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Dave Gahan & Soulsavers - Angels & ghosts

Dave Gahan & Soulsavers- Angels & ghosts

Columbia / Sony
VÖ: 23.10.2015

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Suppenkirche

In einem anderen Leben hätte Dave Gahan ein formidabler Fernsehpriester werden können. Doch er ist Sänger geworden. Nicht irgendein Sänger, sondern der von Depeche Mode – einer Band, die zwischen vollen Stadien und totalen Abstürzen alle Extrema des Musikbusiness miterlebt hat. Gahan ist ein Stehaufmann, ein Kämpfer. Den Krebs hat er besiegt, selbst von den Toten ist er Mitte der Neunziger zurückgekehrt. Seine Transformation vom ungelenken Geek zum Zampano der Massen ist immer noch erstaunlich. Ebenso erstaunlich ist, dass er schon immer dann am besten war, wenn ihm unter die Arme gegriffen wurde. Ohne Martin L. Gore hätte es Dave Gahan sicher nicht in dieser Form gegeben, sein erster tapsiger Emanzipationsversuch namens "Paper monsters" ist aus gutem Grunde nur noch Hardcore-Fans ein Begriff. Mit dem britischen Produzenten-Duo Soulsavers scheint der Sänger nun tatsächlich einen neuen Deckel gefunden zu haben. Einen, der genauso perfekt passt wie der namens Gore, jedoch in Sachen Design und Funktionalität ganz und gar den Bedürfnissen Gahans entspricht.

Bereits zum zweiten Mal kollaboriert der Mann aus Essex mit Soulsavers, wobei "Angels & ghosts" genau da weitermacht, wo "The light the dead see" aufgehört hat. Wie zu besten "Condemnation"-Zeiten darf der Mittfünfziger nun wieder dröhnen, Gospelchor und himmelsgewandte Gitarrenmelodien inklusive. Ganz in seinem Element wirkt der Engländer, wenn er sich in schmissigen Hymnen wie "All of this and nothing" und "Shine" in Rage singen darf. "Everyone can see there's destiny / For me and you", juchzt er in letzterem, dem ehernen Prinzip "viel hilft viel" folgend. Das Überkandidelte, das Pathetische muss man akzeptieren, wenn man Gahan mögen will. Es gehört zu ihm wie "Enjoy the silence" zu jeder Messe seiner Hauptband. Angenehm ist, dass die Soulsavers-Instrumentals die besten Seiten von Gahans Stimme betonen. In "One thing" gibt er den eleganten Crooner und wird dabei watteweich von einem Bett aus Streichern und Bläsern aufgefangen. Da kann man guten Gewissens bei einem Glas Rotwein melancholisch in den Kamin starren.

Wirklich herausragend ist "Tempted": Der zurückhaltend beginnende Song steigert sich zunächst unmerklich, dann unaufhaltsam. Angetrieben von einer entfesselten Sologitarre lässt auch Gahan alle Contenance fahren. Berührend, mitreißend, schön ist das. Der Balanceakt zwischen großer Geste und grobem Unfug gelingt den Mannen von der Insel allerdings nicht immer. Gerade in der überwiegend balladesken zweiten Hälfte des Albums warten einige arg seifige Schleicher auf den Hörer. Während das liebliche "Don't cry" noch Sinnbild für ein akustisches Heftpflaster ist, dümpelt "The last time" in seichtesten Gewässern. Einzig Gahans souveräner Vortrag rettet den Song vor der Kitsch-Schublade. Auch "Lately" operiert am offenen Herzen, wobei statt dem Skalpell die Zuckerdose in der Hand des Chirurgen ruht. Bleibt zu hoffen, dass er nicht vor lauter Ergriffenheit zu zittern beginnt.

Es ist wie mit den zwei Seelen: Es sei Dave Gahan gegönnt, eine zweite musikalische Heimat gefunden zu haben. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass "Angels & ghosts" nicht der große Befreiungsschlag ist, der es hätte sein können. Die Düsternis des Vorgängers ist einer optimistischeren Weltsicht gewichen. In guten Momenten ist das aufwühlend und seelenschmeichelnd, in schlechten Momenten unangenehm aufdringlich. Dabei beweisen Songs wie "My sun" und "You owe me", wie kraftvoll der Mittelweg sein kann. Gerade letzteres vereint dreckigen Mississippi-Blues mit würdevollem Gospel, ohne vom Kurs abzukommen. Die Tatsache, dass Gahans Name nun auch auf dem Plattencover abgedruckt ist, mag Marketing-Überlegungen geschuldet sein. Sie weist aber auch den Weg in die Zukunft: Der verhinderte Priester Dave Gahan will ein eigenes Süppchen kochen. Natürlich nur mit passendem Topfdeckel.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • You owe me
  • Tempted
  • One thing
  • My sun

Tracklist

  1. Shine
  2. You owe me
  3. Tempted
  4. All of this and nothing
  5. One thing
  6. Don't cry
  7. Lately
  8. The last time
  9. My sun

Gesamtspielzeit: 38:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Stephan

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 991

Registriert seit 11.06.2013

2015-11-11 19:14:40 Uhr
Mir gefällt das Album inzwischen immer besser. "Lately" fällt deutlich ab, ich mag aber auch das schlichte, poprockige "Don't cry".
7/10.
MAR der nicht eingeloggte
2015-10-30 08:11:45 Uhr
Für mich sind Soulsavers mit Herrn Gahan gestorben. *Punkt*
Da fehlt einfach Mark seine tolle Stimme. Alles mir Dave klingt einfach irgendwie falsch.
softsaver
2015-10-29 17:10:08 Uhr
weichspülermucke

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27366

Registriert seit 08.01.2012

2015-10-28 21:17:52 Uhr
Frisch rezensiert!

Meinungen?

VelvetCell

Postings: 7406

Registriert seit 14.06.2013

2015-10-24 12:38:02 Uhr
Jetzt, wo ich noch mal in "The Light The Dead See" reinhöre, stelle ich fest, dass es tatsächlich an Gahan liegt, dass mich das Album nicht zu begeistern weiß. Wobei das an sich schon prima ist. Und ich könnte mich noch mehr erwärmen, wenn ich nicht wüsste wie das Album mit Langegan klingen würde. Gahan klingt, man glaubt es kaum, einfach zu "sonnig".
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