Tracy Chapman - Greatest hits
Elektra / Rhino / Warner
VÖ: 27.11.2015
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Große Poesie
"Poor people gonna rise up and get their share / Poor people gonna rise up and take what's theirs."
Ob man ihre Musik nun mag oder nicht, eines muss man mal respektvoll und ernsthaft sagen: Tracy Chapman ist schon viel mehr als eine bloße Sängerin oder Singer-Songwriterin. Die mittlerweile 51-Jährige ist Vollblutmusikerin, Unterstützerin mehrerer großer sozialer Organisationen, hat einen Bachelor of Arts in Anthropologie und einen Ehrendoktortitel der Schönen Künste – und dass sie quasi auch eine Art Revolutionsführerin ist, dürfte mittlerweile eh weitestgehend bekannt sein. Vor allem ist Chapman aber eines: eine große Dichterin.
"You see, my old man's got a problem / He lives with the bottle, that's the way it is / He says his body's too old for working / I say his body's too young to look like his."
Das war schon immer so. Chapmans Songtexte sind auch ohne die musikalische Begleitung eine Kunst für sich und bergen immer wieder kleine wie große Sätze, die gut und gern in jedes Poesiealbum passen. Dank der knapp 30 Jahre, die ihre Karriere nun umfasst, hätte man wohl ganze Bücher mit diesen Textfragmenten füllen können. Zugegeben: Seit der Jahrtausendwende waren die Texte oft auch noch etwas besser als die Melodien. Auf "Greatest hits" konzentriert sich die Frau aus Cleveland dann klugerweise vor allem auf die vermeintlich alten Sachen. Dafür hatte man eigentlich schon die großartige erste Songsammlung "Collection" von 2001 im CD-Regal, die das Beste ihrer ersten fünf Studioalben vereinte. Macht trotzdem nichts, denn Oldies sind schließlich Goldies. Und ganz ehrlich: Kann es überhaupt genug Compilations mit dem Evergreen "Fast car" darauf geben? Eben.
"Last night I dreamed / A cold blue light was shining down on me / I screamed myself awake / Thought I must be dying."
Und so sind sie auf "Greatest hits" alle vertreten, die Klassiker und Hochzeitsfeten-Lieblinge. "Talkin' bout a revolution", durch das Chapman dank ihres Auftritts bei der Feier zum 70. Geburtstag von Nelson Mandela im Jahr 1988 ihren Durchbruch schaffte, findet sich da genauso wie das scheinbar beschwingte und doch zentnerschwere "Subcity". Die Liebeskummer-Ballade "Baby can I hold you" sorgt auch im 27. Jahr nach Originalveröffentlichung für einen dicken Kloß im Hals, das soulige "Give me one reason" hingegen für einen lockeren Rhythmus in den Beinen. Dazwischen finden sich mit "You're the one" vom 2002er-Werk "Let it rain" und dem drei Jahre später veröffentlichten "Change" von "Where you live" zwei der etwas besseren Songs aus den letzten Alben.
"If you dream of me like I dream of you / In a place that's warm and dark / In a place where I can feel the beating of your heart."
Wenn es etwas gibt, das man "Greatest hits" zum Vorwurf machen kann, ist es neben dem längst bekannten fragwürdigen Nutzen einer solchen Compilation vor allem die Überraschungsarmut. So schön es auch ist, die besten Songs einer angesehenen Künstlerin auf einem Album vereint zu wissen – dafür hatte man bereits "Collection", zumal das hier erfolgte Remastering der Stücke nicht nennenswert zur Qualitätssteigerung beiträgt. Zudem wird auch deutlich, dass der jüngste Output Chapmans wie die Single-Version von "Sing for you" oder auch "Save us all" längst nicht mehr mit ihren früheren Werken mithalten kann. Das recht lieblos ans Ende geklatschte Cover von Ben E. Kings "Stand by me" von einem Auftritt bei David Letterman im April 2015 hätte es bei allem Dauerbrenner- und Nostalgiefaktor auch nicht mehr gebraucht. So bleibt der etwas fade Nachgeschmack darüber, etwas zu haben, was man nicht braucht – aber vielleicht findet sich ja doch noch der eine oder andere Neuzugang fürs Poesiealbum.
Highlights
- Subcity
- Fast car
- Talkin' bout a revolution
- Give me one reason
Tracklist
- Telling stories
- Baby can I hold you
- Change
- The promise
- Open arms
- Subcity
- Fast car
- Bang bang bang
- Crossroads
- Speak the word
- Smoke and ashes
- Sing for you (Single edit)
- You're the one
- Save us all
- All that you have is your soul
- Talkin' bout a revolution
- Give me one reason
- Stand by me (live at The late show with David Letterman)
Gesamtspielzeit: 77:36 min.
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