Bloodiest - Bloodiest
Relapse / Rough Trade
VÖ: 15.01.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Die Welt hängt schief
Wer Bloodiest als Hochzeitsband engagiert, sollte einen guten Scheidungsanwalt kennen. Wenn das Sextett aus Chicago zum Tanz aufspielt, bleibt keine Tortenschicht auf der anderen. Brachial, urgewaltig, ungestüm gehen die Männer aus Illinois zu Werke, ohne jedoch dabei auf Atempausen und atmosphärische Zwischenspiele zu verzichten. Auf ihrem zweiten Longplayer sind schwermetallische Riffs, exzessive Noise-Passagen und einlullende Akustikausflüge derart makellos ineinander verwoben, dass es zunächst gar nicht auffällt, wenn Songs sich über Trackgrenzen hinaus erstrecken. Dabei verkommt das Spiel mit der Dynamik aber nie zu bloßer Effekthascherei: Bloodiest schlagen zwar durchaus hart zu, doch bleiben dabei erstaunlich präzise.
Maßgeblich dafür verantwortlich ist das wohl durchdachte Zusammenwirken vertrackter Gitarrenmotive mit minimalistischen, aber effektiven Rhythmen. Deutliche Tool-Einflüsse ziehen sich durch die Riffs von "Mesmerize" und "Broken teeth", ohne dass der Eindruck des Plagiarismus entstehen würde. Hierzu ist der zwischen Entrücktheit und Exzess pendelnde Gesang von Bruce Lamont auch viel zu einzigartig. Mal brüllt er wie am Spieß, mal säuselt er beinahe zärtlich. Doch immer trifft er genau den Ton, der dem jeweiligen Song gerade noch gefehlt hat. Virtuos ist etwa die Steigerung in "The widow", das nach anfänglichen Donnerschlägen sich zunächst in Andeutungen verliert, bevor es gewaltig rummst. Alles kreischt wie von Sinnen – für alle Sinne ein Fest.
Vorzüglich fügen sich auch die Klaviertupfer ein, die den schwerfällig dahintaumelnden Monstrositäten einen Hauch von Melancholie verpassen. Besonders das Takt für Takt in den Irrsinn abgleitende "He is disease" wird erst durch die Tasteninstrumente wirklich zappenduster. Und die Lichter bleiben aus: Die beiden finalen Tracks "Separation" und "Suffer" suhlen sich in psychotischen Endlosschleifen aus verzweifeltem Geschrei und wüstem Feedback, ehe endgültig die Tore zur Unterwelt aufgestoßen werden. Bloodiest sind Zerstörer. Sie lassen Kategorisierungen weit hinter sich, indem sie sich nicht auf den Effekt, sondern auf dessen Auslöser fokussieren.
Das an sich unscheinbare Zwischenspiel "Condition" steht exemplarisch für diese These: Cleane Saiteninstrumente deuten das Leitthema von "Broken teeth" an, wobei der Song die melodischen Ideen nicht nur aufnimmt, sondern konsequent einen Schritt weitergeht. Während Lamont leidet wie Layne Staley in seinen stimmlich besten Zeiten, kontrastieren seine Mitmusiker abgehackte Tonsprengsel mit weit ausladenden Tremolo-Schwaden. Wenn dann zwangsläufig das Leiden in Fatalismus umschlägt, gibt es kein Halten mehr. Die Welt hängt schief und Bloodiest haben kein Interesse, sie wieder geradezurücken. Das darf die Sintflut übernehmen. Oder der Scheidungsanwalt.
Highlights
- Mesmerize
- The widow
- Broken teeth
Tracklist
- Mesmerize
- The widow
- Condition
- Broken teeth
- Mind overlaps
- He is disease
- Separation
- Suffer
Gesamtspielzeit: 43:36 min.
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33945 Registriert seit 07.06.2013 |
2016-02-06 19:49:47 Uhr
Wow. Gefällt mir. Tool in Noise irgendwie. Yeah. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27875 Registriert seit 08.01.2012 |
2016-02-03 21:55:31 Uhr
Frisch rezensiert!Meinungen? |
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Referenzen
Neurosis; Isis; Tool; Yakuza; Yob; Swans; Russian Circles; Pelican; Locrian; Hull; Deadbird; Circle Of Animals; Adrift For Animals; Fear Factory; Forge Of Clouds; Bereft; Katergon; Atavist; Pallbearer; Saint Vitus; Electric Wizard; Meshuggah; Whitebuzz; Soundgarden; Alice In Chains; Deafheaven; Black Sabbath; Orchid; Caspian; Lynx; Aereogramme; Mogwai; Fantômas; Battle Of Mice; A Storm Of Light; Oceansize; Ostinato; The Secret Machines; Explosions In The Sky; God Is An Astronaut; Amplifier; Sleep; Deftones; Karma To Burn
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- Bloodiest - Bloodiest (2 Beiträge / Letzter am 06.02.2016 - 19:49 Uhr)