Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Raury - All we need

Raury- All we need

Columbia / Sony
VÖ: 16.10.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Der Geist bewegt die Materie

Ob er selbst manchmal nachts, wenn er nicht schlafen kann, im Bett liegt und sich darüber Gedanken macht, wie das alles nur passieren konnte? Raury Tullis ist gerade mal 19 Jahre alt und ein dürrer Jungspund aus Georgia. 2014 erschien sein erstes Mixtape "Indigo child" und sorgte zumindest für ein wenig Aufmerksamkeit. Dann ging alles ganz schnell: Die gleichaltrige Lorde ist bereits bekennender Fan, Künstler wie Joey Bada$$, SBTRKT und Chance The Rapper haben ihn als Gastsänger verpflichtet, OutKast engagierten ihn für ihr Reunion-Festival, vor Kanye West durfte er ein paar Songs spielen. Auf seinem Debütalbum "All we need" erhält Raury Unterstützung von Größen wie RZA oder auch Tom Morello, mit Malay saß zudem eines jener Genies hinter den Reglern, die schon Frank Oceans "Channel Orange" den nötigen Feinschliff verpasst haben.

All das ist auch, aber nicht ausschließlich der Grund dafür, dass Raury und seine Musik so besonders sind. Die Mischung aus HipHop, Folk und Soul wirkt nicht nur aufgrund seiner eigenen Jugend so frisch und authentisch, sondern ist es wirklich. Wenn er im weltoffenen Einstiegssong "All we need" auf die Frage "Who can save the world, my friend?" selbst die Antwort "All we need is love" gibt, glaubt man ihm das. Trotz aller Naivität, die aus diesen Zeilen spricht, trotz der offensichtlichen Beatles-Anlehnung, trotz des Wissens, das man als erwachsener Mensch in dieser Welt hat, und das nicht erst, seitdem in den Nachrichten eigentlich schöne Worte wie "Paris" für einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen sorgen. In dieser neuen Generation von Künstlern, die sich im Musikgeschäft durch Individualität statt durch herausgestreckte Zungen zu etablieren versuchen, verkörpert einer wie Raury jene gewisse Form von Unschuld, nach der sich wohl jeder hin und wieder sehnt.

Und auch wenn wir uns hier wiederholen: Der Junge ist gerade mal 19 Jahre alt. Der darf noch naiv und unschuldig sein. Ruft Kendrick Lamar mit lautem Kampfschrei auf "To pimp a butterfly" zur Revolution auf, siegen bei Raury die Liebe und der Frieden. Nicht nur in der akustischen Ballade "Peace prevail", der musikalischen Vertonung entspannter Tagträumerei, sondern auch in "Mama", einer souligen Ode an die Frau, die ihn und seine beiden älteren Geschwister ganz alleine großgezogen hat. Das klingt stellenweise nach Andre 3000, was gewiss nicht die schlechteste Referenz ist. Ungleich kantiger gibt sich das von Big K.R.I.T. unterstützte "Forbidden knowledge", in dem Raury zumindest schon mal den großen Zeh in politische Gewässer taucht, kurz bevor RZA persönlich ihn im eklektischen "CPU" ins Autotune-Meer wirft, das überraschenderweise erstaunlich hohe Wellen schlägt.

Bei aller Hilfe, die Raury auf "All we need" erfährt, bleibt es doch stets sein Album, unter seiner Kontrolle, von seinem Kopf und seinen Gedanken bewegt. Sein Geist bestimmt sein Handeln, nicht andersherum: In der energetischen Upbeat-Nummer "Crystal express" holt er die Hippie-Kultur mitsamt Blumenketten ins Jahr 2015 zurück, ohne sich auch nur eine Sekunde um die vermeintliche Street-Credibility zu scheren, die für andere HipHop-Künstler fast wichtiger ist als wirkliches Talent. Die fantastische Single "Devil's whisper" hingegen verwandelt er binnen weniger Augenblicke von einem beliebigen Folksong in ein um sich tretendes und immer wieder aufstampfendes Elektromonster und schlägt gleichzeitig die Brücke zum "Indigo child"-Mixtape und dem darauf enthaltenen "God's whisper". Poppig wird es auf der Zielgeraden mit "Kingdom come", bevor der eigentliche Abschluss genau das aussagt, worauf Raury die ganze Zeit hingearbeitet hat: Gemeinsam mit Tom Morello und einem Kinderchor verabschiedet sich der Jungspund in "Friends" mit den Worten "I have some friends that are the future." Genau jene Zukunft sieht für Raury selbst geradezu rosig aus. Ob er daran auch schon denkt, wenn er nachts im Bett liegt und nicht schlafen kann?

(Jennifer Depner)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • CPU (feat. RZA)
  • Devil's whisper
  • Peace prevail
  • Crystal express

Tracklist

  1. All we need (feat. Adia)
  2. Revolution
  3. Forbidden knowledge (feat. Big K.R.I.T.)
  4. Woodcrest manor II
  5. CPU (feat. RZA)
  6. Devil's whisper
  7. Peace prevail
  8. Crystal express
  9. Love is not a four letter word
  10. Her
  11. Trap tears (feat. Key!)
  12. Mama
  13. Kingdom come
  14. Friends (feat. Tom Morello)

Gesamtspielzeit: 58:24 min.

Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)

Einmal am Tag per Mail benachrichtigt werden über neue Beiträge in diesem Thread

Um Nachrichten zu posten, musst Du Dich hier einloggen.

Du bist noch nicht registriert? Das kannst Du hier schnell erledigen. Oder noch einfacher:

Du kannst auch hier eine Nachricht erfassen und erhältst dann in einem weiteren Schritt direkt die Möglichkeit, Dich zu registrieren.
Benutzername:
Deine Nachricht:
Forums-Thread ausklappen
(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26285

Registriert seit 08.01.2012

2015-11-17 21:25:43 Uhr
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Zum kompletten Thread

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Bestellen bei Amazon

Threads im Plattentests.de-Forum

Anhören bei Spotify