Godspeed You! Black Emperor - Yanqui U.X.O.

Constellation / Southern / EFA
VÖ: 04.11.2002
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Yankee doodle
Die Welt ist schlecht. Ganz besonders jetzt, ganz besonders bei den Yankees. Deren Bush-Trommler ist der Antichrist und doch bloß eine Marionette im großen Geflecht des militärisch-industriellen Komplexes. Ferngesteuert von den Interessen multinationaler Großkonzerne, die nicht nur skrupellos mit Waffen handeln, sondern auch noch die Unterhaltungsindustrie unter sich aufgeteilt haben. So, damit wäre das geklärt. Spannender ist da schon die Wiederkehr des neunköpfigen Kollektivs Godspeed You! Black Emperor. Man beachte nur die überraschende Wanderung des Ausrufezeichens im Bandnamen. Aber Vorsicht: "The new album is just music." Man sollte also nichts überinterpretieren, auch wenn das hoch anspruchsvolle Gesamtkunstwerk der Kanadier vor Aussagen, Botschaften und Prinzipien nur so strotzt.
Während sich alle Welt derzeit meist wenig subtil an der künstlerischen Verarbeitung des 11. Septembers 2001 versucht, ignoriert die Montréaler Anarchisten-Truppe diesen temporären Einbruch in das amerikanische Wohlbefinden. Es gibt wichtigeres. Die Unterdrückung des Individuums in einer sich zugrunde globalisierenden Welt zum Beispiel. Die Kriegstreiberei Arial Sharons. Die Unzurechnungsfähigkeit amerikanischer Außenpolitik. Ähnlich schwere Geschütze also wie jene, die schon auf dem Cover zu entdecken sind.
Doch ehe wir uns in den überfrachteten Beipackzetteln und Begleit(verschwörungs)theorien verlieren, befindet sich auf "Yanqui U.X.O.", dem dritten Studioalbum der Breitwand-Avantgardisten, natürlich auch Musik. Keine leicht Kost fürwahr. Statt dessen schwere Gedanken, ausufernde Harmoniebögen, düstere Bilder, brodelnde Gefühle. Federnde Melodien, tröpfelnder Schwermut und atemanhaltendes Moll. Mit der "Corporate rock sucks!"-Aufrichtigkeitsplakette von Steve Albini zertifiziert.
Diesmal scheint man sich allerdings etwas kürzer zu fassen als noch auf dem Vorgänger, wo man zwei pickepackevolle Tonträger brauchte, um ganze vier e-musikalische Botschaften an den Postrock einzufangen. Das schindete nicht nur Eindruck, sondern war diesen auch auf ganzer Linie wert. Auf "Yanqui U.X.O." sind es nun gleich fünf Tracks auf einer einzigen Scheibe. Und dennoch sind die mindestens viertelstündigen Exkurse durch barockende Partituren so weit von handelsüblichen Popsongs entfernt wie Eminemsche Deftigkeiten vom Literatur-Nobelpreis. Das Wesen von "Yanqui U.X.O." hat fünf Buchstaben: E wie Existentialistisch. R wie Rebellierend. N wie Notorisch. S wie Sphärisch. T wie Transzendent. E-R-N-S-T. In Großbuchstaben.
Minutiös durchdeklinierte Epen zielen erst auf den Intellekt und dann aufs Herz. An erhabener Großgestigkeit und verstörenden Ausbrüchen versucht man sich nur noch in wohlvorbereiteten Momenten. Man läßt es zunächst fließen. Hinter so manchem ausgetüftelten Crescendo wartet dann aber statt explosiver Radikalität nur gedämpfter Radau. Der Mahlstrom von Geigen, Gitarren und anderem Gerät wabert jenseits von Kitsch und Klischee. Die Spannung trägt zwar schwer am selbstgestellten Anspruch, bietet aber genug Widerstand, um niemals einzuknicken. Schon wieder so eine Botschaft. Und dann trifft man im Dickicht doch wieder auf eine unvermutete Eleganz der Klänge. Atemstillstand. Einatmen, ausatmen. Wellness ist anders.
Highlights
- Motherfucker = redeemer (Part 1)
- Motherfucker = redeemer (Part 2)
Tracklist
- 09-15-00 (Part 1)
- 09-15-00 (Part 2)
- Rockets fall on rocket falls
- Motherfucker = redeemer (Part 1)
- Motherfucker = redeemer (Part 2)
Gesamtspielzeit: 74:55 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Bonzo Postings: 3311 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-05-19 16:58:29 Uhr
Vielleicht war das GYBEs Angriff auf den Mainstream. :) |
Given To The Rising Postings: 7679 Registriert seit 27.09.2019 |
2020-05-19 16:45:17 Uhr
Großartiges Album. Erst unterschätzt, aber vielleicht homogenstes Album. Allein wie sich Motherfucker=Redeemer entwickelt, ist bewegend. Wie wärs mal mit ner Listening Session dazu? |
fakeboy Postings: 5825 Registriert seit 21.08.2019 |
2020-05-19 16:41:05 Uhr
East Hastings ist aber auf der F♯A♯∞ zu finden... |
Bonzo Postings: 3311 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-05-19 15:57:01 Uhr
28 Days Later ist der Film an den ich immer beim Yanqui hören denke. Verrückt, dass beides fast gleichzeitig veröffentlicht wurde. |
Kamm Postings: 631 Registriert seit 17.06.2013 |
2020-05-19 15:50:05 Uhr
Also, zumindest East Hastings kommt bei 28 Days Later richtig gut. :D |
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Referenzen
A Silver Mt. Zion; Rachel's; Dirty Three; Labradford; Elders Of Zion; Set Fire To Flames; Lude; Sigur Rós; Mogwai; Sackville; Do Make Say Think; Larval; A Northern Chorus; Tortoise; Spacemen 3; Spiritualized; Hungry Ghosts; Flying Saucer Attack; Rothko; Delicate AWOL; My Bloody Valentine; Larmousse; Codeine; Slint; Fugazi; Sonic Youth; Fireside; The White Birch; Ennio Morricone
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