Coldplay - A head full of dreams
Parlophone / Warner
VÖ: 04.12.2015
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Oooopium fürs Volk
Die waren doch schon immer, die mochte ich nur mal als sie, ich fand die ja noch nie, blabla. Herrgott, dann hört's Euch halt nicht an, liebe Coldplay-Disser. Es wird Euch wieder nicht gefallen. Ihr werdet das Album nicht mögen, kaufen und sollt es auch nicht. Auf der anderen Seite, auf der sich auch der Rezensent einreiht, stehen ja immer noch jene, die mit der Band etwas anfangen konnten, die den Weg auch bedenkenlos mitgehen, seit Coldplay en passant U2 als größte Stadion-Popband ablösten und buntblinkende Bändchen auf ihren Konzerten verteilten. Die zwar zunehmend weniger große Songs bemerkten, aber bis einschließlich "Ghost stories" voller Überzeugung sagen konnten, dass die Briten kein durchweg schlechtes Album gemacht haben. Die Verteidigung für "A head full of dreams" hingegen wird schwierig.
Es ist aus so unendlich vielen Gründen Coldplays schwächste Platte. Ein paar höchst subjektive davon folgen jetzt. Grotesk etwa, wie ein junger Mann namens Chris Martin mit 23 Lenzen gegen Wind und Regen an der Küste Dorsets kämpfend "Yellow" intoniert und 15 Jahre später, vermeintlich weiser, mit seinen Bandkollegen der Sülze "Amazing day" zur Geburt verhilft. Eine wiegenhafte Ballade mit einem schauderlich tönenden "Oooh"-Part Martins. Seit "Viva la vida or death and all his friends" sind jene Vokalisierungen Bestandteil vieler Songs der Band. Gewachsen aus den Erfahrungen immer größer werdender Arenen – Super Bowl 2016, here they come –, gespickt mit dem Gedanken an die wachsende Masse der Zuhörer, die befriedet und einbezogen werden will. Sie hatten also für die Live-Umsetzung immerhin einen Zweck. Auf "A head full of dreams" aber wirkt es, als fiele Martin & Co oft nichts anderes ein. Füllsel als Stilmittel.
Die "dub dubi dubs" etwa im synthetischen Orgel-Pathos von "Army of one" machen den Track musikalisch redundanter als er ist und übertünchen sogar Martins unverkennbar traurigen Grundton. "Hymn for the weekend" vergleicht Liebe mit einem Drink und einer Droge und schwebt mit Engelsflügeln durch rosarote Zeilen wie "I'm feeling drunk and high." Die Nebenwirkungen des Rauschzustandes äußern sich in stetig wiederkehrenden "Iiiii oooh aaaah"-Ausrufen, einer akustischen Mischung aus Jauchzen und Zahnschmerz, den Gastsängerin Beyoncé um "lalala" ergänzt. Man möchte eine Petition für Konsonanten ins Leben rufen, dabei geht der musikalische Unterbau, obwohl von Avicii stammend, schon klar. Und so krankt die Platte neben mittelprächtigen Texten in erster Linie an der mittelprächtigen Realisierung gesteckter Vorstellungen. Die Mischung aus melancholischem Poprock und Songs für die Tanzfläche fährt zuweilen mit stotterndem Motor.
Coldplay versuchen sich 13 Jahre nach "A rush of blood to the head", einer bis heute perfekten Pop-Platte, am universellen Tableau. Um es mit Martins Zeile aus "Up & up" zu sagen: "Going to get it together somehow." Irgendwie modern sein mit discoiden Referenzen zu Chic oder Daft Punk im mauen Titeltrack und der ersten, durchaus groovenden Single "Adventure of a lifetime" und dabei mal schlechter, mal besser Jonny Bucklands Echo-Gitarren inkludieren. Martins Vorliebe für R'n'B einbringen, erst recht in Zeiten, wo das Genre so vital ist wie lange nicht. Mit der Konsequenz, dass der Kampf Idee gegen Umsetzung nach der x-ten Runde Schnick-Schnack-Schnuck den blassen R'n'B-Hidden-Track "X marks the spot" hervorbringt und Coldplay wirklich jedwede Eigenständigkeit abspricht. Gruselig. Warum so kompliziert, wenn es "Birds" in Phoenix-Manier und Stakkato-Beat an Bucklands Seite gelingt, mit einfachsten Mitteln bester Track zu werden und "Kaleidoscope" als stimmungsvolle Interlude seinen Job erledigt.
"A head full of dreams" präsentiert sich als das Gegenstück zu "Ghost stories". Martin näht das zerbrochene Herz des Covers wieder zusammen. Der reduzierte Sound, die introvertierte Inszenierung mit der "Live"-Platte, die eher einem kleinen geschlossenen Zirkel gleichkam, all das war offenbar nur ein Zwischenspiel, um jetzt musikalisch doch wieder bei "Mylo xyloto" anzusetzen. Mehr Lebensfreude, mehr Selbstaufrichtung in Farbe und Bunt mit Aussagen wie "You make me feel like I'm alive again" und "Don't ever give up." Leider ist das verbunden mit wenig zwingenden Melodien, man mag eben vieles ein bißchen. "Everglow", mit Gwyneth Paltrow im Background, ist natürlich eine feine Piano-Ballade, sieht von Vorläufern wie "Green eyes", "Lost" oder "O" aber jederzeit nur die Rücklichter. Bis Coldplay für "Up & up" Chor, Noel Gallagher sowie zwei Gitarren-Soli ankarren und das dichtgestrickte Arrangement konsequent zu Ende führen. Es habe 15 Jahre gebraucht, um diesen Song als Band schreiben zu können, sagt Martin. So fair muss man sein: Vor 15 Jahren hätten sie nicht mal den gebraucht.
Highlights
- Birds
- Up & up
Tracklist
- A head full of dreams
- Birds
- Hymn for the weekend
- Everglow
- Adventure of a lifetime
- Fun (feat. Tove Lo)
- Kaleidoscope
- Army of one
- Amazing day
- Colour spectrum
- Up & up
Gesamtspielzeit: 41:14 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Huhnmeister Postings: 2634 Registriert seit 22.08.2022 |
2024-10-20 19:58:24 Uhr
Stelle mir grad vor, wie nörtz 1 großes Coldplay-Poster in seinem Schlafzimmer hängen hat, aber mit roter Farbe ein großes X drübergepinselt. :D |
nörtz User und News-Scout Postings: 15037 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-20 19:49:40 Uhr
Schon herrlich, wie dieser Absatz auch in die Rezension zur Mondmusik gepasst hätte. :DMit einem Wiedererkennungswert, der dank zahlreicher Effekte gegen Null tendiert, ist es aber im Grunde egal, wer da jetzt genau "Ah-oh-ah-oh-ah / La la la la la la la / So high, so high" ins Mikro flötet.Da ihnen nicht viel einfallen mag, müssen bis zum Erbrechen wiederholte Gesangsschnipsel wie "Di Fa Da" ("Adventure Of A Lifetime") und "Du Bi Dub Dub Du Bi Dub" ("Army Of One") die Lieder definieren.Den schnarchnasigen Beat unterbietet Martin, ohnehin nicht für die Tiefe seiner Texte bekannt, aber noch mit einem knackigen "My heart ba bum bum bum bum". |
Huhn vom Hof Postings: 7160 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-10-07 15:18:14 Uhr
"Birds" und "Up & Up" sind ganz ok, aber was soll bitte "X Marks The Spot" darstellen? |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11180 Registriert seit 23.07.2014 |
2019-12-02 22:12:19 Uhr
Und bei "Ghost Stories" ist "O" tatsächlich nur der Part am Ende der Tracknummer und der eigentliche Song ist ein Hidden Track namens "Fly On". Bisschen komisch bei denen. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10233 Registriert seit 26.02.2016 |
2019-12-02 22:09:58 Uhr
War jetzt nur ein Beispiel. Auf der "Viva La Vida" gab es das doch sogar mehrfach ("Reign Of Love" und "Chinese Sleep Chant"). |
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Referenzen
Snow Patrol; U2; Embrace; OneRepublic; Keane; Kodaline; The Boxer Rebellion; The Killers; Brandon Flowers; John Newman; Guillemots; Saybia; Athlete; A-Ha; Morten Harket; Doves; Ghosts; Thirteen Senses; The Dears; Travis; Sophia; Bell X1; Cherry Ghost; The Verve; Richard Ashcroft; The Fray; The Script; Eskobar; Moke; The Temper Trap; Gary Go; Ian O'Brien-Docker; Animal Kingdom; Robbie Williams; Starsailor; Lowgold; Delaware; Abby; Cherry Ghost; Take That; Maximilian Hecker; The Feeling; Idlewild; Editors; Florence & The Machine; Hurts
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