Damien Jurado - Visions of us on the land
Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 18.03.2016
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Chill Dein Herz, Bruder
"Der Tod flog auf aus der Wüste / Und schauderte, da ich ihn grüßte / Und floh, da rief ich ihm zu / Dass einer hier sterben müsste / Er schrie mir: Erst lebe Du!" Fast könnte man meinen, dass Damien Jurado sich neuerdings vom deutschen Schriftsteller Clemens Brentano inspirieren lässt. Dessen Gedicht "Ich bin durch die Wüste gezogen" erzählt von einem Mann, der auf seinem Weg durch die Einöde nach und nach seine gesamte Familie und alles Hab und Gut verliert, bis er alleine ist und sein Schicksal jenem big guy in the sky in die Hand gibt, den er eben noch verzweifelt gesucht hat. Brentano verarbeitete damit auch seine eigene Familientragödie. Tatsächlich werden die Parallelen der gebeutelten Vater-Figur und dem Protagonisten von Jurados Album-Trilogie gerade hier, im großen Finale, überdeutlich.
Denn auch der namenlose Erzähler, dessen Geschichte Jurado 2012 auf "Maraqopa" zu schildern begann und zwei Jahre später auf "Brothers and sisters of the eternal son" fortsetzte, hat nichts mehr zu verlieren. Mit "Visions of us on the land" soll sie nun enden, die Story dieses mysteriösen Fremdlings, der sich einst ohne jegliche Papiere aufmachte, um sich selbst zu finden, ohne je wieder gefunden werden zu wollen. Noch immer ist er rastlos – wohin geht man auch, wenn man keinen Bestimmungsort hat? Es ist, wie so oft bei Jurado, einfach und schwierig zugleich: Mehr denn je ist hier der Weg das Ziel.
Dabei würde man dem Namenlosen gern mal etwas Ruhe für das arme, geplagte Herz gönnen. Aber nichts da: Erbarmungslos jagen Jurado und Produzent Richard Swift ihn im sanft startenden und plötzlich nach links und rechts umherirrenden "Taqoma" durch den Wüstensand, bis er vor lauter Staub nichts mehr sieht. Vernebelten Siebzigerjahre-Rock gibt es in der großartigen Single "Exit 353", die natürlich mitnichten wirklich eine Ausfahrtmöglichkeit bietet, sondern nur umso mehr fesselt. "Mellow blues polka dot" deutet immerhin eine kurze Verschnaufpause am Lagerfeuer an, bis die eigenartigen Stimmen im Kopf wieder das Ruder in die Hand nehmen und erneut die Flucht nach vorne veranlassen. Aber vor was rennt er eigentlich weg?
Klar ist: Jurado besingt auch immer sich selbst, in jeder Figur, in jeder Geschichte, in jedem Song. Der Namenlose aber soll für eine größere Gruppe von Leuten stehen. Für alle, die sich in einer ähnlichen Lage sehen, deren Existenzängste den Alltag mittlerweile beherrschen und die keinen Ausweg mehr vor Augen haben. Der 43-Jährige nimmt sie alle an die Hand: "Sam and Davy" führt er mit der Taschenlampe leuchtend durch die tiefschwarze Nacht zum rettenden Sonntagmorgen, in "And Loraine" begeben er und die Dame sich auf einen vergleichsweise geradezu entspannten Roadtrip durch Kalifornien mit harmonischer Folk-Untermalung, einem verirrten "Walrus" zeigt er mit groovendem Hüftschwung den Weg zur nächsten Wasserquelle.
Auch der Mann aus Seattle findet auf "Visions of us on the land" also keine Ruhe, im Gegenteil. Die Rolle als nimmermüder Geschichtenerzähler steht ihm zu gut, als dass er sie ablegen könnte. Es ist ein Glück für seine Hörerschaft, egal, wie sehr sie sich selbst davon wirklich angesprochen fühlt: Wenn er sich im fantastischen Psychedelic-Pop von "Cinco de tomorrow" verliert und die Grenze zwischen helfender Hand und sehnsüchtigem Suchenden immer unklarer wird, will man automatisch ein Teil dieser Erzählung sein. Spätestens mit "Kola", dem endgültigen Schlussakt dieser großen, feinen, immer aktuellen Geschichte ist dann ohnehin jeder mit dabei, wenn die Ruhe einkehrt und der Namenlose endlich an seinem Ziel ankommt. Oder bei sich selbst. Oder beides.
Highlights
- Mellow blues polka dot
- Sam and Davy
- Walrus
- Exit 353
- Cinco de tomorrow
- Kola
Tracklist
- November 20
- Mellow blues polka dot
- Qachina
- Lon bella
- Sam and Davy
- Prisms
- Onalaska
- Taqoma
- On the land blues
- Walrus
- Exit 353
- Cince de tomorrow
- And Loraine
- A.M. AM
- Queen Anne
- Orphans in the key of E
- Kola
Gesamtspielzeit: 52:06 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Editor |
2018-08-17 11:23:01 Uhr
Bei der Autofahrt endlich einen Zugang gefunden.- A.M. AM - Exit 353 die sitzen! |
Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2016-07-20 10:32:28 Uhr
Es ist echt eine schöne Platte, aber 17 doch recht ähnliche Tracks am Stück machen mich etwas platt. Wären das wie die Vorgänger so unter 40 Minuten mit den stärksten Momente, wäre es das absolute Überalbum. |
Johnny Utah |
2016-05-14 12:58:47 Uhr
Die erste der beiden LPs klingt bei mir irgendwie sehr dumpf. Fehlpressung, oder einfach schlecht gemischt? Hat hier jmd. Vinyl und kann ähnliches berichten? |
Highlight |
2016-04-08 15:43:12 Uhr
And Loraine nicht als Anspieltipp? Wie konnte der durchrutschen? |
Johnny Utah |
2016-03-10 22:37:29 Uhr
http://www.npr.org/2016/03/10/469671736/first-listen-damien-jurado-visions-of-us-on-the-land#playlistScheint mir dem ersten Eindruck nach die stärkste der "Traum-Triologie" zu sein. |
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Referenzen
Hoquiam; Dolorean; Hobotalk; Holopaw; Elvis Perkins; J. Tillman; Bonnie 'Prince' Billy; Elliott Smith; Sun Kil Moon; Mark Kozelek; Red House Painters; Jason Molina; Songs: Ohia; Magnolia Electric Co.; Shearwater; Great Lake Swimmers; Midlake; Iron & Wine; Phosphorescent; M. Ward; Sufjan Stevens; Bill Callahan; Hayden; Monsters Of Folk; Jim James; My Morning Jacket; Conor Oberst; Bright Eyes; Boy Omega; An Angle; Vetiver; Wilco; Okkervil River; The Low Anthem; Calexico; Sparklehorse; Beulah; Neil Young; Heatmiser; A Mote Of Dust; Grandaddy; Teitur; Grizzly Bear; Smog; The Folk Implosion; Mark Eitzel; Lambchop; The Flaming Lips; Mercury Rev; Yo La Tengo; The Zombies; Foxygen; Horse Feathers; The Magic Numbers; The Decemberists; The Beatles; The Kinks; The Zombies; Fleet Foxes; Sharon Van Etten; Rilo Kiley; Feist
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