Parquet Courts - Human performance
Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 08.04.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Es gibt Kunst, Baby
Die ersten Zeilen von Parquet Courts neuem Album "Human performance" sind ein wahrer Albtraum für Hausfrauen, Allergiker und Labor-Putzleute: "It comes through the window / It comes through the floor / It comes through the roof / And it comes through the door / Dust is everywhere!" Ja, der Opener "Dust" des neuen Werkes der Band aus Brooklyn beschäftigt sich mit einem der hartnäckigsten Probleme aller Studentenbuden. Und so wie Staub ist auch das Quartett scheinbar überall. In einem halben Jahrzehnt haben Frontmann Andrew Savage und seine Kollegen eine fantastische Platte nach der anderen rausgehauen und dabei nicht mal vor einer kurzzeitigen Namensänderung in Parkay Quarts zurückgeschreckt. Die vier Herren sind nicht zu stoppen. Aber ganz ehrlich, wer wollte das schon?
Denn Parquet Courts sind, ohne Übertreibung, auch eine der spannendsten Entdeckungen in der Musikwelt der letzten Jahre. Ihre Mischung aus Blues, Punk und Indie-Rock funktioniert bei Jung und Alt, ihr stetes Kokettieren mit dem Slackertum wirkt echt, und wenn es etwas gibt, das den New Yorkern seit jeher wichtig war, ist es, dass die Musik immer für sich selbst spricht. Und zwar nur die Musik: Parquet Courts erklären weder sich selbst noch ihre Songs, so absurd und unverständlich sie auch sein mögen. "Human performance" verabschiedet sich von der Absurdität und Unverständlichkeit ihres bisherigen Schaffens und nimmt die Sache erstmals tatsächlich ernst – mit großartigen Ergebnissen.
Das Album beschäftigt sich mit existenziellen Fragen rund ums Erwachsenwerden, auch die Staub-Metapher bildet da keine Ausnahme: Der Drang nach einer gewissen Ordnung macht sich eben irgendwann auch beim hartnäckigsten Junggebliebenen breit, spätestens beim Blick auf den Steuerbescheid oder beim Beobachten der Familiengründungen im Freundeskreis. Auch in romantischer Hinsicht werfen Parquet Courts bedeutende Fragen in den staubbedeckten Raum: "I'd never felt it / I'd never heard it / I know I loved you / Did I even deserve it when you returned it?", heißt es im nur oberflächlich entspannten Titeltrack, der vor allem im Refrain der nackten Angst freien Lauf lässt.
Es ist ein bisschen Kunst, was Parquet Courts hier veranstalten. Weg kann die nicht: Wie die Co-Sänger Savage und Austin Brown in "Paraphrased" mit Wörtern spielen, die die Anfangssilbe "Para" haben, um mit den anschließenden Definitionen den typischen Mittzwanziger zu beschreiben – was in gar großartigen Zeilen wie "Parallel / Never crosses, goes straight as hell" gipfelt –, ist so erstaunlich wie amüsant. Die komplette Leiter vom Erwachsenwerden bis zum tatsächlichen Erwachsensein schrammelt "Pathos prairie" entlang, dass in seiner rhythmischen Dynamik zudem an "Light up gold" erinnert, während sich der ausschweifende Sechsminüter "One man, no city" eher am Parkay-Quarts-Nebenprojekt "Content nausea" orientiert und den besungenen alten Mann einfach so viel rummotzen lässt, wie er für richtig hält. Irgendwann kommen wir da schließlich alle mal hin.
Dass Parquet Courts aus dem Kinderzimmer ausgezogen sind, macht nicht zuletzt auch das rasante "Two dead cops" deutlich, das in seiner Wut und Intensität als jugendlicher Übereifer missverstanden werden könnte, rein inhaltlich aber eine gewisse Reife offenbart und die andauernde Diskussion zu strikteren Waffengesetzen in den USA in eine andere, oft ignorierte Richtung lenkt: "When shots are heard / Young lives are lost / Nobody cries in the ghetto for two dead cops." Ebenso brodelnd, aber zumindest musikalisch zurückhaltender gibt sich auch das Schlusslicht "It's gonna happen", dessen melodische Aufmachung viel dramatischer und unbequemer klingt als sein Text wirklich ist: Fehltritte passieren jedem, und immer wieder. Wichtig ist, dass man danach den Hintern wieder hochkriegt. Am Ende kann aus dem größten Mist echte Kunst entstehen. Nicht, dass Parquet Courts davon etwas verstünden – die sind bisher noch nicht mit Mist in Berührung gekommen. Nur mit Staub.
Highlights
- Human performance
- Two dead cops
- Pathos prairie
- It's gonna happen
Tracklist
- Dust
- Human performance
- Outside
- I was just here
- Paraphrased
- Captive of the sun
- Steady on my mind
- One man, no city
- Berlin got blurry
- Keep it even
- Two dead cops
- Pathos prairie
- It's gonna happen
Gesamtspielzeit: 46:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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humbert humbert Postings: 2453 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-10-17 01:50:08 Uhr
A. Savage - einer der Sänger von Parquet Courts - hat diesen Freitag sein erstes Soloalbum heraus gebracht. Wer die Alben der Band mag, kann hier bedenkenlos reinhören. Klingt wie Parquet Courts light mit mehr Americana-Anteilen.Schöne Scheibe. |
Slicker |
2016-04-30 17:01:30 Uhr
Parquet Courts sind kewl. Der teilnahmslose Gesang erinnert an Lou Reed. Auch der Schrammelsound ist VU-infiziert. |
saihttam Postings: 2514 Registriert seit 15.06.2013 |
2016-04-29 01:42:46 Uhr
Die sind schon ein paar coole Socken. |
Spezial-Kai |
2016-04-29 00:44:45 Uhr
Höre lieber weiter SOAD! |
Mile-O Postings: 5 Registriert seit 29.04.2016 |
2016-04-29 00:42:50 Uhr
Ich hör die gerade das erste mal. Hab hier "Human Performance" und "Content Nausea", und ich muß sagen: Korken spricht mir aus der Seele. Das nenn ich Songwriting und authentisch! Prima Band, sowas ist selten. |
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Referenzen
Parkay Quarts; Protomartyr; The Velvet Underground; Pavement; Guided By Voices; Stephen Malkmus & The Jicks; Ty Segall; Ty Segall & White Fence; Ty Segall Band; The Stooges; Iggy Pop; MC5; The Sonics; Black Lips; The Icarus Line; Sebadoh; Thee Oh Sees; Buzzcocks; Yo La Tengo; The Replacements; Male Bonding; Death; Happy Birthday; No Age; Mazes; Graffiti Island; The Thermals; Pixies; New York Dolls; The Men; Ramones; The Jesus Lizard; Nation Of Ulysses; Q And Not U; Mission Of Burma; Royal Headache; Ariel Pink's Haunted Graffiti; The Flaming Lips; The Yardbirds; The Kinks
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