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Lycus - Chasms

Lycus- Chasms

Relapse / Rough Trade
VÖ: 15.01.2016

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Höchste Tiefen

Langsamkeit ist eine Tugend. Vielleicht nicht im Kopf, aber im Leben. Hektik verstellt den Weg zu vernünftigen Entscheidungen. Die kalifornischen Doom-Metaller von Lycus haben diesen Gedanken verinnerlicht. Sie haben Zeit, sie lassen sich Zeit. Gerade einmal vier Tracks sind auf ihrem zweiten Album "Chasms" enthalten – und das bei knapp einer Dreiviertelstunde Spielzeit. Typisch für das Genre, doch bei genauerem Hinhören durchaus erstaunlich: Während andere Bands Songs durch endlose Wiederholungen auf epische Breite auswalzen, sind die Kompositionen von Lycus von stetigen Wechseln geprägt. Schroffe Breaks sucht man vergeblich, stattdessen durchläuft jeder Song mehrere Evolutionsphasen, ohne dabei inkohärent oder gar zusammengestückelt zu wirken.

Im Prinzip ist "Chasms" ein Ganzes. Ein verdammt großes noch dazu. "Solar chamber", der Opener, beginnt mit einem mächtigen Riff, das den Claim absteckt: Hier und heute wird abgerissen, und zwar gründlich. Just in dem Moment, in dem aus meditativer Gleichmäßigkeit Monotonie zu werden droht, kippt der Song um, und geht in lupenreinen Black Metal über – ein Kunstgriff, den beispielsweise auch Bands wie Deafheaven meisterhaft beherrschen. Überraschend ist, mit welcher Aggressivität und Zerstörungswut Lycus agieren. Das Geballer aus allen Rohren ist keine Augenwischerei, sondern bitterer Ernst. Einender Faktor ist die Schwermut, die den Gitarrenmelodien innewohnt. Der variable Gesang, der von mehreren Bandmitgliedern übernommen wird, tut sein Übriges dazu.

Mühelos integrieren Lycus Growls und cleane Passagen, die Grundstimmung bleibt dabei stets psychedelisch. "Solar chamber" leistet sich etwa den Luxus, nach gut sechs Minuten in einen astreinen Sludge-Part überzugehen, bevor gegen Ende ein Cello Flugzeugträger in die Tiefe reißen darf. Das Streichinstrument ist der heimliche Star des Albums: Immer dann, wenn eine Steigerung durch Lautstärke oder Tonhöhe unmöglich erscheint, erklingen plötzlich seelenzerschmetternde Saitenlaute. So auch in dem wogenden Titelsong, dessen großartige Riffs durch die Streicherparts auf beeindruckende Weise ins rechte Licht gerückt werden.

Unzweifelhafter Höhepunkt des Albums ist der Schlusstrack "Obsidian eyes", der genau so klingt, wie der Titel vermuten lässt. Mysteriös, verheißungsvoll, schimmernd – und alles in allem zappenduster. Partytauglich ist an Lycus' Musik glücklicherweise überhaupt nichts. Auch hier übernimmt das Cello die ehrenvolle Aufgabe, nach gut zehn Minuten den emotionalen Overdrive anzuwerfen. Zweifellose Erhabenheit für verzweifelnde Menschen, aufgetürmt zu Schall und Rausch. Dargeboten in einer Langsamkeit, die einem viel Zeit für die wichtigen Dinge lässt. Das Bestaunen des wundervollen Artworks, zum Beispiel. Oder das Fällen von vernünftigen Entscheidungen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Obsidian eyes

Tracklist

  1. Solar chamber
  2. Chasms
  3. Mirage
  4. Obsidian eyes

Gesamtspielzeit: 43:35 min.

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Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2016-02-26 21:56:46 Uhr
Frisch rezensiert.

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