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Wray - Hypatia

Wray- Hypatia

Communicating Vessels / Rough Trade
VÖ: 25.03.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Schall und Bausch

In Birmingham regnet es oft, das weiß man ja. Die Winter sind feucht und kühl, die Sommer brüllend heiß. Bis zum Meer ist es nur ein Katzensprung. Ein paar hundert Kilometer und man kann die Füße im Golf von Mexiko baumeln lassen. Dass englische Emigranten bei der Benennung ihrer Siedlungen nur selten erfinderisch waren, zeigt ein Blick auf die Karte von Alabama ziemlich schnell. Von Birmingham ist es nicht weit bis nach Leeds, und auch Woodstock und Sheffield liegen fast in Wurfreichweite. Geographische Verwirrungen, auf die das Trio Wray durchaus nachvollziehbar reagiert: Kein dreckiger Südstaatenblues, sondern geachteltes Geschrammel perlt aus den Lautsprechern. Shoegaze nennen die meisten Menschen dieses Musik gewordene Understatement. "Powergaze" nennen es Wray.

Womit sie ihre Musik hervorragend beschreiben. Im Gegensatz zu vielen doch arg schläfrigen Genrekollegen weiß die Band, wann es Zeit ist, an der Temposchraube zu drehen. Und so erinnern viele Momente auf Wrays durchgehend gelungenem zweiten Album "Hypatia" eher an The Cure oder The Smiths als beispielsweise an Lush. Stark die Achtziger in ihnen sind, würde ein bekannter Sprachverdreher mit spitzen Ohren wohl sagen. Ähnlich wie bei den großen Vorbildern lassen sich die Musiker treiben, ohne dabei die Songstruktur aus den Augen zu verlieren. "Giant" vollzieht etwa beinahe unmerklich den Wandel vom Streichelzoo zur Schlachtbank. Immer manischer wird auf die Gitarren eingedroschen, während Drummer Blake Wimberly feinste Motorik-Beats im Geiste von Neu! zelebriert.

Die einzelnen Stücke gehen hierbei nahtlos ineinander über, teils bauen kurze instrumentale Interludes Brücken zwischen den mäandernden Gitarrenläufen. Sänger und Gitarrist David Swatzell verfügt über keinen riesigen Tonumfang, rückt sein Organ jedoch mit viel Geschick und einer gesunden Portion Hall ins rechte Licht. Seine Melodien sind oft schwelgerisch, jedoch nie banal. "Pined" schwebt beispielsweise molluskengleich durchs spärlich ausgeleuchtete Tiefwasser. Wieder steigert sich der Song fast schon aufdringlich unspektakulär. Ein Prinzip, das süchtig macht.

Richtig derbe werden Wray selten, einzig der Titeltrack widmet sich umfassend der Saitenvernichtung. Vier Minuten, die viel zu schnell vorbeigehen. Neben wunderbar melancholischen Meditationen wie "Regular" und "Mounts minding" hat sich allerdings auch ein veritabler Kandidat für die Indie-Disco des Vertrauens geschlichen: Die beschleunigte Faust-Coverversion "Jennifer" bringt alles mit, was ein Tanzflächenfüller haben muss – treibende Riffs, hypnotisierende Drums, eine einfache, aber effektive Gesangsmelodie. Die in Noise getünchte Bridge setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Sonic Youth wären stolz auf Wray, so viel ist sicher. Obwohl die auch aus einer Stadt kommen, die nach dem Wiederverwertungsprinzip benannt wurde. Aber Namen sind bekanntermaßen Schall und Bausch.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Giant
  • Hypatia
  • Jennifer
  • Mounts minding

Tracklist

  1. Below
  2. Giant
  3. Hypatia
  4. +
  5. May 23rd
  6. Regular
  7. Diamond gym
  8. Shiva
  9. Pined
  10. Jennifer
  11. Dymaxion dream
  12. Mounts minding

Gesamtspielzeit: 38:00 min.

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