Field Music - Commontime

Memphis Industries / Indigo
VÖ: 05.02.2016
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Endlich normale Leute
Bei Field Music gibt es immer was zu tun – auch ohne neue Platte. Nach "Plumb" verlegte sich David Brewis erst einmal auf sein Projekt School Of Language, Bruder Peter nahm mit Maximo-Park-Sänger Paul Smith das Globetrotter-Tagebuch "Frozen by sight" auf, und beide widmeten sich gemeinsam der Soundtrackarbeit "Music for Drifters", die aber schwerlich als regulärer Field-Music-Longplayer durchging. Und da die zwei auch nicht jünger werden, eröffnen sie ihr je nach Wahrnehmung fünftes oder sechstes Studioalbum nun mit der Ansage "The noisy days are over". Will heißen: sich des Öfteren die Ruhe antun, lieber mal den Bus nehmen, auch wenn's länger dauert, nicht mehr so oft einen trinken und stattdessen früh ins Bett gehen. Idealer Nährboden für den detailfreudig-barocken Indie- und Kammer-Pop aus dem Norden der britischen Insel.
Trotzdem atmet gerade der swingende Auftakt so locker durch die Hose, als hätte statt Reorganisation der Briefmarkensammlung eine Runde Netflix and chill auf dem Programm gestanden. Die Gitarrenfigur eiert gut gelaunt an fidelem Midtempo-Backbeat entlang, der Gesang jubiliert sich im vermutlich übergroßen Anzug in die Höhen von Talking Heads' "Stop making sense"-Phase, bevor ein Jim-Steinman-Piano und hyperaktives Getröte das Stück mit vereinten Kräften auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Auch "Disappointed" wackelt zu flockigem Refrain und hüpfendem Basslauf aufreizend mit dem Allerwertesten, gönnt sich ein paar Takte lang eine ruppig dazwischenfahrende Ätz-Gitarre – und plötzlich sind Field Music ganz kurz Rock'n'Roll. Zumindest so sehr, wie man das mit Cardigan und Sakko sein kann.
Und gelegentlich funktionieren solche vergleichsweise rabiaten Exkursionen sogar auf Songlänge. Etwa im abgezirkelten Post-Punk-Skelett "Same name" und vor allem bei "I'm glad", wo sich das "My Sharona"-Riff von The Knack zuerst zu vertrackten Rhythmen Knoten in die Beine tanzt, dann hinterrücks von einem Akustik-Break überfallen wird und zum Schluss mit Getöse in ein unachtsam abgestelltes Drumkit stolpert. "The morning is waiting" hingegen blinzelt schläfrig einer elegischen Streichersektion zu, und "It's a good thing" macht mit Falsett, funky abgedämpften Gitarrenschlägen und kleinen Synthie-Ausdünstungen dem Weiße-Hosen-Soul der Achtziger so deutlich seine Aufwartung, dass selbst Hall & Oates mit den Augenbrauen zucken: Selten hat jemand ihren Heuler "I can't go for that (No can do)" so stichhaltig unter Indie-Gesichtspunkten neu bewertet.
Der im Albumtitel verbaute Hinweis auf den Viervierteltakt als kleinsten gemeinsamen musikalischen Nenner ist dabei schnell als listiger Treppenwitz entlarvt, denn Field Music lassen die Songs genauso gerne unvorhersehbar irrlichtern wie die Existenz ihrer Protagonisten: Freundschaften keimen auf und verpuffen, Beziehungen zerbröseln in der Mühle des Alltags, häusliche Mini-Dramen köcheln vor sich hin – endlich normale Leute. Und wenn sich diese im Leben zuweilen verzetteln, teilen sie dieses Schicksal immerhin mit schwächeren Momenten wie dem schwerfälligen Art-Rock-Gebilde "Trouble at the lights" oder dem angestrengten Sparks-Camp von "They want you to remember". Vielleicht zwei der Gründe, warum sich "Commontime" am Ende etwas blass um die Nase aus der Hintertür schleicht – doch wer weiß, was die Brüder Brewis noch zu tun haben.
Highlights
- The noisy days are over
- Disappointed
- I'm glad
- It's a good thing
Tracklist
- The noisy days are over
- Disappointed
- But not for you
- I'm glad
- Don't you want to know what's wrong?
- How should I know if you've changed?
- Trouble at the lights
- They want you to remember
- It's a good thing
- The morning is waiting
- Indeed it is
- That's close enough for now
- Same name
- Stay awake
Gesamtspielzeit: 57:36 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Loketrourak Postings: 2700 Registriert seit 26.06.2013 |
2016-10-10 16:16:40 Uhr
Höre gerade so querbeet durch die 2016er Anschaffungen.6/10 für Commontime ist zu wenig. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28276 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-02-03 21:56:26 Uhr
Frisch rezensiert!Meinungen? |
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Referenzen
The Week That Was; School Of Language; Paul Smith & Peter Brewis; Bell X1; Dutch Uncles; Wild Beasts; Talking Heads; Django Django; Everything Everything; Fiction; Bound Stems; Hatcham Social; Maximo Park; Jack; James Cook; The Dollhouse; The Futureheads; Young Knives; The Trouble With Templeton; The Divine Comedy; Pugwash; The Duckworth Lewis Method; Duke Special; Momus; Roxy Music; XTC; Squeeze; Scritti Politti; Gang Of Four; FFS; Sparks; Hall & Oates; Paul Young; Queen; The Flaming Lips; The Shortwave Set; The Phantom Band; The Sea And Cake; Yamon Yamon; The Magnetic Fields; Stephin Merritt; The Auteurs; White Denim; Gomez; Ween; Kashmir; Edwyn Collins; Belle & Sebastian; The Beatles; The Beach Boys; The Zombies; The Who; The Knack; The High Llamas; Of Montreal; Neutral Milk Hotel; The Apples In Stereo; The Olivia Tremor Control; Clap Your Hands Say Yeah; Alec Ounsworth; Evangelicals; Islands; The Unicorns; The Spinto Band; The Fiery Furnaces; Eleanor Friedberger
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