Poliça - United crushers

Memphis Industries / Indigo
VÖ: 04.03.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Dunkle Wolken vor Blau
Spaß haben mit Poliça? Denkste! Im Vorfeld zum neuen, dritten Album "United crushers" heißt es von Seiten der Band: "Den ganzen Winter über warten wir hier auf den ersten warmen Tag, um die Kinder zum Spielen nach draußen zu lassen. Doch der schöne blaue, sonnige Himmel bringt Angst mit sich, weil die Schießereien und Morde mit der Hitze und dem schönen Wetter zunehmen." Mit Optimismus oder Vorfreude auf laue Sommernächte braucht man Channy Leaneagh und Co. also nicht kommen. Anstelle bunt blühender Blumenwiesen sieht Frontfrau Leaneagh beim Blick nach draußen nämlich "postindustrielle, urbane Landschaften, übersät mit gebrochenen Versprechen." Die Musik zu diesen eher düsteren Gegenwartsbetrachtungen vibriert und pulsiert sanft, Electro-Pop könnte man es nennen, würde dieses Wörtchen nicht gleich falsche Assoziationen wecken. Industrielle Kälte jedenfalls spielt nur thematisch eine Rolle, im Sound der Band findet sich hingegen eine leichte, abstrakte Wärme, die so auch auf dem gefeierten Debüt "Give you the ghost" und dem Nachfolger "Shulamith" herrschte. Diese Dystopie trifft den Hörer also eher weich, dafür aber nachhaltig.
Im Zentrum der Stücke steht zunächst meist Leaneaghs charismatische Stimme, die spürbar am R'n'B amerikanischer Provenienz geschult ist. Sie ist die Sonne in diesem System, um die herum die anderen Planeten kreisen. Da wären die dynamischen Drums, die keine Atempause kennen, die schwindelerregenden Keyboards, die von Song zu Song ihr Antlitz verändern, der brummelnde Bass, der den luftigen Sound erdet. "Summer please", der Opener, beginnt mit verfremdeten Vocals – unheilvoll klingt das, roboterhaft vielleicht, das nervöse Zittern der Drums tut sein Übriges. Und doch klingen Poliça stets viel zu nahbar, um sich in präapokalyptischen Sphären zu wähnen. Vertont das Quintett aus Minneapolis vielleicht die Ruhe vor dem Sturmtief Donald? Man wird zunächst nicht schlau aus dem rätselhaften Pop, den Poliça hier präsentieren. Die Schönheit der einzelnen Kompositionen steht im Kontrast zu den bitteren Gedanken, die vorausgegangen sind. "Lime habit" oder "Someway" gehören nämlich vollkommen zurecht zum bewegendsten und traumhaftesten, was man bis dato im jungen Musikjahr 2016 zu hören bekommen konnte. Was man den beiden Nummern nicht anhört: Sie handeln von Ängsten, Unsicherheiten, Nervositäten.
Nervösitäten wie der eingangs beschriebenen Skepsis vor den warmen Sommermonaten. Vor der Veröffentlichung gebar Leaneagh ihr zweites Kind und mit dieser Schwangerschaft wuchs in ihr das Unbehagen: Sollte man in diese kriselnde Welt noch Kinder setzen? "Someway", auf "United crushers" der wohl zwingendste Song, erzählt von jenen Gedanken, in denen sich die Sängerin jäh verlor. Darüber hinaus handelt die dritte Platte aber auch von urbaner Isolation, Polizeigewalt, Rassismus und den langen Greifarmen des Kapitalismus. Dass die zwölf Stücke dennoch so persönlich und intim wirken, ist eine große Stärke, denn nie hat man das Gefühl, Poliça würden ihre Agenda mit dem Vorschlaghammer in die Schädel der Hörer hauen wollen. Denn genau dies würde letztlich wohl kaum funktionieren, Polemik und Parolen gibt es da draußen ohnehin schon genug. Poliça meißeln lieber filigrane Mahnmale, an denen man sich orientieren kann, singen mit sanftem Nachdruck kristallklare Songs über den Mist, der jeden Tag zwischen zwei Sonnenuntergängen so passiert. Schaurig, schön und erhellend: Dieses Album schärft den Blick.
Highlights
- Lime habit
- Someway
- Wedding
Tracklist
- Summer please
- Lime habit
- Someway
- Wedding
- Melting block
- Top coat
- Lately
- Fish
- Berlin
- Baby sucks
- Kind
- Lose you
Gesamtspielzeit: 43:13 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Gomes21 Postings: 5649 Registriert seit 20.06.2013 |
2017-07-04 21:24:45 Uhr
noch gar nicht reingehört. Live haben sie mir nicht sonderlich gefallen, aber einige Songs sind schon ganz geil. |
Editor |
2017-07-04 21:21:26 Uhr
"Wedding" was für eine schmutzige Sexbombe. Uff. |
badpit Postings: 160 Registriert seit 20.07.2013 |
2016-03-18 00:18:45 Uhr
mir gefällt das neue Album richtig gut - Rezension passt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-02-26 21:57:20 Uhr
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-02-26 17:49:05 Uhr
Poliça ab sofort im NPR-StreamNächsten Freitag, am 04. März, erscheint das neue Poliça Album "United Crushers". Ab sofort kann man es bei NPR vorab im Stream hören: http://www.npr.org/2016/02/24/467938835/first-listen-polica-united-crushers Sängerin Channy Leaneagh sagt darüber: "The record is full of meanings and “clues to the answers” but the main point of making music is to make something beautiful to listen to; bringing you a stimulating 45 minute experience with all the colors, noise, dark hallways and blissful touching that one should expect from a good drug. We try to give you your money’s worth; it’s a nice roll with not too much speed and a sweet come down." Im Herbst sind Poliça wieder auf Tour, im Sommer kann man sie beim Hurricane / Southside sehen: 24.-26.6.2016 - Hurricane Festival - Scheeßel 24.-26.6.2016 - Southside Festival - Neuhausen ob Eck 27.10.2016 Köln - Die Kantine 28.10.2016 Frankfurt - Batschkapp 29.10.2016 Hamburg - Uebel&Gefährlich 04.11.2016 Berlin - Astra 05.11.2016 München - Technikum "United Crushers" ist das dritte Album der Band aus Minneapolis und nicht zuletzt von der Stadt selbst stark geprägt. Channy erklärt: "If you look up when you drive around [Minneapolis] you’ll see the tag “United Crushers”. The tag looks down at the city and reminds me of where we really are and what is really happening here. United States of Dreams be Crushed. Theses are the stories big and small in tragic weight that all the same are apart of being human from what I can see. Be it violence, poverty, love, discrimination, heartache, fears or fame. Call it by it’s real name, so it doesn’t take you down in the same way." Pressestimmen: „Schmerzhaft schön, geisterhaft und groovy: Das dritte Album des Synthie-Pop-Kollektivs leuchtet wieder in geheimnisvollen Farben.“ (Musikexpress 03/16, 4 out of 6) „Der Eklektizismus in Poliças Einflüssen, in ihrem eigenwilligen Stilmix genauso wie in der Wahl ihrer Themen macht die Band aus Minneapolis zu etwas Besonderem.“ (Spex 03/16) "Lately" war der letzte Song, den die Band geteilt hatte: https://soundcloud.com/polica/lately Das Video zur akutellen Single "Wedding" seht ihr weiterhin hier: https://vimeo.com/152496912 Video zu "Lime Habit" an dieser Stelle: https://vimeo.com/145261311/ |
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Referenzen
Little Dragon; La Roux; Lykke Li; Austra; Rhye; Ms Mr; 2:54; Grimes; Zola Jesus; Fever Ray; The Knife; Sia; Sharon van Etten; Panda Bear; Imogen Heap; TV On The Radio; Portishead; Burial; Active Child; The xx; James Blake; Bon Iver; Volcano Choir; Gayngs; Daughter; Glasser; Twin Shadow; Phantogram; Beach House; Exitmusic; Chvrches; Still Corners; Chairlift; Braids; The Hundred In The Hands; AlunaGeorge; Jessie Ware; How To Dress Well; Vondelpark; Charli XCX; Wild Beasts; Melody's Echo Chamber; School Of Seven Bells; Warpaint
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