Jupiter Jones - Brüllende Fahnen

Four / Sony
VÖ: 25.03.2016
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Landjugend
Die Geschichte um Nicholas Müllers Ausstieg bei Jupiter Jones wurde an anderen Orten dieses weltweiten Netzes zur Genüge erzählt. "Immer muss es weitergehen!" lautete dennoch die nicht einfach zu fällende Entscheidung von Sascha Eigner, Andreas Becker und Marco Hontheim – eben getreu ihres dreiteiligen Song-Kombinats aus früheren Tagen. Sven Lauer heißt der Neue und ist ein alter Freund von Eigner aus Jugendzeiten in der Eifel. Und weil sich nach dem Schock das Neue so gut anließ, hatte die Band recht schnell gemeinsame Songideen parat. Ein neues Album ohne Müller? Es gibt sicherlich einfachere Aufgaben.
"So hat man Jupiter Jones noch nie gehört!", warnt der Promo-Zettel zu "Brüllende Fahnen" eindringlich. Und richtig: Für etliche Kritiker und alte Freunde der Band bewahrheitet sich, was schon befürchtet wurde: Jupiter Jones klingen nicht eine Sekunde lang nach Jupiter Jones. Schon der Titelsong, der vorab nicht wenige Menschen ähnlich ratlos in der Gegend umher blicken ließ wie John Travolta im beliebten Internet-Meme, war schwere Kost. Als würde man Selig, Bilderbuch und The Clash in eine Telefonzelle pressen, weist der Track gerade im Sound originelle Ansätze auf, spielt diese auf engem Raum aber einfach nicht aus. Nicht alle der zwölf neuen Songs klingen und verpuffen so ähnlich, aber man muss ganz klar konstatieren: "Brüllende Fahnen" ist ein Neuanfang, besser, die Neuerfindung einer Band – unter altem Namen.
Gute Texte ohne Müller? Auch da gibt es kleinere Herausforderungen, wenngleich der Vorgänger "Das Gegenteil von allem" lyrisch nicht gerade brillant war. Tatsächlich verrennt sich der Vierer an etlichen Stellen in der Beliebigkeit: "Herzen schlagen sich" ist ein metaphorisch arg seichtes Beziehungs-Liedchen, ähnlich wie "70 Siegel", das sich in musikalischer Erwachsenheit wähnt, am Ende aber nur blass und aufgesetzt wirkt. Die Thematik von "Rückenwind-Gegenwind" haben seit Ende der Neunziger eben schon weit mehr Zungen als nur die von Thomas D abgegrast. Und so originell die Idee des abschließenden Traum-Protokolls "Zugabteil" auch sein mag: Außer Erschlagensein und verlegenem Kopfkratzen bleibt da beim Hörer wenig zurück. Ja, über Neues lässt es sich bekanntlich vortrefflich meckern. Das spürte auch Plattentests.de im Jahr 2009, als der Design-Relaunch das altbackene Blau-Gelb in das heutige, hypermoderne Rot-Weiß verwandelte. Mit unreflektiertem Nörgeln allerdings macht man es sich meistens zu leicht.
Denn auch "Brüllende Fahnen" punktet mit etlichen Ideen, an die Jupiter Jones nach dieser Übergangsplatte anknüpfen sollten: Schräg, aber angenehm giftig und zupackend gelingt der Band etwa der Post-Punk-Feger "Ein bisschen Paranoia". Hier passt auch der Text, nachdrücklich vom angenervten Keifen des Love-A-Sängers Jörkk Mechenbier befeuert. Der Indieklopfer "Dann greif ich an" leiht sich kurzerhand Kele Okerekes Gitarre, und sie steht dem Song durchaus gut. In Zeiten aufkeimender Salonfähigkeit rechtsgerichteter Parolen ist "Intrigen Intrigen", für das die Band einen alten Text von Hildegard Knef verfremden durfte, sicher ein wichtiges und richtiges Statement. Und die zweite Auskopplung "Faustschlag" hat nicht nur Hitpotenzial, sie dürfte auch alte Fans ein wenig versöhnen – wenngleich insgesamt die Diskrepanz zwischen Bandname und Sound vielen zunächst arg schwer im Magen liegen wird. Doch dafür gibt's ja Mittelchen.
Highlights
- Ein bisschen Paranoia
- Faustschlag
- Intrigen Intrigen
Tracklist
- Brüllende Fahnen
- Ein bisschen Paranoia
- Faustschlag
- Jede viertel Sekunde
- Intrigen Intrigen
- Herzen schlagen sich
- Rückenwind-Gegenwind
- 70 Siegel
- Dann greif ich an
- Alle Türken heißen Ali
- Lauf, Forrest, lauf
- Zugabteil
Gesamtspielzeit: 43:14 min.
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28621 Registriert seit 08.01.2012 |
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Frisch rezensiert!Meinungen? |
Mainstream Postings: 1864 Registriert seit 26.07.2013 |
2016-03-16 20:24:59 Uhr
Faustschlag als Highlight? |
Margarineschnittchen mit Schnittlauch |
2016-02-23 16:45:36 Uhr
Ich finde den Song gar nicht so verkehrt. Im Gegensatz dazu, was sie sich auf den letzten Alben geleistet haben, ist er auch textlich gar nicht so dumm. Der Sound klingt frisch.Es wird wohl nicht zu einem starken Album reichen, aber vielleicht zu einen ganz ordentlichen. |
ein |
2016-02-23 11:34:41 Uhr
"faustschlag" tut mir manchmal richtig gut. |
eric Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 2886 Registriert seit 14.06.2013 |
2016-02-23 11:27:50 Uhr
"Faustschlag" hat zumindest mal einen Refrain. |
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Referenzen
Selig; Kleinstadthelden; Junges Glück; Jonas Goldbaum; Madsen; Bosse; Emma6; Mikroboy; Love A; Illegale Farben; Hansen Band; Tomte; Thees Uhlmann; Kettcar; Auletta; Echt; Kraftklub; Fehlfarben; Joe Strummer & The Mescaleros; Blumfeld; Bakkushan; Tom Liwa; Wanda; Bilderbuch; AnnenMayKantereit; Bruce Springsteen; Nils Koppruch; Gisbert zu Knyphausen; Kid Kopphausen; Schrottgrenze; Sportfreunde Stiller; The Wohlstandskinder; Silbermond; Juli; El*Ke; Herrenmagazin; Die Toten Hosen; Donots; Beatsteaks; The Clash
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