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Blaue Blume - Syzygy

Blaue Blume- Syzygy

Brillante / Believe Digital
VÖ: 29.01.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Roman-Ticker

Blaue Blume. Ein Bandname wie eine Deutschstunde. Schon sitzt man gedanklich wieder im Unterricht, arbeitet sich in Gedichtsanalysen durch Jamben und Trochäen und sinniert über E.T.A. Hoffmann, Novalis oder Joseph von Eichendorff, die der originären Schönheit der blauen Blume huldigten, ihr übernatürliche Wirkung zusprachen und zum Symbol der Romantik verhalfen: "Mir träumt, dass in der Blume, mein gutes Glück mir blüh'." Von Eichendorff, 1818. Da waren die Mitglieder des gleichnamigen Quartetts aus Kopenhagen etwa Minus 180 Jahre alt. Nun schaffen sie es, dass sich Musikjournalisten aus, sagen wir, Moskau, über den Umweg Bandname en passant mit deutscher Lyrik beschäftigen.

Aber klappen wir den Gedichtszyklus mal zu und die Platte auf. Wobei. Zuvor wäre noch ein kurzer Blick auf die Außenhülle durchaus angebracht. Zu sehen sind auf dem Cover von "Syzygy" zwei entblößte Körper, die, nur wenige Zentimeter voneinander getrennt, Rücken an Rücken liegen. Darunter steht in kleiner Schrift: "You kissed my ear and whispered something and threw yourself into the flames – and I quickly followed 'cause you're mine." Bei Blaue Blume geht es um Nähe und Distanz, um Sehnsucht und Liebe. Und Sänger Jonas Smith, der durchaus androgyne Züge in seinem Gesangsstil hat, kann diese Gefühlswelt problemlos vermitteln. Seine Stimme trägt ihn häufig ins Falsett, im Tiefenrausch blitzt Nina Simone auf, und dazwischen sind Gedanken an Hayden Thorpe, Andru Donalds, Antony Hegarty oder auch diesen Typen von Orange Blue so angebracht wie deplatziert.

Blaue Blume sind mit jeder Faser ihrer Songs ein wahres Referenzlexikon und "Syzygy" in seiner Kunst, daraus ein homogenes, identitätsstiftendes Ganzes zu schaffen ein frühes Highlight in 2016. Die Spurensuche für die Einflüsse der vier Dänen führt unentwegt immer wieder in die Achtziger Jahre. Zu Cocteau Twins, Roxy Music, The Smiths, Orange Juice oder auch My Bloody Valentine, wo immer prägnante Gitarren- und Bass-Sounds hausen, die sich im Popkostüm nun neu arrangieren und zusammensetzen lassen. "Candy" ist in seinem Refrain samt der purzelbaumelnden Klampfe schon sehr zuckrig, beißt aber auf knurrigen Bass. Das Kleinod "Gently lovely baby" vergisst Jeff Buckley nicht, und im Abspann bzw. Nachklapp von "Thinking of Roxy" suhlt sich Smith im Schatten der Landschaft von The Antlers' "Hospice".

Blaue Blume sind nicht altbacken. Schon in der Single "Sky" klingt es, als zupften sie ein Xylophon, um es als getröpfelte Afro-Pop-Ausläufer mit Seals "Kiss from a rose" zu vermählen, "On new year's eve" sausen Foals durch die Hirnrinde, biegen die Dänen zu Jónsi ab und schließt Smith mit den Worten "We lose our hips to the sound of apocalypse". Die Endzeit folgt dann auch zweifelsohne: "Epoch". Wer sich wie Blaue Blume nach einem Begriff der Romantik benennt, kann auch Epochen vertonen, indem er einen Walzer-Takt unter einen verwaschenen, wohlig gedämpften Noise-Teppich mit Post-Rock-Fransen schiebt, perkussive Begleiter duldet, dreieinhalb Minuten auf Gesang verzichtet, sich für das Vorprogramm von Sigur Rós empfiehlt, später das Schlagzeug in Gänze bemüht und mit einem fantastischen Lacher Smiths ausfadet.

Viele Wendungen erlebt "Epoch" zwar nicht und fühlt sich doch an wie eine zu kurz geratene Klimax. Siebeneinhalb Minuten Wonne sind wahrlich kein schlechter Ersatz. Bei einer Band, die sonst schon genug Haken einschlägt sowieso. "Roxy" ziehen Blaue Blume entlang der Steel-Pan, umgarnen Dream-Pop, lassen neben dem eingesprungenen Michael-Jackson-Quieken aber Rückschlüsse auf The Cure zu. In kleinen Nischen findet sich zudem auch noch Prog, der nicht immer so offensiv winkt wie in "Tranquil curtains". Versteht Ihr? Das geht immer so weiter! Der Kopf zieht einen regelrecht in eine Spirale hinein. Welche Rolle haben The Smiths, The Style Council oder Prefab Sprout für "The sun blows up our lungs" wohl gespielt? Und interessiert es wen, solange Blaue Blumes feines Händchen für Melodienführung Beachtung findet? Die Analyse zieht weiter, der Sultan hat Durst. Wir verweilen in der Deutschstunde und melden uns freiwillig zum Nachsitzen.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • Sky
  • Thinking of Roxy
  • Epoch
  • Roxy
  • Gently lovely baby

Tracklist

  1. Candy
  2. Sky
  3. Buoyant forces
  4. Thinking of Roxy
  5. On new year's eve
  6. Epoch
  7. Roxy
  8. Tranquil curtains
  9. Before the sun blows up our lungs
  10. Gently lovely baby

Gesamtspielzeit: 49:23 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2016-04-06 07:49:21 Uhr
Danke für die Info. Wird korrigiert.
@Redaktion
2016-04-06 03:54:30 Uhr
Nur zur Info:

Bei den bisherigen Alben der Woche habt ihr vergessen dieses hier mit aufzulisten.
Bremer Stadtmusicunt
2016-03-09 13:38:58 Uhr
in hh bin ich dabei!
war schon mal jemand von euch im häkken?

Stephan

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 991

Registriert seit 11.06.2013

2016-03-09 09:14:20 Uhr
Lohnt sich auch live. Waren nur ca 40 Leute in Dortmund, Band aber sehr gut.

Nach Berlin, Hamburg und Köln kommen sie in diesen Tagen auch noch.

MartinS

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 1395

Registriert seit 31.10.2013

2016-01-26 12:25:04 Uhr
Es brauchte einige Zeit, bis ich mich mit dem Gesang anfreunden konnte, seither bekommt mich das Album allerdings immer mehr.
Sehr schön das.
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