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J Dilla - The diary

J Dilla- The diary

Mass Appeal / Groove Attack
VÖ: 15.04.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Stimme aus dem Jenseits

The day the music died? Wohl eher nicht, das ist doch eh nur ein Mythos. Zumal Leute, die HipHop noch immer für eine platte Aneinanderreihung von Beats und bloßes Herunterlabern einiger Textzeilen halten, mit dem 10. Februar 2006 ohnehin nicht viel anfangen dürften. Freunde des vielseitigen Genres wissen, dass genau das der Tag ist, an dem J Dillas Leben endete. Der zum Zeitpunkt seines Todes gerade mal 32-Jährige galt als einer der besten HipHop-Musikproduzenten – wenn nicht sogar als der beste. Am Ende verlor er den Kampf gegen eine Lupus-Erkrankung, die ihn bereits seit einigen Jahren schwächte. In den Erinnerungen seiner Fans aber wird James Dewitt Yancey, so Dillas bürgerlicher Name, wohl immer ein Gewinner bleiben.

Denn der Mann aus Detroit war im Grunde ja so viel mehr als nur ein Produzent. Er verstand es, Songs mit Leben zu füllen und Beats so zu gestalten, dass sie auch lange nach Ende des jeweiligen Stücks nachwirkten. Er holte aus den Künstlern, mit denen er arbeitete, das Beste raus, mehr noch: Er einte sie mit seinem unverwechselbaren Sound – J Dillas Produktionen erkennt man fast immer, sei es bei The Pharcyde, The Roots oder auch Common. Logisch, dass man sich nach seinem Tod fragt, was da noch hätte kommen können, sofern er eine faire Chance vom Leben bekommen hätte. Die Veröffentlichung von "The diary" gibt zumindest einen kleinen Einblick in eine mögliche, mittlerweile aber natürlich leider verwehrte Zukunft: Das Album, das Monate vor seinem Abgang von der irdischen Bühne aufgenommen wurde, enthält erstmals Stücke, auf denen J Dilla selbst rappt und die Produktionsarbeit zum Großteil an Kollegen abgibt.

Normalerweise ist das so eine Sache mit posthumen Alben: Nicht selten werden sie von der Plattenfirma aus finanzieller Gier veröffentlicht, enthalten unfertige oder allenfalls halbwegs von Fremden fertiggestellte Songs, die das Erbe des Künstlers beschmutzen. Mit "The diary" ist es anders: J Dilla wollte, dass dieses Werk das Licht der Welt erblickt – regulär und nicht in Form diverser Bootlegs, wie es in den zehn Jahren nach seinem Tod mit einzelnen Songs passiert ist. Dass er kein stinknormaler Hinter-den-Reglern-Sitzer war, der sich auch mal am Mikro versuchte, macht schon die erste Single "Fuck the police" deutlich, die bereits fünf Jahre vor seinem Tod erstmals erschien, aufgrund der Ereignisse vom 11. September 2001 aber zurückgezogen wurde. Nach einem Disclaimer kläfft J Dilla über seine eigenen harten Beats los, kreidet die harte Macht des Gesetzes an und spuckt auf die Polizei. Es ist ein Kampfschrei, ein Aufruf zum Zusammenhalt – und ein Beweis dafür, wie aktuell nicht nur J Dilla vor 15 Jahren schon war, sondern wie aktuell das Problem des Racial Profilings damals wie heute immer noch ist.

Sein alter Jaylib-Kollaborationspartner Madlib zeichnet sich verantwortlich für die großartige, beinahe unheimliche Produktion von "The shining, pt. 2 (Ice)", das immer wieder Richtung N.W.A. nickt, während der erste Teil dieser Doppelspitze, "The shining, pt. 1 (Diamonds)", so poppig und leicht daherkommt, dass es sich schnell als klares Highlight von "The diary" etabliert. Aufs Treppchen schafft es ohne Mühen auch der Opener "The introduction", der textlich seinen Werdegang umreißt und seinen eigenen Einflüssen Respekt zollt: Von "You could find Dilla listening to Abstract / My pops used to say it reminded him of jazz cats" bis zu "So contagious / Call me J Isley" finden sich somit diverse Referenzpunkte, die zumindest eine kleine Erklärung für J Dillas ganz eigenen Sound sind.

Ab an die Westküste geht es schließlich mit "Gangsta boogie", das nicht nur offensichtlich mit Elementen des G-Funk spielt, sondern im Zuge dessen um einen Besuch von Snoop Dogg nicht herumkommt. Will es auch gar nicht: J Dilla selbst wollte den Gastrap von Snoop, der zum Zeitpunkt der Aufnahmen schlicht keine Zeit hatte und tatsächlich erst in jüngster Zeit seinen Teil beisteuerte. Soulige Unterstützung hingegen gibt es von Bilal im Herzschmerz-Track "The ex", dessen starker Neunziger-Rap-Vibe im anschließenden "So far" fortgeführt wird, einem wahren Fest für Freunde feinen Samplings und Teil des starken Finales von "The diary". Auf das bereits erwähnte "Fuck the police" folgt nur noch der Titeltrack, der den Vorhang fallen lässt. Es ist ein Ende, das man erwartet hat, weil es ein letztes Mal zeigt: J Dillas Stimme mag auf Erden verklungen sein – rein musikalisch aber wird sie ewig weiterleben. Welch kleiner, aber feiner Trost.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • The introduction
  • The shining, pt. 1 (Diamonds) (feat. Kenny Wray)
  • The shining, pt. 2(Ice)
  • So far
  • Fuck the police

Tracklist

  1. The introduction
  2. The anthem (feat. Frank N Dank)
  3. Fight club (feat. Nottz & Boogie)
  4. The shining, pt. 1 (Diamonds) (feat. Kenny Wray)
  5. The shining, pt. 2 (Ice)
  6. Trucks
  7. Gangsta boogie (feat. Snoop Dogg & Kokane)
  8. Drive me wild)
  9. Give them what they want
  10. The creep (The O)
  11. The ex (feat. Bilal)
  12. So far
  13. Fuck the police
  14. The diary

Gesamtspielzeit: 37:05 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4711

Registriert seit 14.05.2013

2016-04-28 14:36:31 Uhr
Oh, das war ein Tippfehler. Danke für den Hinweis, ist korrigiert!
Eiter Molch Flugunfähig
2016-04-28 14:12:24 Uhr
Der Mann hieß "Yancey" und nicht "Yances".

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-04-26 23:24:39 Uhr
Frisch rezensiert.

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