King Midas Sound / Fennesz - Edition 1
Ninja Tune / Rough Trade
VÖ: 18.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Nicht und Nichts
Es werde nicht. Keine Melodie. Keine Struktur. Keine Konvention. King Midas Sound verabschieden sich aus dem Club. Orte, die ihr Debüt "Waiting for you" zum Tanzflächenfüllen auflegen, dürfte es sowieso nur wenige oberhalb der Grasnarbe geben. Doch die Kellerkinder um Kevin Martin fühlten sich trotzdem falsch verstanden. Irgendwer hängte ihnen Dubstep an, jenes Label, das vor ein paar Jahren jeder Künstler verpasst bekam, der ein paar Tieftöner aus dem Laptop brachte. Und wie zerbricht man solche Erwartungen in Zeiten des ständigen Wachstums, in denen Sound immer Mehrwert haben muss, einer Verzwecklichung unterworfen wird? Mit nichts. Und mit Fennesz.
Denn King Midas Sound entkernen ihren Sound auf "Edition 1" stellenweise so weit, dass nicht mehr als ein wenig Ambient übrigbleibt. Das Nichts eingepackt in ein paar Klängen. Der österreichische Musiker Christian Fennesz ist dabei nur der erste Partner für eine Reihe von Kollaborationsalben, damit sich das Trio von allen Erwartungen freischwimmen kann. Dafür steht auf diesem Album das Wasser auch jedem mindestens bis überm Hals. "Now we've lost the path to paradise", heißt es in "Waves", am Himmel nur noch Stürmisches zu sehen. Da bleibt dem Menschen nicht mehr, als sich fest an sein Gegenüber zu klammern und zu hoffen. Überhaupt zieht sich Wasser als Thema durch die Texte, das große Unbekannte, das die meisten Menschen im Normalfall nur als riesige Oberfläche sehen. Doch King Midas Sound und Fennesz fischen in den Tiefen. Ein einziges kleines Licht taucht in "We walk together" auf, wenn Sängerin Kiki Hitomi ein paar nette Zeilen dalässt. Das lockt schlussendlich aber nur in die nächste Höhle, in der Sound von den steinernen feuchten Wänden tropft. Knietief im Dub. Mehr aber auch nicht. Wer hier noch irgendwas erwartet, das auch nur im Ansatz nach London, nach Urban klingt, findet es nicht. Die Mitglieder von King Midas Sound haben der großen Stadt sowieso längst den Rücken gekehrt, sind auf das Land gezogen, haben Familien gegründet.
Dieses Album bietet nicht eine Melodie, nicht einmal eine Reihe von Tönen, die wirklich fassbar oder greifbar wären. Dafür eben ein paar Worte von Hitomi und Roger Robinson, die eine karge Welt ausmalen, eine postapokalyptische Landschaft im Inneren der Menschen. In "Lighthouse" darf zwar sogar eine Orgel ran, doch Erlösung gibt es hier nicht, nicht einmal eine Hoffnung. Zappenduster. Jede Ecke. "You're my lighthouse." Wo Schatten ist, braucht es eben ein wenig Licht. Mehr ist das nicht. Das Sinken geht weiter und weiter.
Kevin Martin und Fennesz haben mit "Edition 1" ein Stück Musik geschaffen, die eigentlich nicht existieren dürfte, die nur zwischen Gedanken und Gefühlen mitschwingen kann. Sich konsequent so zu verweigern und den eigenen Sound dabei weiterzuentwickeln, dürften die wenigsten Künstler so packen. "Edition 1" ist ein Abgesang auf den Beat, auf die Melodie für King Midas Sound. Vielleicht das bequemste Unbequemste, was sich im Jahr 2015 so schaffen lässt. Denn den Fluss dieses Albums haben die Künstler an keiner Stelle vernachlässigt, alles passt perfekt zusammen, direkt vom ersten Moment an breitet sich die Atmosphäre mit einer erdrückenden Schwere aus. Nach einer knappen Stunde ist alles vorbei. Nur die Sehnsucht nach dem Nichts bleibt.
Highlights
- Waves
- Melt
- Above water
Tracklist
- Mysteries
- On my mind
- Waves
- Loving or leaving
- Melt
- Lighthouse
- Above water
- We walk together
- Our love
Gesamtspielzeit: 59:32 min.
Referenzen
The Bug; Burial; Cooly G; SBTRKT; Andy Stott; Darkstar; Kode9; The Spaceape; Tricky; Portishead; Massive Attack; Skream; DJ Shadow; Untold; Joker; Shabazz Palaces; Haleek Maul; Ghostpoet; James Blake; Lambert; Tim Hecker; Aidan Baker; The Fun Years; Greg Haines; Subheim; Hidden Orchestra; The Eye Of Time
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- King Midas Sound / Fennesz - Edition 1 (1 Beiträge / Letzter am 14.10.2015 - 19:54 Uhr)