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David Bowie - Blackstar

David Bowie- Blackstar

Columbia / Sony
VÖ: 08.01.2016

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die letzte Mission

Der Tod von David Bowie hat die ganze Welt schockiert und alle Musikfans in den Trauerzustand versetzt. Diese Rezension wurde in weiten Teilen vor der offiziellen Nachricht verfasst. Und manches bekommt nun eine neue Bedeutung.

Im Nachhinein betrachtet man das Video zu "Blackstar" natürlich ganz anders: Unter einer Astronautenhaube gleißt ein verzierter Totenschädel hervor. Einem buddhistischen Tantra gleich weht eine Kerzenflamme, und David Bowie ist der inszenierte Heilsbringer. Seine Poesie: heidnisch und satanisch, etwas gaga. Seine Musik: anstrengend wegen abgehackter Beats und strukturfreiem, jazzigem Krautrock. Das Video ist eine diffuse Scharade durchtränkt von Andeutungen und Symbolik, die man jetzt in einem anderen Licht sieht, und dabei garstig wie von Matthew Barney. Zeitgleich natürlich großgestisch und theatralisch. Streicher eröffnen im Mittelteil eine wunderschöne, eindringliche Ballade. Ein Lied im Lied als Köder in dieses abstrakte postmoderne Gemälde eines Albums. Postmodern, weil es von Selbst- und Fremdreferenzen wimmelt. Der "Blackstar", oder zumindest dessen Prophet, ist erschienen. "I'm a blackstar", singt Bowie so oft, bis es alle glauben und vor ihm niederknien.

Was damit gemeint sein könnte? Ein Negativ des lichten Sterns, irgendetwas, das im schwarzen Loch verloren ging oder grenzt sich Bowie – weit banaler – nur von Pop-, Film- und Gangstars ab, wie er im Song noch meint? Ist es eine IS-Abhandlung, wie Saxophonist Donny McCaslin dafürhielt? Oder doch eine jetzt umso tragischere Andeutung auf das Unvermeidliche? Von Bowie selbst gab es dazu keinen Kommentar, er verschanzte sich hinter seinen wirren Texten. Produzent Tony Visconti kündigte ein "Bowie-Album, eingespielt von Jazz-Musikern" an. Rock, dekonstruiert quasi, zerstückelt und verfremdet, wie es Kendrick Lamar mit dem HipHop gemacht hat. Der habe inspiriert, auch der Einfluss von Flying Lotus klingt durch und, mehr als jemals zuvor, Scott Walker. Bowie nähert sich seinem Idol und dessen Schimären. Und wird relevant wie lange nicht mehr.

Zwar waren "'Tis a pity she was a whore" und "Sue (Or in a season of crime)" bekannt, da sie bereits 2014 veröffentlicht wurden, doch fügen sie sich leicht überarbeitet in das Album ein. Homogen klingt es wegen McCaslins Jazz-Rock-Combo. Sie konzentrieren die Lieder, Mark Guiliana schlägt Rhythmen, die andere nur programmieren können. "'Tis a pity she was a whore" wirkt enervierend, erhält von einem Chor, bestehend aus gesampelten Bowies, etwas Sakrales, das vom Saxophon brachial zermartert wird. "Sue (Or in a season of crime)" spitzt sich früher als in seiner Originalfassung zur kakophonischen Klimax zu und schließt mit einem Industrial-Durcheinander ab. Ein anderes Variantenspiel ist "Lazarus", das in die Berlin-Trilogie gepasst hätte. Im gleichnamigen Musical spielt Michael C. Hall, bekannt aus der Serie "Dexter", den immerwährenden, versoffenen, sich heimsehnenden Alien. Er singt meuchelnd und trotzig, Bowie hingegen sehnsuchtsvoll, er hadert mit dieser verdammenden Bürde des Auferstandenen aus dem Johannesevangelium. Seine Melismen, also auf mehrere Töne gedehnte Silben – das Übel anderer Popstars –, zeigen ihn gebrechlich.

"The next day" war eine Alterselegie. "Blackstar" ist ein Fanal als sich entkoppelnder Irrsinn. Bowie interpretiert Rap im expliziten "Girl loves me". Mit reichen Streichern und Piano ist "Dollar days" eine für ihn klassische Nummer, raumgreifend und episch und bizarr kraftvoll, bei weinendem Saxophon. Zum Schluss wärmt sein Timbre im schmerzlichen "I can't give everything away". Eine von Leid getragene Schönheit. Auf "Blackstar" wütet Bowie zeitweise wie auf "1. Outside", er versöhnt sich mit den kitschigen Sax-Ideen von "Black tie, white noise", schmachtet wie einst Ziggy Stardust und misst sich mit "Scary monsters". Er schwebt von sich und der Welt fort, dem fernsten Stern entgegen, der eigentlich ein großer, hoffentlich nicht ganz so schwarzer Klotz ist. Wir bleiben zurück – und werden ihn vermissen.

(Maximilian Ginter)

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Highlights

  • Blackstar
  • Lazarus
  • I can't give everything away

Tracklist

  1. Blackstar
  2. 'Tis a pity she was a whore
  3. Lazarus
  4. Sue (Or in a season of crime)
  5. Girl loves me
  6. Dollar days
  7. I can't give everything away

Gesamtspielzeit: 41:13 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2020-12-05 20:38:29 Uhr
So ein tolles Album. Was für ein Karriere- und Lebensende...

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2019-12-04 00:59:03 Uhr
Top-5-Album von ihm, vielleicht sogar Top 3. Verdammt nah an der Höchstwertung.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2019-12-04 00:38:55 Uhr
Schon ein wunderbarer Abschluss einer wunderbaren Karriere. Immer wieder dunkel und schön. Bei rym hat das Album übrigens wieeder die 4.00 geknackt.
Paul McLennon
2019-01-14 21:30:09 Uhr
Ach, der ist immer so.
Ernesto Trappatoni-Strunz
2019-01-14 09:46:31 Uhr
Was erlauben Scaruffi??
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