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Tom Liwa mit Flowerpornoes - Umsonst & draußen

Tom Liwa mit Flowerpornoes- Umsonst & draußen

Grand Hotel van Cleef / Indigo
VÖ: 23.10.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Doppeltes Comeback

Die Nummer war eigentlich durch. Tom Liwa hatte sich innerlich vom Musikerdasein verabschiedet. Keine öffentlichen Auftritte mehr, keine weiteren Platten. Grund war nicht der – zum Verzweifeln unerklärliche – chronische Misserfolg. Star wollte Liwa eh nie sein. Vielmehr waren ihm die gesamten Strukturen, in denen sich speziell die Popmusik, aber auch die Kunst allgemein heute bewegen, so zuwider, dass er darin nicht mehr stattfinden wollte. Einmal in die Sinnkrise geschlittert, wählte der Duisburger gleich das Radikalkur-Komplettpaket und sagte sich von allem los, was ihm zur Gewohnheit geworden war – Familie, Freundin, Heimat, Künstleridentität. "Ich wollte sehen, was dann von mir übrig bleibt", sagt er. Es blieb: der Wunsch zu schreiben. Sich mitzuteilen. Liwa verfasste autobiografische Skizzen, Prosastücke – und neue Songs. Und so griff der 54-jährige doch wieder zur Gitarre. Weil sich 2015 zudem die Gründung der Flowerpornoes zum 30. Mal jährt, spielte er die neuen Stücke mit den alten Bandkollegen ein. Und somit ist "Umsonst & draußen" ein Comeback in doppelter Hinsicht geworden.

Dass der Mitteilungsdrang groß und die Ideeenmaschine intakt sind, zeigt schon die Anzahl von 20 Songs, die die Band aufs Album genommen hat. Nie in seiner Karriere hat Liwa ein raumgreifenderes Album aufgenommen. Für den Hörer ist das durchaus eine Herausforderung. Und das nicht nur wegen der Fülle an Songs, sondern auch wegen der emotionalen Dichte, die sie transportieren. Liwa ist feinsinniger Beobachter seiner Umwelt und aufrichtiger Reporter seiner Befindlichkeiten. Er kann keine Belanglosigkeiten, sondern ist zur Aufrichtigkeit verdammt. Genau deshalb kommt er einem in manchen Songs so nahe. Manchmal, wie in "Papa" oder "Der Trost der Dinge", droht seine Stimme unter der Last der Bedeutungen, die sie singt, regelrecht einzubrechen. Dann wieder ist er Trostspender, Wegweiser, ratgebender Kumpel. Immer aber fordern Liwa und Mitstreiter volle Aufmerksamkeit. Die Flowerpornoes sind auch 2015 keine Band für Zwischendurch. Vielleicht noch weniger denn je.

Musikalisch ist von ganz stillen Tönen bis hin zu tosendem Gitarrenkrach alles dabei. Die Einflüsse sind zum Teil titelgebend präsent. Die Beatles werden da genannt und auch Neil Young. Vor allem an letzteren erinnert das Gitarrenspiel Liwas immer mehr – etwa dann, wenn er wie in "Hochmoor" ausufernd soliert und sich in Feedbackschleifen verliert. In "Kuya" klingt gleich die ganze Band nach Neil Young zu Zeiten von "On the beach". Weitere Glanzpunkte der Platte sind das traumwandlersiche "Planetenkind", das mitternachtsgetränkte "Die Krähe", das geshuffelte "Federkleid" sowie das orgelgetriebene "KP". Viele große Momente also. Und nebenbei ein geglückter Versuch, die Unmöglichkeit, in industriellen Zusammenhängen authentische Kunst zu produzieren, erträglich zu machen. Den Status als Geheimtipp werden Liwa und die Flowerpornoes auch mit dieser Veröffentlichung nicht verlassen. Ihren Stellenwert aber werden sie festigen. "Umsonst & draußen" – von Liwa nicht nur im Gratis- und Open Air-Sinne verstanden, sondern auch als "vergeblich und far out" – reiht sich nahtlos in die bemerkenswerte Diskographie Liwas ein und sticht bisweilen gar heraus. Gut, dass es Sinnkrisen gibt. Und gut, dass Liwa weitermacht.

(Sebastian Meißner)

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Highlights

  • Planetenkind
  • Federkleid
  • Der Trost der Dinge

Tracklist

  1. Hayonedop
  2. Planetenkind
  3. Kuya
  4. Jahre des Verrats
  5. Papa
  6. Wo wird mein neues Zuhause sein
  7. Wir sind die Beatles
  8. Federkleid
  9. Spawn
  10. Fünf Tote in Blablabla
  11. Ophelia
  12. Kuya reprise
  13. Die Krähe
  14. Ahoi kleiner Dampfer
  15. KP
  16. Dae
  17. Falsch bei Neil Young
  18. Hochmoor
  19. Der Trost der Dinge
  20. Kuya (slight return)

Gesamtspielzeit: 36:44 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Die blöde Mundharmonika vom Dachboden
2015-12-13 14:39:08 Uhr
Vom Musikalischen her ist das natürlich recht unspektakulär, aber immerhin solide. Aber er ist ein feinsinniger, eigenwilliger Texter, der einem im Gegensatz zu vielen anderen nie auf den Sack geht durch irgendwelche ganz verschwurbelten oder verhipsterten Indie-Attitüden. Fast schon unheimlich, wie wenig er nervt. Höre ihm sehr gerne zu.
DipDipDieter
2015-12-10 11:02:33 Uhr
Mein Favorit ist Planetenkleid.

Liebe
2015-10-27 19:02:11 Uhr
Gefällt mir, auch wenn ich noch nicht so recht den Zugang habe...

Federkleid
Ophelia
Hayonedop
Die Kräne

haben es mir sehr angetan. Was sind eure Favoriten?
Ingo
2015-10-26 19:27:31 Uhr
Wasn hier los?
Rainer Rokker
2015-10-24 11:02:21 Uhr
Danke Tom Liwa für das tolle neue Album.

https://www.youtube.com/watch?v=ixc-0msRHJM

https://www.youtube.com/watch?v=neg7fCBcQsw
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