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Borknagar - Winter thrice

Borknagar- Winter thrice

Century Media / Universal
VÖ: 22.01.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Eiskalte Lehrstunde

Klar, die Winter in Skandinavien sind kalt. Verdammt kalt sogar. So richtig unangenehm allerdings, und damit beginnt die heutige Unterrichtseinheit in Sachen nordische Mythologie, wenn ein solcher Winter gleich dreimal in Folge tobt. Also ohne Sommer dazwischen. Nein, das ist nicht das subjektive Empfinden der letzten Jahre, beim Fimbulwinter handelt es sich um die erste von vier Urkatastrophen, mit denen Ragnarök, mithin das finale Abtreten der Götter eingeleitet wird. Nun ist Øystein G. Brun im Unterschied zu so manchem Genre-Genossen nicht eben als Misanthrop verschrien. Aber mit klirrender Kälte, mit derartiger Untergangsstimmung in einer Welt ohne Wärme kennt er sich mit seiner Band Borknagar seit jeher bestens aus, nicht zuletzt, seit die Norweger 2012 mit "Urd" ein gar prachtvolles Beispiel dieser einzigartigen Mischung aus Black Metal, dezenten Prog-Anleihen und großem Drama präsentierte.

"Winter thrice" also, das zehnte Studioalbum 20 Jahre nach dem selbst betitelten Debüt. Und Brun wäre des Wahnsinns, wenn er vom bisherigen Rezept abwich. Mehr noch: Der Bergener ist explizit bekannt dafür, immer wieder Fäden früherer Alben aufzunehmen und auf neuen Platten miteinander zu verweben. Das Resultat: Permanente Evolution aus sich selbst heraus. Nehmen wir als Beispiel einmal den Song "The dawn of the end" aus dem Jahr 1997. Konkret: Das Textfragment "Autumn twice, winter thrice", eingesungen vom heutigen Ulver-Frontmann Krystoffer "Garm" Rygg. Nein, es ist natürlich kein Zufall, dass ebenjener Garm 2016 für einen Song mit exakt diesem Namen am Mikrofon steht. Und wie er das tut. Denn möchte man einen Überblick über die Faszination erhalten, die Borknagar auch nach zwei Dekaden noch verströmen, dann ist "Winter thrice" mit unfassbaren vier Sängern, diesen irren Wechseln zwischen Klargesang und irrem Gekeife, mit dem Wagnis, wahrhaft epische Gesangslinien über wüsten Blastbeats auszubreiten, die perfekte Blaupause dafür.

Borknagar jedoch als bloße Eklektiker abzutun, wäre zu kurz gegriffen. Denn der Bandchef und Hauptsongschreiber baut aus eben diesen Eigenreferenzen immer neue Strukturen, nimmt sie als Basis für neue Wege, die schon längst scheinbar weit von der vermeintlich hehren Lehre des Black Metal abgezweigt sind. Aber sind sie das wirklich? "Panorama" beispielsweise beeindruckt durch das geschickte Einflechten von folkigen Passagen, freilich ohne auch nur im Ansatz in Pagan-Schunkeleien zu versinken. Und die Liebe zur Natur, zur eigenen Herkunft ist eben genau das, worauf sich die Bands der ersten Welle des norwegischen Black Metal bei aller Misanthropie sehr vehement bezogen haben. Nur dass die Zeiten brennender Kirchen zum Glück längst vorbei sind.

Aber lassen wir doch einmal all diese Hirnakrobatik beiseite und lassen die Platte dort wirken, wo es wirklich wirken soll – in Herz und Bauch. Und da gelingt den Norwegern das Kunststück, auf den ersten Durchläufen etwas sperriger noch als auf dem Vorgänger "Urd" zu wirken. Nur dass sich "Winter thrice" umso nachhaltiger eingräbt. Nicht nur entführt, sondern auch verführt. In jedem gottverdammten Track den unglaublichen Spagat zwischen Epik, ausgebreiteten Armen und raserischer Ekstase vollführt. Das Album führt Black Metal nicht in den Mainstream, welches höhere Wesen auch immer es verhindern möge. Aber Borknagar zeigen auf großartige Weise, dass es sehr wohl aus seinen Grenzen ausbrechen kann. Und weit mehr als pandagesichtige Sonderlinge im Wald und drittklassigen Rumpelpumpel-Sound zu bieten hat. Sondern im Fall dieses Albums große Kunst in einem extremen Genre.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Winter thrice
  • Panorama
  • When chaos calls

Tracklist

  1. The rhymes of the mountain
  2. Winter thrice
  3. Cold runs the river
  4. Panorama
  5. When chaos calls
  6. Erodent
  7. Noctilucent
  8. Terminus

Gesamtspielzeit: 49:39 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
JanZwölfDreizehn
2016-10-27 03:22:01 Uhr
Im Nachhinein wohl mit "When We Are Death" von Hexvessel wohl mein Album des Jahres. Es hat mich nachhaltig beeindruckt und läuft immer noch rauf und runter - obwohl ich bislang nicht so der große Fan der ganz harten Metalklänge war.

Sind auch schon wieder im Studio für die nächste Platte.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-01-27 21:10:23 Uhr
Frisch rezensiert!

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