leeren. Auch zum Einschlafen taugt derlei Musik nicht. Wer bei Sinnen ist, stellt den CD-Player rechtzeitig ab, bevor ihn der Schlaf übermannt, die weniger Glücklichen schrecken irgendwann zu dieser Symphonie des Grauens hoch - der Autor weiß, wovon er spricht. Aber in diesen Tagen der allzu großen familiären Harmonie und Glückseligkeit, wenn man sich vor zuckersüßer Feierlichkeit kaum noch rühren mag, dürfte jedoch eine kleine Prise "Black Earth" bestimmt wahre Wunder wirken.
Highlights
- Midnight black Earth
- The art of coffins
Tracklist
- Midnight black Earth
- Constant fear
- Maximum black
- Vigilante crusade
- Destoying angels
- Grave wisdom
- Constant fear
- Skeletal remains
- The art of coffins
Gesamtspielzeit: 71:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Given To The Rising Postings: 7679 Registriert seit 27.09.2019 |
2020-08-27 09:32:15 Uhr
Ja. Finde die Dolores auch extrem gut. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 9977 Registriert seit 26.02.2016 |
2020-08-27 08:27:50 Uhr
Für mich die klare Nummer 2 hinter "Sunset Mission". Eine wirklich tolle Platte zum Abtauchen. |
Dumbsick Postings: 416 Registriert seit 31.07.2017 |
2020-08-27 06:43:14 Uhr
Dem kann ich nur zustimmen. War mein ersten Album von Bohren (hatte den Track Maximum Black auf einer VISIONS CD gehört) und war direkt angefixt.Das einzige, was ich an diesem Album monieren würde, wäre der Mix. Der Bass ist ein bisschen zu laut, aber ansonsten definitiv ein Highlight in der Bohren Diskographie. |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11091 Registriert seit 23.07.2014 |
2020-08-27 00:37:34 Uhr
Tolles Album. Ich liebe diese dunkle, schwermütige, schleppende Stimmung. Die Stücke bauen sich toll auf, die einzelnen Instrumente geben dem Ganzen immer passende Akzente und man kann wunderbar in dieses Album abtauchen. |
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Referenzen
Earth; sunnO))); Angelo Badalamenti; Danny Elfman; Bridge And Tunnel; Einstürzende Neubauten; Die Haut; Foetus; Bark Psychosis; Biosphere; Piano Magic; Godspeed You Black Emperor!; A Silver Mt. Zion; Rachel's; Dirty Three; Sigur Rós; Mogwai; Aereogramme; Slint; Karate; Fantômas; Melvins; The Doors; Pere Ubu; Tied & Tickled Trio; Village Of Savoonga; Anna Karenina
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