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Aldous Harding - Aldous Harding

Aldous Harding- Aldous Harding

Lyttelton / Woo Me / Indigo
VÖ: 15.04.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Katerparty

Kürzlich wurde diese Neuseeländerin wie folgt angepriesen: "Aldous Harding macht Party – auf der Bühne, vor, während und nach ihrem Konzert." Das stimmt, sofern hier banges Schwanken nach gruppentherapeutischer Angstbewältigung gemeint ist. Denn Harding ist todernst, todtraurig und zutiefst verbittert. Nur schafft sie es, diesen Pessimismus in höchst spannende Songs umzumünzen. Aufgesetzt wirkt ihr Schwergeist auch nicht. Das selbstbetitelte Debüt berührt vielmehr, wühlt auf und verstört. Denn die zierlich-schmächtige Harding scheint kurz davor, von den großen Rädern der Welt zermalmt zu werden, kurz davor, vollends zu kollabieren. Bis irgendetwas sie plötzlich wieder hochhievt.

Mal kettet sie sich an Musik, zumeist aber an Literatur. Ersteres im mitleidigen Chor des Openers, später heulen in "Two bitten hearts" elektronische Sirenen wie begleitende Stützen mit. Literarisch ist schon ihr Künstlername, denn eigentlich heißt sie Hanna Harding. Sie verbeugt sich damit tief vor dem Dystopiker Aldous Huxley, mit dem sie das Denken gemein hat, dass wir doch sowieso alle verdammt sind. Bildhaft greift Harding direkt Charles Baudelaire auf, wenn Blut durch den Fluss rinnt und der Erblast auf Adam und Eva folgt. Dem Weltschmerz in "Stop the tears" fügt sie ganz lapidar hinzu: "I will never marry my love / I will die waiting for the bells / Death, come pull me underwater / I have nothing left to fear from hell." Das ist alles beinahe schon zu schwere Kost. Dabei trägt Harding diese so zurückgenommen vor, dass es den Hörer nicht auf eine falsche Fährte führt, sondern für sie einnimmt. Sie wendet ihre besessene Lesart auf ihre Heimat an: In Lyttelton grünt eine Landschaft wie in "Der Herr der Ringe", im Mystischen und Märchenhaften wuchs sie auf. Dabei sind ihre Themen seit jeher aktuell: Tod, Liebe, Tod, Geburt und Tod.

Sonst erklingt spröde, minimale akustische Musik von einer Frau, die trotz weit geöffneten Augen nur Dunkel sieht. Stimmlich liegt sie zwischen der psychedelischen Folklore von Linda Perhacs, dem Gothic-Charme von Chelsea Wolfe und einer Kate-Bush-Kopfstimme. In "Beats" holpert diese von einem schnell verhaspelten Vers in den nächsten und bleibt dabei kristallklar und beschwörend. In der Single "Hunter" bricht ihre Stimme, während das Gitarrenspiel die Akkorde in bröckelige Lauttupfer zerpflückt. "No peace at all" ist dann der heftigste Schlag in diesem Finsterwald, der den Untergang schon beim Betreten erahnen lässt. An Abenden vor Konzerten hat Harding eine zeitlang massig getrunken, um dann ihre Kaputtheit authentisch-verkatert auf die Bühne zu bringen. Musikalisches Method-Acting quasi. Wenn das eine Party sein soll, dann ist es eine Katerparty.

(Maximilian Ginter)

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Highlights

  • Stop your tears
  • Hunter
  • No peace at all

Tracklist

  1. Stop your tears
  2. Hunter
  3. Two bitten hearts
  4. Titus groan
  5. Beast
  6. No peace at all
  7. Merriweather
  8. Small bones of courage
  9. Titus alone

Gesamtspielzeit: 46:36 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

peppermint patty

Postings: 1904

Registriert seit 07.05.2019

2020-05-22 20:25:26 Uhr
Durchlaufe grade 'ne kleine Aldous Harding Phase, vor allem einige Songs auf ihrem ersten Album gefallen mir sehr. Voll der "Into the Wild"-Vibe. Texte natürlich was fürs Literaturseminar:)

PS: Voll witzig ihre absurden Hampeleien im "The Barrel"-Video
Weg damit
2019-07-29 18:18:00 Uhr
Die Leserchats sind ein einziger Witz.
Fragen
2019-07-29 09:33:47 Uhr
Warum ist das auf Platz Eins der Lesercharts?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27853

Registriert seit 08.01.2012

2016-05-03 18:27:20 Uhr
Frisch rezensiert.

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