CocoRosie - Heartache city
Lost Girl / Indigo
VÖ: 16.10.2015
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Kummerbünde fürs Leben
Trauern ist Arbeit. Nicht umsonst redet man in der deutschen Sprache ja auch von Trauerarbeit. Und genau an diesem Punkt, mit diesem Wort steigen wir in "Heartache city" ein, das sechste Album der Casady-Schwestern. Herzschmerz im Titel, die tausend kleinen Tode nach dem Ende einer Beziehung, die sich nicht begraben lassen, da haben sich CocoRosie wieder am Sound ihrer ersten Platten orientiert. Alles karger, alles reduzierter. Statt Instrumenten halten wieder Kinderpiano und allerlei Klimbim Einzug, die hier und da auch mal einen Ton von sich geben dürfen. Nur ist das kein Vergnügen – sondern größtenteils ziemliche Arbeit auf diesem Album.
Dabei landen CocoRosie mit "Lost girls" so nah an einer Pophymne wie nie. Bianca Casady lässt einen Wortstrom los, Assoziationsketten, umrahmt von Flöte und Klavier. "Stick out your thumb and lift up your skirt./ Someone's bound to stop here soon." Im Hintergrund blaulichtern ein paar Sirenen, dann setzt Sierra ein und macht aus diesen Zeilen einen wunderschönen Refrain. Auch in "Bed bugs" kommen CocoRosie aus der Reduzierung, schrauben ihren Sound aber nicht nach oben. Die Melodie vertilgt vielmehr alles, dazu Bianca und Sierra mit schmerzerfüllten Stimmen. Alles so filigran und perfekt arrangiert, dass der Song unter die Haut kriecht.
Der Rest dieses Albums schafft das nicht. Kein einziges Mal mehr haben CocoRosie hier einen bewegenden Song im Angebot. "Un beso" kreist zwar ganz nett um eine kleine Harmonie, das war es aber auch. Musik als Privileg, nicht als Kunst. Viele Kritiker haben CocoRosie vorgeworfen, dass ihr Sound einfach komisch sei – als wäre das ernsthaft ein Punkt. Aber auf "Heartache city" sind ihre Songs nicht einmal mehr das. Es überrascht hier nichts. Ein Stück wie "The tower of Pisa" mag zwar eine nette Geschichte im Text haben, allerdings zieht nichts in diesen Song. Das Arrangement aus irgendeinem Xylophon und ein paar Synthies entwickelt null Atmosphäre. Bianca und Sierra haben das alles so steril und mutwillig anders gehalten, dass es nichts aussagt, nichts berührt. Vielleicht hätte ein Ansatz wie "Lucky clover" noch was einbringen können, auch wenn der Song fast die gleiche Blaupause nutzt wie "Lost girls". Ansonsten hat hier alles seinen festen Platz und darf davon nicht abrücken. Und das macht das Hören dieses Albums zu Arbeit – die stellenweise zudem sehr anstrengend ist.
Denn es gibt einfach keinen Moment, in dem diese Musik atmet, pulsiert, explodiert, sich. Oder einfach nur Spaß macht. CocoRosie passen weiter in keine Schublade wie Indie, Folk oder HipHop. Es ist alles irgendwie mit drin, aber auch wieder nicht. Doch dieses Mal nutzen die Casady-Geschwister das alles noch mehr nur als Mittel zum Zweck. Und der heißt: Alles muss hier nach Kunst aus dem eigenen Wohnzimmer klingen. Aber vielleicht ist es Zeit, mal nach draußen zu gehen. Raus aus dem eigenen Kosmos. Und dem eigenen Sound wieder etwas Leben einzuhauchen. Denn so haben CocoRosie auch einfach nichts zu erzählen. Das ist mit ein paar Sounds verkleidete Leere, wer mag, darf da gern irgendeine postmoderne Ironie reinlesen. Nur die hat auch schon 2011 nichts bewirkt. Ansonsten bleibt bei diesem Album nur eins zu tun: Ausstempeln.
Highlights
- Lost girls
- Bed bugs
Tracklist
- Forget me not
- Un beso
- Lost girls
- Heartache city
- The tower of Pisa
- Bed bugs
- Tim and Tina
- Big and black
- Lucky clover
- No one knows
Gesamtspielzeit: 44:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Mixtape User und Moderator Postings: 1926 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-10-03 11:41:46 Uhr
Zumal Verrisse von Björn seit "The angst and the money" eine klare Kaufempfehlung für mich sind. ;-) |
Vermilion Smile |
2015-10-03 11:03:40 Uhr
ein fast Totalverriss macht die neue Scheibe doch interessanter, als die Standard 7/10, die hier wirklich für jeden Driss vergeben wird, der teils direkt in die Tonne gehört.... |
Mixtape User und Moderator Postings: 1926 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-10-01 09:30:14 Uhr
Mach das! Mir gefällt das Album sehr gut. |
Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-10-01 09:08:07 Uhr
Hm, eindeutiges Statement, diese Rezension. Ich würde aber trotzdem mal reinhören, der Vorgänger war schon gut. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27172 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-09-30 21:41:50 Uhr
Frisch rezensiert auf Plattentests.de!Meinungen? |
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Referenzen
Björk; Metallic Falcons; Cat Power; Heidi Happy; Hanne Hukkelberg; Rio En Medio; Lali Puna; Lamb; Yoko Ono; Xiu Xiu; Lampshade; Vashti Bunyan; Bat For Lashes; Soap & Skin; My Brightest Diamond; Stina Nordenstam; Marissa Nadler; Pauline Croze; Matteah Baim; Scout Niblett; The Dresden Dolls; Devendra Banhart; Patrick Wolf; Regina Spektor; Laura Veirs; Sophie Hunger; Frida Hyvönen; Mariee Sioux; Nico; Joanna Newsom; Kate Bush
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