Samy Deluxe - Berühmte letzte Worte
Vertigo / Universal
VÖ: 29.04.2016
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Spiel's noch einmal, Samy
Man kann wirklich nicht behaupten, der deutsche Hiphop stecke derzeit in der Krise. Die letzten Jahre haben vielfältige und großartige Alben wie SSIOs "0,9", Zugezogen Maskulins "Alles brennt" oder "Normaler Samt" von Audio88 & Yassin hervorgebracht – um nur ein paar davon zu nennen. Die alte Garde von vor der Jahrtausendwende ist dagegen weitestgehend abgetaucht. Fettes Brot? Hatten schon ewig keinen Hit mehr. Beginner? Werkeln angeblich am nächsten Album, aber effektiv ist seit 2003 nichts zu hören gewesen. Samy Deluxe dagegen ist je nach Standpunkt noch oder wieder einigermaßen präsent. Selbst mit einem bedenklich schwachen Album wie "Männlich" konnte er sich weit oben in den Charts positionieren. An Tiefpunkte wie "Penis" aber erinnert man sich mit Schrecken und kann nur hoffen, dass der Nachfolger "Berühmte letzte Worte" keine ähnlichen Gruselkabinette beinhaltet.
In der Tat hat der auf den bürgerlichen Namen Samy Sorge hörende Hamburger heuer keinen Ausfall in der untersten Klasse dabei. Was ihn aber nicht hindert, ein paar Fettnäpfchen in den ersten Songs mitzunehmen, indem er seine eigene Position ziemlich verschätzt und dadurch unfreiwillige Komik erzeugt. "Warum solltet Ihr Euch mit weniger zufrieden geben / Als mit mir in meiner Bestform?", fragt er im "Vorwort" und zeigt sich mit lahmendem Flow alles andere als in Bestform. Darüber hinaus gibt es einen Shoutout an Haftbefehl, der ihm technisch schlichtweg meilenweit überlegen ist. Im Anschluss schafft er es zudem tatsächlich, sowohl in "Haus am Mehr" als auch in "Countdown" sich über seine Stellung als Teil der deutschen Prominentenwelt zu beschweren: "Warum Promi sein? / Ich war happy als Underground-Rapper". Vielleicht wäre der Verzicht auf Teilnahmen bei TV-Formaten wie "Sing meinen Song" ein erster Schritt zur Läuterung.
"Dreh den Song hier jetzt auf", fordert er in "Mittendrin", doch da ist wenig, was das rechtfertigen würde, der Beat lahmt und erinnert an MoTrips grauenvolle Schlaftablette "So wie Du bist". In "Epochalität" fängt der gute Herr Sorge auch noch an zu nuscheln, sodass man in Sorge verfällt, er könnte sich damit bei Jan Delay angesteckt haben. Es muss aber zugute gehalten werden: In Summe zeigt Samy wieder mehr Energie als zuvor, möglicherweise angestachelt durch die aktuelle politische Lage in Deutschland. "Mein Klopapier ist schwarz-rot-gold", skandiert er in der zähnefletschenden Single "Klopapier", die in einer sehr vereinfachten Weise auf alles kackt, was sich so im Parlament und auf Wahlzetteln tummelt. Wo der Patriotismus von "Dis wo ich herkomm" hin verschwunden ist, bleibt ungeklärt, doch Samy Deluxe endlich wieder im Angriffsmodus zu hören, tut gut. Und die knallige Bläserfraktion treibt das Stück in die richtige Richtung: nach vorne.
Das ebenfalls ausgekoppelte "Mimimi" – was allen Ernstes für "Mitbürger mit Migrationshintergrund" steht – hadert zwar mit dieser dämlichen Abkürzung, welche den Refrain albern werden lässt, überzeugt aber durch Tempo, packende Rhymes und gewitzte Zeilen wie "Wenn ich mecker' über dieses Land / Sagen sie 'Geh' doch hin, woher du kommst' / Okay, dann geh ich halt nach Eppendorf." Nach dem grauenvollen Skit "Letzte Überlieferung" wird "Berühmte letzte Worte" persönlicher, thematisiert die Entfernung zu des Rappers Sohn nach der Scheidung ("Papa weint nicht") und die Dankbarkeit gegenüber seiner Mutter ("Von Dir Mama"). Es ist der bessere Teil des Albums, weil die schnellen Punchlines hier zünden und Samy zudem ein paar berührende Zeilen auf's Blatt bekommt und die Kurve nochmal nach oben zeigt. Ob nach diesen letzten Worten eine zünftige Auferstehung des Wickeda MC folgt? Ein wenig immerhin hat er sich aufgerappelt.
Highlights
- Klopapier
- Mimimi
- Von Dir Mama
Tracklist
- Vorwort
- Haus am Mehr
- Countdown
- Klopapier
- Epochalität (feat. Megaloh)
- Tellerrand
- Himmel (Skit)
- Mittendrin
- So good
- Bisschen mein Ding
- Mimimi
- Letzte Überlieferung (Skit)
- Was ich fühl
- Papa weint nicht
- Von Dir Mama
- Berühmte letzte Worte
Gesamtspielzeit: 52:04 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Picard Postings: 94 Registriert seit 15.03.2016 |
2016-05-07 11:29:34 Uhr
Kann Autotomates Meinung bezüglich KIZ nur beipflichten. Die, diese Trailerpark Gruppierung und Zugezogen Maskulin sind einfach nur langweiliger gewollt provokanter Fun-Rap für die Spießer von nebenan, die glauben sowas sei wirklich noch lustig.Nichtsdestotrotz ist Samy mittlerweile meiner Meinung nach nur noch eine Karikatur seiner selbst. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10002 Registriert seit 26.02.2016 |
2016-05-04 17:30:38 Uhr
@PlemPlem:"Penis" geht das Thema textlich so furchtbar unbeholfen an, dass der Track mir immer noch als Negativhighlight im Gedächtnis war, auch dank der schwachen Hook. Wie du darauf kommst, es könnte am Thema an sich liegen, ist mir schleierhaft. Wenn der Song "Vagina" hieße, von einer Frau wäre mit einem genauso platten Text, wäre der Track ebenfalls scheiße. |
PlemPlem |
2016-05-04 14:03:47 Uhr
An Tiefpunkte wie "Pen*is" aber erinnert man sich mit Schrecken und kann nur hoffen, dass der Nachfolger "Berühmte letzte Worte" keine ähnlichen Gruselkabinette beinhaltet.Hier zeigt sich dann doch eine gewisse Spießigkeit von Felix (oder Demon Cleaner wie er sich ebenfalls nennt). Wie verklemmt muss einer denn eigentlich sein.. Ja,der Song "Pe*nis" mag in seiner Zusammensetzung unbeholfen wirken, aber nur weil es da um männliche Geschlechtsidentität geht, muss man das Ganze doch nicht gleich als gruslig oder peinlich in die Tonne kloppen. Hätte eine Frau über ihr Geschlechtsteil gerappt, wäre das doch hier als "große feministische Kunst" abgefeiert worden. Tut mir leid für's Off-topic, hier geht es ja um die neue Platte. |
TamTam |
2016-05-04 13:19:23 Uhr
Typisch, es wird wieder auf dem Vorgängeralbum rumgehackt. "Männlich" war ein gutes Album. Nur eben eine PR-Katastrophe. Wie dumm von Samy zu glauben, er könnte in dieser Zeit solche Themen behandeln. Der Musikjournalismus wird von Leute dominiert, die es total ironisch und spannend finden wenn in KIZ-Songs Fotz** missbraucht werden. Aber wenn Samy einen ernsthaften - wenn auch etwas unbeholfenen - Dialogversuch startet, wird er in Grund und Boden geschrieben. Wie sehr ich doch diesen Zeitgeist verachte. |
Autotomate Postings: 6174 Registriert seit 25.10.2014 |
2016-05-04 09:29:56 Uhr
Klar, beste Sendung der Galaxie, deswegen ist es ja unklug, da mitzumachen, wenn man als Underground-Rapper nicht vom Fame geflutet werden will. Steht doch da.Finde eher seltsam, dass dies hier: "Wenn ich mecker' über dieses Land / Sagen sie 'Geh' doch hin, woher du kommst' / Okay, dann geh ich halt nach Eppendorf." ...noch als "gewitzte Zeile" durchgeht. Ich hab das Gefühl, diesen "Witz" hat inzwischen jeder zweite Mensch, der in Deutschland mit leicht erhöhter Pigmentmenge in der Oberhaut geboren wurde, mindestens einmal gemacht. |
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Referenzen
Dynamite Deluxe; ASD; Kinderzimmer Productions; Flo Mega; Curse; Massive Töne; Blumentopf; K.I.Z.; Torch; Advanced Chemistry; Prinz Pi; Joel Hong; Der Tobi & Das Bo; Das Bo; Afrob; Megaloh; D-Flame; Dendemann; Eins Zwo; Beginner; Jan Delay; Denyo; Fettes Brot; Ferris MC; Die Fantastischen Vier; Die Orsons; Fischmob; Sven Franzisko; Lyrical Poetry; Tua; Enkelschreck; Azad; Moses Pelham; Rödelheim Hartreim Projekt; Sido; Kool Savas; Fler; Farid Bang; Herr Sorge
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