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Marble Sounds - Tautou

Marble Sounds- Tautou

Zeal / Cargo
VÖ: 22.04.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Im Schmelztiegel

Im Marketing wird gemeinhin unter "USP" eine sogenannte Unique Selling Proposition verstanden, ein Alleinstellungsmerkmal, welches zur Abhebung von der Konkurrenz sorgt und einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen soll. Für ein marktagierendes Unternehmen ein wichtiger strategischer Faktor – doch wie sieht es damit in der Musikwelt aus? Beim Blick auf verschiedene Größen im Tonträgergeschäft fallen beispielsweise The National mit Matt Berningers Bariton und Bryan Devendorfs unermüdlichem Schlagzeugspiel auf. Oder die leider verblassten The Weakerthans mit John K. Samsons unglaublich ergreifenden Texten. Oder Sigur Rós, bei denen fast jede Komponente in irgendeiner Form exotisch ist. Nimmt man die belgische Band Marble Sounds rund um Komponist Pieter van Dessel und ihr drittes Album "Tautou" als Beobachtungsobjekt, wird es schon schwieriger, wirklich außerordentliche Komponenten zu benennen. So sind alle der zuvor genannten Interpreten an bestimmten Stellen einmal herauszuhören. Aber dieses eine, ganz besondere Element? Schwer zu benennen. Die entscheidende Frage ist jedoch: Trübt das die Qualität der Musik?

Schon der erste Hördurchgang gibt die Antwort. "The first try" kann zum Beispiel in den ersten Sekunden durchaus deutliche Erinnerungen an The National wachrufen, doch spätestens wenn der unfassbar warmherzige Refrain hereinschaut, ist das alles vergessen und egal. Es ist nicht weniger als eine der schönsten Melodien, die man 2016 bisher hören durfte. Überhaupt, diese erste Albumhälfte – Highlight folgt auf Highlight, der Mund findet vor lauter Staunen gar nicht mehr in den geschlossenen Zustand zurück. "K.V." verschiebt sein Taktmaß dezent und verschläft ein wenig in wohligen, weichen Kissen. "Set the rules" fährt im Refrain erstmals dezentes Verzerrerbrummeln auf, ohne dass die Harmonie dadurch gestört würde. Und "Present continuous" trägt die Inspiration durch eine gewisse isländische Postrock-Formation offen vor sich her, vor allem im langgezogenen, Synthesizer-getränkten Beginn. Die Steigerung kommt, Bläser tragen den Song zum Ende, ein Ausbruch findet allerdings nicht statt. Stattdessen wird wie narkotisiert auf den Sternenhimmel geblickt, es bleibt das wundervolle Schwelgen im Sound.

Doch wer Sprint läuft, dem geht irgendwann die Puste aus. Das schwindelerregende Niveau der ersten Hälfte kann der Schluss nicht die ganze Zeit halten. "Tout et partout" entpuppt sich als bläsergestütztes, beschwingtes Duett, dauert mit seinen fünfeinhalb Minuten aber etwas zu lange. "Ten seconds to count down" und das verabschiedende "(How it's going to) End" erscheinen nur zu Beginn sehr unauffällig, stellen aber letztlich den in jeder Hinsicht traumhaften Abschluss der Platte dar. Dazwischen findet sich mit "These paintings never dry" das lauteste und treibendste Stück der Platte. Eingeleitet durch das wabernde Interlude "Rogue", schwingen sich die Belgier hier noch mal in höchste Höhen, verzerren Gitarre und Gesang und halten dennoch eine äußerst liebliche Melodie in der Hook parat. Eine echte Überraschung, ein weiterer klarer Höhepunkt.

"Tautou" ist ganz offensichtlich das Ergebnis eines Reifeprozesses, ein Album, das genau weiß, welche Knöpfe es zu welchem Zeitpunkt drücken muss und mit einer reichhaltigen, virtuosen Instrumentierung stehen der Band vor allem genug von diesen Knöpfen zur Auswahl. Die eklektische Natur der Songs tut deshalb der Begeisterung keinen Abbruch, vereinfacht vielmehr den Einstieg in den Kosmos von Marble Sounds und sorgt dafür, dass der Weg ins Hörerherz ein leichter ist. Da ist es verzeihlich, dass oft diverse Inspirationsquellen durchklingen, solange diese eine solch wunderbare Form im Schmelztiegel abgeben. Somit Meldung an die Marketingabteilung: Marble Sounds haben vielleicht keinen Matt Berninger, keine unmittelbar zu Tränen rührenden Lyrics und keine Fantasiesprache in petto. Sie haben aber ihre Songs – und die sind so gut, dass die Suche nach Unique Selling Propositions vollkommen unwichtig ist.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • The first try
  • K.V.
  • Present continuous
  • These paintings never dry

Tracklist

  1. The ins and outs
  2. The first try
  3. K.V.
  4. Set the rules
  5. Present continuous
  6. Tout et partout
  7. Rogue
  8. These paintings never dry
  9. Ten seconds to count down
  10. (How it's going to) End

Gesamtspielzeit: 40:08 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10532

Registriert seit 26.02.2016

2024-01-28 23:25:14 Uhr
Bei mir wohl eher Platz 3 hinter den beiden Nachbarn. Aber alle auf einem ähnlichen, sehr hohen Niveau.

Speedy

Postings: 292

Registriert seit 10.02.2021

2024-01-28 21:14:35 Uhr
Sehr gutes Album. Ihr bestes.

Blanket_Skies

Postings: 674

Registriert seit 21.09.2013

2018-10-21 10:37:27 Uhr
Danke, musie, für die The Bronze Medal Empfehlung!

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10532

Registriert seit 26.02.2016

2018-06-29 12:23:18 Uhr
Hab einen neuen Thread für diese freudige Nachricht aufgemacht. :-)

dieDorit

Postings: 2803

Registriert seit 30.11.2015

2018-06-29 11:27:33 Uhr
Neuer Song:
Anyhow (Even Now)

Anscheinend kommt auch ein neues Album im September.
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