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Sasha Siem - Most of the boys

Sasha Siem- Most of the boys

Blue Plum / Caroline
VÖ: 04.12.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Lieben im Zirkel

Pop ist häufig Auffangbecken derer, die es in anderen Künsten nicht geschafft haben. Denn nirgendwo lässt es sich so genialisch Dilettant sein. Noten lesen können ist ebensowenig notwendig, wie irgendein Wissen über Tempi, und selbst Verse lassen sich ohne Metrik oder Reim texten. Sasha Siem ist die Antithese hierzu. Sie hat Musik mit Poesie in Cambridge und Harvard studiert. Als manch andere Studenten noch grübelten, wie sich die Prüfungen strategisch aufschieben lassen, nur um möglichst lange an der lebensfernen Universität zu überdauern, komponierte Siem für das London Symphony Orchestra und das London Philharmonic Orchestra – und damit für zwei der bedeutendsten Institutionen in England. Zudem erhielt sie als Jüngste überhaupt den British Composer Award. Für ein Pop-Debüt ist sie mit 31 Jahren eher spät dran. Vielleicht war sie auch eingeschüchtert von ihrem jüngeren Bruder Charlie, einem erfolgreichen Violinisten, der mit The Who und Miley Cyrus auf der Bühne anbandelte und nebenbei noch für Nobelkleidung modelt.

"Most of the boys" dauert kaum mehr als eine halbe Stunde. Siem erzählt in zwölf Songs eine Liebesgeschichte als Zyklus. Zyklus, weil sie das Ende früh vorweg nimmt und in den einzelnen Stücken bereits wiederholt. Die meisten Jungs seien eben die meisten Jungs und auch wie die meisten Jungs: liebesfaule Machos, die Mädchen als Experimente zur eigenen Sexualität betrachten. So sehr sie anfangs verzückt sei, so sehr wisse sie bereits vom sich anbahnenden Frust, verursacht von dem anderen. Das ist ein Klischee, nun gut, nur singt sie davon abwechslungsreich: mal offensichtlich, mal angedeutet. Nach dem tonal abgehackten Auftakt mit erzürnten Violinen fügen sich all diese Partikel in eine engere Melodie. Mit großem Streicherwall träumt Siem von "echten" Gefühlen, so echt sie überhaupt sein können. Sie hat sich der Pop-Musik überhaupt erst zuwendet, weil sie dichtet und schreibt und das in klassischen Kompositionen nicht unterbringen konnte. In "Proof" geht sie erneut zerstückelt vor, bekennt wehleidig "There is proof on the roof of my mouth / Of the damage you've done" zu tränenden Geigen, die sporadisch einsetzende Drum-Beats in ein Lärmgewühl scheuchen.

Siem hört sich dabei oft nach Joanna Newsom, Björk und PJ Harvey an, ihre Songs sind hingegen eher klassisch angehaucht von Jacques Brel oder Salvatore Sciarrino. "Most of the boys" ist kein Album, das zwischen den Polen von E- und U-Musik steht, sondern eine Mischung aus erkennbar bleibenden Garnen. Dem konventionelleren Pop, also klaren Liedstrukturen und Melodien, die mitgesummt werden können, widmet sie sich in dem abschließenden Quartett. "So go" ist Kammerpop höchster Güte. Percussions lassen "See trough" energisch rasen. "My friend" ist dann die erwartete Großspurigkeit, wenn Klassik verpoppt wird und mit umarmenden Violinen viel Pathos erzeugt. "Valentine" schließt nach langem Instrumentalpart ab, der ein wenigen nach den einstimmenden Proben eines Orchesters klingt. "You've been my religion / You've been my abuse", stöhnt sie. Das Ende ist Anfang ihrer endenden Liebesgeschichte.

(Maximilian Ginter)

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Highlights

  • Most of the boys
  • Proof
  • Valentine

Tracklist

  1. Most of the boys
  2. Kind man's kiss
  3. Proof
  4. So polite
  5. Knots and do-nots
  6. Seamy-side
  7. Silence
  8. Tug of war
  9. So go
  10. See through
  11. My friend
  12. Valentine

Gesamtspielzeit: 31:27 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-01-27 21:14:33 Uhr
Frisch rezensiert!

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