M. Ward - More rain
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 04.03.2016
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Aus der Traum
Tod. Krieg. Verderben. Politchaos. Temperaturchaos. Finanzchaos. Alles schlecht. Da ein korrupter Firmenboss, dort ein verschwundenes Kind. Da ein schlechter Mensch mit zu viel Geld, dort zu viele Menschen mit schlechten Lebensbedingungen. Was einem auf der ersten Seite der Tageszeitungen an grauen bis rabenschwarzen Nachrichten überbracht wird, kann einem schon mal sauer aufstoßen. Findet auch M. Ward, der sich nach dem Lesen der Titelseite fragt, wie er die mal mehr, mal weniger merkwürdig anmutenden Lifestyle-Tipps im hinteren Teil des Blattes noch befolgen soll, wenn doch eh alles für die Katz ist. Seine Rettung? Die Musik. Und sein achtes Soloalbum "More rain" soll auch seinen Mitmenschen dabei helfen, mit den schlechten News des Alltags fertig zu werden.
"More rain", der Nachfolger des noch immer wunderschönen "A wasteland companion" von 2012, ist sich der Trübheit dabei stets bewusst. Nicht nur in Wards Wahl-Heimat Portland ist das Wetter schlecht. Oder besser: Nicht nur in Portland ist nur das Wetter schlecht. Doch diese zwölf Stücke sorgen immerhin für eine Art heimeliges Gefühl. Behutsam legen sie die Decke auf den frierenden Körper und schützen vor Kälte und Nässe. Ward schaut gemeinsam mit seinem Hörer von innen durch das Fenster und sieht den Regentropfen zu, wie sie langsam die Scheibe runterlaufen. Das macht das Wetter natürlich nicht besser. Aber es tröstet zumindest ein wenig, wenn das melancholische "Pirate dial", der eigentliche Einstieg nach dem minimalistischen und gerade mal einminütigen Titeltrack, versichernd zusummt: "I can hear ya."
Auch der Rest von "More rain" setzt Gemütlichkeit mit Bequemlichkeit gleich und wagt sich nur selten raus ins eklige Nass. "Time won't wait up" ist einer der wenigen Uptempo-Tracks und sorgt mit einer ordentlichen Ladung Pop für tanzende Beine und nickende Köpfe, "You're so good to me" swingt sich mit charmantem Harmonie-Gesang und Sechzigerjahre-Flair ins Ohr, während der Blues von "Slow driving man" allen Stücken über schnellfahrende Autos und jeglicher Hetzerei nach dem Sinn des Lebens einfach mal den Wind aus den Segeln nimmt. Als wäre Ward gerade aufgestanden und wolle seinen eben noch so real wirkenden Traum Revue passieren lassen, nimmt er sich hier die Zeit, mit einer Tasse Kaffee durch die Gegend zu schlurfen. Man gönnt es ihm. Warum nicht eine Sekunde länger an einem Traum festhalten?
Das einzige Problem ist, dass "More rain" bei aller Liebe bisweilen etwas schläfrig wirkt. Da bringen auch kurze Ausreißer nach oben wie im verhältnismäßig geradezu üppigen "Temptation" nicht viel – das Grau da draußen legt sich hier und da dennoch aufs Gemüt. Ebenso der Gedanke an den Ex-Partner, der jetzt mit Leuten verkehrt, mit denen man sich selbst so gar nicht identifizieren kann und die der 42-Jährige in der ersten Single "Girl from Conejo Valley" besingt. Die beobachtet man dann doch lieber aus der Ferne, durch das Fenster, vom Regen geschützt, während das hauchzarte "Phenomenon" nicht nur schöne Erinnerungen an das unterschätzte "Hold time" weckt, sondern auch den verträumt nach draußen blickenden Hörer. Alles gut, Ward. Noch fünf Minuten. Dann aber kommt die Decke weg.
Highlights
- Pirate dial
- Time won't wait up
- You're so good to me
- Phenomenon
Tracklist
- More rain
- Pirate dial
- Time won't wait up
- Confession
- I'm listening (Child's theme)
- Girl from Conejo Valley
- Slow driving man
- You're so good to me
- Temptation
- Phenomenon
- Little baby
- I'm going higher
Gesamtspielzeit: 37:30 min.
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