Savages - Adore life
Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 22.01.2016
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Parkplatz-Party statt Poloturnier
Sie haben es ja längst geschafft. Das bockstarke Frauenquartett von Savages veröffentlichte 2013 sein Debütalbum "Silence yourself", tourte damit durch die Welt, wurde für ein paar Preise nominiert und mit ein paar anderen überschüttet. Es folgten Auftritte bei den großen internationalen Festivals sowie künstlerisch anspruchsvolle Perfomances mit diversen Kollaborateuren, bei denen die Musik nur ein Teil des Ganzen war. Vergleiche wurden gezogen zwischen der Band und Siouxsie And The Banshees, während Sängerin Jehnny Beths scharfkantige Ausstrahlung nicht nur bei den Konzerten für offene Münder und große Augen sorgte. Der Nachfolger des polternd-intensiven Erstlings wird nun mit Spannung erwartet und die Damen mit Kusshand von der Post-Punk-Szene wieder willkommen geheißen. Und Savages? Die schlagen das Patschehändchen weg, ohne mit der Wimper zu zucken, drehen sich um und machen ihr eigenes Ding. Schon wieder.
Savages verweigern sich – fast scheint es, als wollten sie den Ruhm und Erfolg gar nicht wirklich haben. Auf "Adore life", ihrem zweiten Album, machen sie ihre Mission bereits im Titel unmissverständlich klar: Die drei Britinnen sowie ihre französische Frontfrau bestehen auf das Recht, ihr Leben so zu leben, wie sie es sich wünschen – und es dann auch in vollen Zügen genießen zu können. "Love is the answer" deklariert daher die Vorabsingle "The answer" mit ordentlich Druck und in die Höhe gestreckten Fäusten, bis die Fingerknöchel weiß werden. Auch das dazugehörige Video setzt auf Gemeinsamkeit als stärkste Macht und präsentiert Savages inmitten ihres brodelnden, headbangenden, durch die Gegend springenden Publikums, in einer scheinbar x-beliebigen Lagerhalle – es könnte auch ein Parkplatz sein. Ein Hinterhof. Eine Garage. Das Wo ist hier egal, auf das Wie hingegen kommt es umso mehr an. Dennoch legt so mancher Fan skeptisch die Stirn in Falten und fragt nach dem roten Faden. Den gibt es auf "Adore life" gewiss, die Suche danach erweist sich jedoch als etwas komplizierter als bisher gewohnt.
Auch die zweite Single "T.I.W.Y.G.", zumindest in Teilen eine Abkürzung der Zeilen "This is what you get / When you mess with love", sträubt und windet sich unter der Erwartungshaltung, beißt die imaginäre Leine dann aber alsbald durch und wirbelt beim Vorpreschen ordentlich Staub auf. Ähnlichkeiten zu "Silence yourself" gibt es natürlich trotzdem: Das Muster der sich wiederholenden Textfragmente, wie es schon etwa von "She will" oder auch "I am here" geprägt wurde, wird auch auf "Adore life" fortgeführt. Im düsteren "Evil", einer Abrechnung mit der katholischen Kirche im Allgemeinen und mit den französischen Protestlern gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Speziellen, betont Beth mehrere Stellen überdeutlich und mit Nachdruck, sagt sie mantraartig immer und immer wieder auf, bis sie sich auch der letzte Zweifler hinter die Ohren geschrieben hat. Das Album, welches wie der Vorgänger von Johnny Hostile produziert, aber erstmals in den Londoner RAK-Studios aufgenommen wurde, strotzt vor Liebe, Lust und Leidenschaft – und setzt sich mit jeder Note dafür ein. Koste es, was es wolle.
Im elektrifizierten "Surrender" schimmert ein wenig der Einfluss von Electronica-Legende Anders Trentemøller durch, der das Album in seiner Kopenhagener Heimat abgemischt hat: Zu den glasklaren Drumsounds von Fay Milton, die ihr Können seit dem Debüt weiter verfeinern konnte, gesellt sich die mit Starkstrom aufgeladene Gitarre, bis die Haare von ganz alleine statisch zu Berge stehen. Das fiebrige "I need something new" fegt hysterisch durchs Haus, um sein sexuelles Vergnügen schließlich in einem kalten Flur zu befriedigen, wohingegen "Slowing down the world" auf mehr Sinnlichkeit setzt, den zügellosen Appetit nach mehr aber mindestens bekräftigt. Das Highlight des Albums ist ausgerechnet genau jener Song, der sich am meisten von den anderen unterscheidet: Die anfängliche Melancholie von "Adore" mag nicht beim ersten Mal zupacken, danach aber umso fester. Die kurze Pause, die zwischen "Maybe I will die / Maybe tomorrow / So I need to say" und dem fast schon flehenden "I adore life" liegt, gehört jedenfalls klar zu den besten Momenten in der natürlich noch jungen Karriere von Savages. Wenn der Vierer anschließend aber in schwindelerregende Höhen gleitet und den endgültigen Ausbruch dann einfach umgeht, fragt man sich schon zu Recht: Was soll da eigentlich noch kommen?
Highlights
- Adore
- I need something new
- Surrender
Tracklist
- The answer
- Evil
- Sad person
- Adore
- Slowing down the world
- I need something new
- When in love
- Surrender
- T.I.W.Y.G.
- Mechanics
Gesamtspielzeit: 39:44 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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VelvetCell Postings: 7606 Registriert seit 14.06.2013 |
2023-02-15 18:55:54 Uhr
Habe es öfter mit denen probiert, weil wir eigentlich ganz gut zusammen passen. Dachte ich. War aber nicht so. Trotzdem schade. |
noise Postings: 1021 Registriert seit 15.06.2013 |
2023-02-15 18:54:11 Uhr
Sehr, sehr schade. Großartige Band die ich immer mal live sehen wollte. Aber habe das schon so erwartet, da schon länger nichts Neues mehr von denen kam. Der Fokus liegt wohl eher auf ihren Solokarrieren. |
fuzzmyass Postings: 17475 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-02-12 22:13:55 Uhr
Ja, grandiose Band... schade, aber war abzusehen... ich hatte mal nen kurzen sehr netten Insta Austausch mit Ayse vor Corona, da klang es so als wäre es sehr ungewiss ob es weitergeht... fand auch Jehnnys Soloalbum zwar ganz gut, aber nicht annähernd so stark wie Savages... Ayse Solo war aber auch nicht übel... |
hos Postings: 1948 Registriert seit 12.08.2018 |
2023-02-12 20:10:36 Uhr
habe gerade leider die Bestätigung von Jehnny Beth bekommen, dass Savages Geschichte sind.Echt Schade. Beste All-Girl Liveband ever. https://www.youtube.com/watch?v=q6eIjsOwo2s |
hos |
2018-07-26 21:21:26 Uhr
Nachtrag - Bassistin Ayse Hassan hat neben dem Projekt "Kite Base" auch noch ein Solo-Album aufgenommen, welches wohl ab morgen erhältlich ist. Erste Single "Lost" https://www.youtube.com/watch?v=jkWNyDFqrro dürfte wohl den Freunden rein synthetischen NIN-Materials gefallen. |
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Referenzen
Siouxsie And The Banshees; Bleached; 2:54; The Organ; Teen; Girls Names; Dum Dum Girls; Frankie Rose; Veronica Falls; Vivian Girls; The Jesus And Mary Chain; The Velvet Underground; Nico; Women; Best Coast; Here We Go Magic; DIIV; Beach Fossils; Male Bonding; Real Estate; Sleigh Bells; Surfer Blood; Cloud Nothings; Holograms; Woods; Ride; God Help The Girl; The Pains Of Being Pure At Heart; Crystal Stilts; The Microphones; Jay Reatard; Silver Jews; The Raveonettes; Guided By Voices; Kimya Dawson; Kunst; My Bloody Valentine; Sonic Youth; X-Mal Deutschland; Skeletal Family; Anne-Marie Hurst; Joy Division; A Place To Bury Strangers; The Gun Club; Wavves; Echo Lake; Young Prisms; Galaxie 500; Slowdive; Trembling Blue Stars; No Age; Lovvers; Times New Viking; No Joy; The Field Mice; The Orchids; Yuck; Rocketship; Fang Island; Warpaint; Wye Oak; Ringo Deathstarr; Hinds; Honeyblood; Mozes And The Firstborn
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