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David Gilmour - Rattle that lock

David Gilmour- Rattle that lock

Columbia / Sony
VÖ: 18.09.2015

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Sänk ju for Deutsche Bahn

Das ist doch mal eine Story, die so richtig nach dem Geschmack von Marketingmenschen, Rezensenten und Quizfragen-Autoren sein dürfte: Während des Urlaubs in Frankreich hört David Gilmour an einem Bahnhof eine Durchsage der französischen Staatsbahn. Der Inhalt der Durchsage ist allerdings völlig egal: Dem Mann, der immer noch beharrlich als "The voice & guitar of Pink Floyd" beworben wird, hat es eher das Stations-Jingle derart angetan, dass er die vier Töne kurzerhand aufs Smartphone bannt und als Baustein für den Titelsong seiner neuen Platte "Rattle that lock" verwendet. Mit der Deutschen Bahn wäre das wohl eher nicht passiert, es sei denn, Gilmour hätte ein Faible für den ohrenscheinlich aussichtslosen Kampf gegen das angelsächsische Idiom. Auf der anderen Seite sei hiermit an alle verzweifelten Jingle-Komponisten appelliert: Gebt Euch Mühe, es kann sein, dass irgendwann ein Branchen-Schwergewicht Eure mühsam erarbeiteten Akkorde lieben lernt.

Natürlich wird "Rattle that lock" dabei eher zum Tourismus-Express als zum Schnellzug. Warum auch? Ein derart beleumundeter Musiker wie Gilmour muss zunächst einmal nur sich selbst etwas beweisen. Und natürlich war er auch bei Pink Floyd nicht eben als Skalenfetischist, sondern vielmehr als höchst gefühlvoller Gitarrist bekannt. So weit, so entspannt also könnte man dem gerade einmal vierten Soloalbum des Veteranen entgegensehen, wäre da nicht der Umstand, dass "On an island", die letzte Platte unter eigenem Namen, zwar kommerziell erfolgreich war, aber ansonsten eher sedierende Klänge bot. Von der finalen Resteverwertung "The endless river" der so verdienstvollen Hauptband einmal ganz zu schweigen. Doch es dauert nur wenige Sekunden, um all diese Bedenken mit einer Handvoll Noten aus einer klagend singenden Stratocaster zunächst zu pulverisieren.

Denn blendet man das ganze Getöse einmal wirklich aus, ist "5 a.m." nicht der nervige Wecker am frühen Morgen, sondern der Startschuss zu einer wundervollen atmosphärischen Reise. Und das folgende Titelstück? Ist nicht nur überzeugend, sondern mit seinem dezenten Groove schlicht sensationell. Oder kurz gesagt: einer der besten Songs, die Pink Floyd schon 1994 auf "The division bell" nicht geschrieben haben. Schade nur, dass Gilmour danach mit "Faces of stone" dann zwar tief berührend beginnt, aber mitunter doch etwas pathetisch dick aufträgt. Besser gelingt dieses Vorhaben bei "A boat lies waiting", nicht zuletzt durch die gesangliche Unterstützung der alten Kämpen David Crosby und Graham Nash, insbesondere aber bei "Today", das nach geradezu sakralem Intro zu einem hübschen Stampfer mutiert, bei dem sich Gilmour ganz nebenbei noch ins Nirwana soliert.

Und doch hinterlässt "Rattle that lock" keinen vollständig überzeugenden Eindruck. Denn wann immer Gilmour von der Experimentierfreude gepackt wird, kommen eher schräge Klänge wie der Bar-Jazz von "The girl in the yellow dress" heraus. Man könnte darauf natürlich entgegnen: Schon bei Pink Floyd war er eher der Mann für die Atmosphäre denn für die packenden Songs. Und in gewisser Weise stimmt das auch, denn "Rattle that lock" hat genau dann seine stärksten Momente, wenn Gilmour sich und seinem Gitarrenspiel Raum gibt, alles fließen lässt. Es sind eben diese Augenblicke, die diese Platte eben nicht zu langweiligem Rentnergedudel gefrieren lassen, sondern zu einem würdevollen Alterswerk formen. Während Pink Floyd nach "The endless river" endgültig Geschichte sind und der so verhasste Bassist Roger Waters eben diese Geschichte mit wechselndem Erfolg verwaltet, hat Gilmour offensichtlich seinen inneren Frieden gefunden. Und mit "Rattle that lock" zwar kein bahnbrechendes, aber immer noch gutklassiges Album geschaffen.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Rattle that lock
  • Today

Tracklist

  1. 5 a.m.
  2. Rattle that lock
  3. Faces of stone
  4. A boat lies waiting
  5. Dancing right in front of me
  6. In any tongue
  7. Beauty
  8. The girl in the yellow dress
  9. Today
  10. And then...

Gesamtspielzeit: 51:25 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
brn_dmg
2015-10-06 16:57:43 Uhr
"In Any Tongue" und "Today" gehen in Ordnung. Ein Stück ist dreimal drauf, glaub ich, sowat Instrumentales.

afromme

Postings: 539

Registriert seit 17.06.2013

2015-09-24 10:14:45 Uhr
Mmh, den Altherrensong "Rattle that lock" als "sensationell" zu bezeichnen, finde ich ein wenig hoch gegrifffen.

Word.


@verhasster Bassist:
Ja, dachte ich mir auch schon als ich die Kritik gelesen habe. Gilmour hat Waters gebeten, mit ihm einen Charity-Gig zu spielen, er hat dafür auf Waters' letzter Tour mal Comfortably Numb gespielt. Auch sonst kommt den beiden nichts böses über den anderen mehr über die Lippen.
Aber hey - über den Hass zwischen den beiden wurde seit 1987 von allen möglichen Leuten geschrieben, warum soll man das ändern, bloß, weil sich die beiden seit 2005 wieder halbwegs vertragen.

Aktuelles Interview:
Singing Us And Them, I was thinking how f***ing brilliant and relevant it is, and I didn’t write the words or the music (it is credited to Wright/Waters). I love still being able to play that. I just don’t want to do it with the remains of those guys any more. Rick’s dead. Roger and I don’t particularly get along. We still talk. It’s better than it has been. But it wouldn’t work. People do change. Roger and I have outgrown each other, and it would be impossible for us to work together on any realistic basis.

http://www.telegraph.co.uk/music/artists/david-gilmour-interview-ahead-of-uk-tour/
verhasster Bassist
2015-09-24 01:04:33 Uhr
Gilmour und Waters haben sich übrigens immer noch vor ein paar Jahren vertragen.

Mr Oh so

Postings: 2972

Registriert seit 13.06.2013

2015-09-23 21:34:17 Uhr
Mmh, den Altherrensong "Rattle that lock" als "sensationell" zu bezeichnen, finde ich ein wenig hoch gegrifffen.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2015-09-23 21:22:24 Uhr
Frisch rezensiert!

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