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Maserati - Rehumanizer

Maserati- Rehumanizer

Temporary Residence / Cargo
VÖ: 30.10.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Raumzeitfalter

Nicht überrascht zu werden, kann ziemlich praktisch sein. Fans des FC Bayern wissen, wovon die Rede ist. Ganz entspannt lässt es sich dahinleben, weiß man doch genau, was einen erwartet. Während andere dem Ungewissen entgegeneiern, steuert man selbst in sicheren Wassern der Zukunft entgegen. Auch in der Musik gibt es genügend Künstler, auf die man sich verlassen kann. Auf Lemmy, den Unsterblichen, beispielsweise. Für atmosphärischen Post-Rock mit Weltraumanteil sind Maserati das, was Herr Kilmister für dreckigen Rock'n'Roll ist: Konstanten. Trotz personeller Wechsel, trotz marginaler Veränderungen in Sound und Gebaren. Ein Maserati-Album erkennt man bereits nach wenigen Sekunden. Scheinbar endlos dahinwabernde Arpeggios, ausufernde Gitarren-Eskapaden und knackige Rhythmen gehören zum Klang der Band wie die Meisterschale nach München und der Hut auf den Lemmykopf.

Wenn es eines weiteren Beweises für diese These bedarf, dann liefert ihn das Quartett aus den USA mit "Rehumanizer". Besonders in "No cave", einem zehnminütigen Parforce-Ritt durch allerhand Bewusstseinszustände, zeigen die Instrumentalisten die ganze Bandbreite ihres Könnens. Meisterhaft wird hier an der Dramaturgie-Schraube gedreht, und obwohl klar ist, was kommen wird, macht sich beim Eintreffen der mächtigen Basslinie dennoch Gänsehaut breit. Noch immer haben sie ein Händchen für diesen einen Groove, der, wenn er einmal ins Rollen geraten ist, kein Ende zu finden scheint. Und auch kein Ende zu finden braucht. "Et lüppt", sagt man im Norden der Republik, wenn alles nach Plan verläuft. Für Maserati lüppt et in "No cave" vom ersten bis zum letzten Takt.

Den einzigen kleinen Durchhänger auf "Rehumanizer" markiert "Living cell": Das durchgehend mit Gesang ausgestattete Stück kann zwar mit einem einprägsamen Riff und einem satten Sound aufwarten, es braucht allerdings ein bisschen zu lange, um in die Puschen zu kommen. Das elegant davonflirrende Finale entschädigt jedoch für die etwas zähen ersten Minuten. Viel besser, da konsequenter umgesetzt, ist hingegen "End of man". Nur ein paar Takte genügen, um Assoziationen zu flackernden Neonschildern und bedrückendem Dauerregen zu wecken. Der düstere Futurismus von "Blade runner" findet hier einmal mehr musikalische Entsprechung. Eine direkt aus den Achtzigern in die Neuzeit hinüberhallende Snaredrum gibt den Takt an, während pluckernde Synthielinien die dunklen Ecken einer fernen Zukunft ausleuchten. Nur konsequent erscheint es deshalb, dass die Stimme durch den Vocoder bis zur Unkenntlichkeit verfremdet wird.

Maserati sind keine Avantgardisten. Ihre Musik ist eng verwoben mit der Vergangenheit; nicht nur auf abstrakter, sondern auch auf persönlicher Ebene. Noch immer ist der Einfluss des 2009 verstorbenen Drummers Jerry Fuchs zu spüren, besonders die repetitiven Sechzehntel-Figuren erinnern an selige Zeiten. Daher ist es auch nachvollziehbar, dass die Band mit dem in zwei Hälften unterteilten Titeltrack sich selbst Reverenz erweist: Das aufsteigende Gitarrenmotiv, das die Komposition einrahmt, klingt bekannt, ohne altbacken zu wirken. Während sie in den Tagen von "Inventions for the new season" direkt die Ausfahrt zum großen Brimborium genommen hätten, agieren die Männer aus Athens, Georgia nun zurückhaltender und versierter. Erst ganz zum Schluss, wenn ein atemberaubendes Riff das Ruder an sich reißt, gibt es kein Halten mehr. Zeit und Raum werden gedehnt und gefaltet, bis nichts außer dem singulären Moment bleibt. Und der zählt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • No cave
  • End of man
  • Rehumanizer II

Tracklist

  1. No cave
  2. Living cell
  3. Montes jura
  4. End of man
  5. Rehumanizer I
  6. Rehumanizer II

Gesamtspielzeit: 39:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2015-11-19 03:12:17 Uhr
"Living cell" finde ich etwas monoton.
"No cave" ist dagegen absolut genial.

boneless

Postings: 5293

Registriert seit 13.05.2014

2015-11-18 22:16:45 Uhr
an inventions wird auch keine maserati-vö mehr heranreichen, aber nachdem sie mit dem vorgänger in eine sackgasse geraten waren, konnten sie kaum ein besseres album als rehumanizer machen.

noise

Postings: 968

Registriert seit 15.06.2013

2015-11-18 20:40:00 Uhr
Mir gefällt die Entwicklung der Band - weniger Gitarre, mehr Synthies - nicht so gut. Mir gefielen da die älteren Scheiben besser. Insbesonders die "Inventions For The New Season".

boneless

Postings: 5293

Registriert seit 13.05.2014

2015-11-18 18:44:42 Uhr
+ 1

bei mir am freitag dann. album ist top und living cell DER hit, lieber christopher. nachdem ich maserati VII ziemlich schwach auf der brust fand, sind sie jetzt mit einer umso stärkeren platte wieder auf der richtigen route.
vorfreude
2015-11-18 14:18:17 Uhr
und ich freue mich auf das konzert in münster (+ the thurston moore band!)
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