Mercury Rev - The light in you
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 02.10.2015
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
In Rotwein getaucht
Nicht nur guter Rotwein braucht Zeit. Oftmals ist das auch bei guten Alben der Fall. Nachdem Mercury Rev 2008 das für ihre Verhältnisse recht mittelmäßige "Snowflake / Midnight" veröffentlicht hatten, wurden weitere Arbeiten an der Diskografie auf Eis gelegt, und die einzelnen Bandmitglieder kreisten vorerst um sich selbst. Auch wenn sich Sänger Jonathan Donahue und Gitarrist Sean "Grashopper" Machowia schon 2013 wieder zusammengefunden hatten, um mit den Aufnahmen für ihr achtes Studioalbum zu beginnen, sollten noch zwei weitere Jahre ins Land ziehen, bis "The light in you" veröffentlicht wird. Dieser Umstand macht sich jedoch sowohl in der Detailverliebtheit als auch in der Dringlichkeit der LP bemerkbar, denn man kann förmlich hören, dass es der Band ein Bedürfnis war, dieses musikalische Statement abzugeben.
In den Vorab-Interviews war viel über Selbstfindung zu lesen und die innige Beziehung zwischen Donahue und Grashopper, die sich schon aus Schulzeiten kennen. Um dieses Verhältnis zu durchleuchten, haben sich die beiden entschlossen, die Arbeiten an "The light in you" erst einmal ohne ihre Bandkollegen zu beginnen. So ist das Grundgerüst der hier enthaltenen Songs auch untrennbar mit der Beziehung der Bandgründer zu sich selbst und zur Außenwelt verbunden. Dennoch haben Mercury Rev hier ein Album erschaffen, in dem sich auch Musikliebhaber zurechtfinden können, die sich bisher weder mit den New Yorkern selbst, noch mit ihren Hauptprotagonisten beschäftigt haben.
Schon der erste Vorbote zum Album, "The queen of swans", der hier auch als Opener fungiert, rollt mit seiner schwelgerischen Melodie und dem bekannten Pomp den roten Teppich für den Hörer aus und ist nebenbei auch einer der besten Songs, den das Quartett in seiner bisherigen Karriere aufgenommen hat. Kaum sind die letzten Töne des Songs verklungen, ist man dann auch schon eingetaucht, in eine Welt aus herbstlicher Melancholie mit ihren tausend Klangfarben, die angenehmerweise auch unweigerlich das Kopfkino in Gang setzt. Im großartigen "Central Park East" sieht man sich vor dem inneren Auge selbst durch eben jene Anlage spazieren, während Zeilen wie "Am I the only lonely boy to ever walk in central park?" ordentlich aufs Gemüt drücken.
Auch die anderen Lieder des Longplayers bestechen vor allen Dingen durch fantasievolle Arrangements und fügen sich nahtlos in das schwermütige Konzept ein, das sich bis zum verträumt-unscharfen Covermotiv durchzieht. Das passend betitelte "Autumn's in the air" und der flehende Appell "Amelie" veredeln punktuelle Chöre, die bei letzterem sogar in einem Kanon münden. Dennoch wird die Schwelgerei auch immer wieder durch Stücke wie das druckvolle "Are you ready" oder das in diesem Kontext schon fast aufgekratzt wirkende "Sunflower" unterbrochen.
Mit mehrstimmigem Gesang und den namensgebenden Lyrics "If I was a moth, I'd fly to the light in you" gerät "Moth light" zu einem weiteren Höhepunkt der Platte, sodass man sich unweigerlich fragt, ob das nicht der beste Song ist, den Mercury Rev je geschrieben haben. Aber auch das ist Makulatur angesichts dieses vor großartigen Kompositionen nur strotzenden Werkes. "Rainy day record" verabschiedet sich mit nostalgischen Erinnerungen an die eigene Plattensammlung und überrascht im furiosen Finale nochmal mit einer fast schon gerappten Schlusspassage. Wenn diese wohl beste Platte von Mercury Rev bisher also wirklich das Ergebnis des langen Erstellungsprozesses ist, dann lässt sich zusammenfassend sagen: Guter Wein und gute Alben brauchen Zeit. Und gute Alben, die klingen, als hätte man sie in guten Rotwein getaucht, dürfen gerne so lange reifen, wie sie wollen.
Highlights
- The queen of swans
- Central Park East
- Sunflower
- Moth light
Tracklist
- The queen of swans
- Amelie
- You've gone with so little for so long
- Central Park East
- Emotional free fall
- Coming up for air
- Autumn's in the air
- Are you ready?
- Sunflower
- Moth light
- Rainy day record
Gesamtspielzeit: 44:30 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Ernstgemeinte Frage |
2019-03-10 16:52:35 Uhr
Wie gelangweilt und beschäftigungslos muss man sein, wenn man völlig belanglose Opa-Platten in den Lesercharts hochvotet? |
Musikgeniesser |
2019-03-10 14:50:26 Uhr
2015: der Anfang vom Ende dank Merkel |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33893 Registriert seit 07.06.2013 |
2015-10-29 16:02:53 Uhr
Komisches Album. Irgendwie mag ich es... aber die Produktion ist irgendwie furchtbar... und die 9/10 doch eher ein Witz. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27837 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-10-28 18:46:19 Uhr
Ganze 7 Jahre ist es her seit die Szenehelden von MERCURY REV das letzte Mal Deutschland beehrt haben. Endlich ist die Alternative-Kultband zurück!MERCURY REV 09.11.2015 Köln | Studio 672 11.11.2015 Berlin | Postbahnhof 15.11.2015 München | Kranhalle Tickets: http://www.ticketmaster.de/artist/mercury-rev-tickets/5459?camefrom=de_va_01823 |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33893 Registriert seit 07.06.2013 |
2015-10-06 14:47:39 Uhr
Ach, der ist nicht mehr dabei? Na das erklärt schon mal die Produktion. Der war super - siehe auch die Flaming Lips-Alben von ihm. |
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Referenzen
Grasshopper & The Golden Crickets; Sparklehorse; The Helio Sequence; The Flaming Lips; My Life Story; Grizzly Bear; Flotation Toy Warning; Islands; The Magnetic Fields; Comet; The Delgados; Secret Machines; My Latest Novel; Naked Lunch; Faultline; Archive; Her Space Holiday; Spiritualized; Yo La Tengo; Spacemen 3; Galaxie 500; Stars; Cocteau Twins; The Bees; Deerhunter; The Polyphonic Spree; The Velvet Underground; Sonic Youth; Tangerine Dream; Band Of Horses; Hero & Leander; Milo Greene; Girls In Hawaii; Grand Island; Diagrams; Goldenboy; Abandoned Pools; Animal Collective; Team Me; Admiral Fallow; The Decemberists
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