Joey Cape - Stitch puppy
Fat Wreck / Edel
VÖ: 11.09.2015
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Traurig transformiert
In Joey Capes Brust schlagen mindestens zwei musikalische Herzen, eines schnell, eines langsamer und gemächlicher. Doch was den Gemütszustand des Punkrock-Veteranen angeht, hat in den letzten Jahren nur eine Gemengelage Regie über sein künstlerisches Schaffen geführt: eine düstere Mischung aus Traurigkeit und Wut. Als Punker scheint es ohnehin nicht so leicht, dem eigenen 50. Geburtstag entgegenzublicken, denn nicht jeder hält es etwa wie Capes Weggefährte und NOFX-Frontmann Fat Mike und verschreibt drei Viertel seines Daseins im Rausch. Vor allem musste Cape den plötzlichen Tod seines Musikerkollegen und besten Freundes Tony Sly und den seines Lagwagon-Kollegen Derrick Plourde verkraften.
Da hilft auf Dauer wohl auch kein Rausch, sondern eher analytische Retrospektive und ein durch Rückschläge gestärkter Blick nach vorne. Gesellschaftskritik und politischer Unmut waren prominente Themen auf "Hang", dem sehr ordentlichen letzten Lagwagon-Album – daher ist es kaum verwunderlich, dass Capes dritte Solo-Platte "Stitch puppy" die persönliche, intime Ebene in den Fokus rückt und Eindrücke verarbeitet, die den Endvierziger bewegen. Der Lagwagon-Frontmann erzählt die zehn neuen Stücke aus der Sicht seiner "Stitch puppy", aus der Perspektive einer ausgestopften Puppe, die seine Tochter vor Jahren für ihn gebastelt hat und die für Cape mit der Zeit zu einem immens wichtigen Begleiter und Talismann geworden ist.
Ein Lyrisches Ich? Schaut man das hübsche, aber leicht verstörende Video zu der vornehmlich akustisch gehaltenen Auskopplung "This life is strange" an, ist da vielleicht was dran, doch Cape selbst meint eher, diese künstlerische Transformation sei für ihn bloß schon länger ein "interessanter Gedanke" gewesen. So bemerkenswert also das Drumherum dieser Platte ist, so wenig überraschend ist die klangliche Umsetzung. Zumindest für diejenigen, die Capes Werdegang solo oder abseits seiner Hauptband, etwa mit Bad Astronaut oder Scorpios, immer schon begleitet haben. Als Songschreiber erdet er seine Kompositionen auf "Stitch puppy" recht klassisch, die meisten Songs fußen auf akustischer Gitarre und Piano. Manche Passagen, wie zeitweise im feinen und thematisch richtungsweisenden Opener "Me the witness", sind dazu mit dezenten elektronischen Sprenkeln versehen.
Über allem steht Capes nach wie vor markante, passend zur Atmosphäre des Albums und zu traurigen Piano-Kleinoden wie "Broken" aber auch zerbrechliche, nachdenklich gefärbte Stimme. Leider schafft es der Kalifornier nicht immer, sich merklich von den für ihn typischen Pfaden zu lösen. Dass "Moral compass" trotz Country-Anstrich und das dennoch tolle "Spill my guts" mit choralem Finale in lauterem Gewand auch auf einer Lagwagon-Platte funktionieren würden, ist kein Geheimnis. Und auch wenn Cape in besagtem Song feststellt, wohl niemals derjenige zu sein, der sein Innerstes der Nachwelt lückenlos anvertrauen kann, so unternimmt er zumindest deutliche Versuche. Wenn dabei ein solch berührender, mit Streichern und Piano verzierter Song wie "Tracks" den Abschluss gibt, möchte man Cape in jedem Fall Mut machen: Leiser Applaus.
Highlights
- Me the witness
- Spill my guts
- Tracks
Tracklist
- Me the witness
- This life is strange
- Gone baby gone
- Spill my guts
- St. Mary's
- Broken
- Cope
- Faultlines
- Moral compass
- Tracks
Gesamtspielzeit: 30:26 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27844 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-09-23 21:20:22 Uhr
Frisch rezensiert!Meinungen? |
antibazi |
2015-09-16 19:38:57 Uhr
Kommt da noch ne Rezi oder ist die Redaktion Obracs Meinung? |
jo Postings: 6623 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-09-16 13:33:45 Uhr
Wollte auch mal reinhören. Das muss ich mir jetzt aber wohl mal überlegen, weil ich die letzte Lagwagon damals ja ähnlich lahm fand. |
Obrac Postings: 2522 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-09-16 12:40:32 Uhr
Enttäuschend. Die letzte Soloplatte war so toll. Die hier klingt wieder nach Lagwagon-Songwritingbaukasten mit Akustikgitarre. Schade. Mit der richtig beschissenen neuen Lagwagon ist er wohl wieder im Durchschnittstrott angekommen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27844 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-08-11 01:03:35 Uhr
JOEY CAPEStitch Puppy Fat Wreck Chords / Edel 4 September 2015 PRE-ORDER: CD + Tasse sowie LP (incl. Download-Code) + Tasse im UNCLE M SHOP http://unclem.merchcowboy.com/joey-cape/joey-cape-bundle-stitch-puppy.html Joey Cape ist den meisten wohl als Sänger, Songwriter und Gründer der legendären Punkrockband Lagwagon bekannt. Erst letztes Jahr sorgten sie mit ihrem Album „Hang“ für die erfolgreichste Platte der Bandgeschichte, die neben unerwarteten Chart-Platzierungen auch eine ausverkaufte Tour durch Deutschlands größte Clubs folgen ließ. Nun widmet sich der Californiapunk-Veteran mit seinem Soloprojekt wieder seiner etwas ruhigeren Seite und veröffentlicht am 04. September via Fat Wreck Chords mit „Stitch Puppy“ nach fast fünf Jahren Pause sein nächstes Solowerk. Joey wäre wohl der erste, der zugibt, dass die letzten Jahre nicht unbedingt die einfachsten seines Leben waren. So langsam geht es für ihn auf die 50 zu und einen Post-Punkrock-Rentenplan gibt es nicht wirklich. Dass er nicht der einzige ist, der sich mit dem Problem des Älterwerdens beschäftigt, zeigen die vielen Abgänge prominenter Vertreter der „live fast, die young“-Generation in den letzten Jahren. Kein Wunder also, dass Lagwagons „Hang“ ziemlich düster geriet, was sich sowohl in den Texten als auch auf dem von einer Schlinge gezierten Cover zeigte. Auch „Stitch Puppy“ verkündet nicht unbedingt Sonnenschein, vermittelt aber eine ganz eigene Schönheit und Düsterheit, die einem beim Hören gänzlich umhüllt. War Joeys Soloprojekt schon immer auch eine Spielwiese für experimentellere Sounds, variierende Instrumentierungen und stilistische Vielfalt, so setzt er diesen Weg auf dem neuen Album fort. Die zehn neuen Songs leben neben den poetischen Lyrics von starken Melodien, die sich über ein akustisches Klangbett aus Gitarren, Klavier, Cello, Mandoline und Percussion ausbreiten. Stitch Puppy erscheint am 04. September via Fat Wreck Chords. |
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Referenzen
Rocky Votolato; Nikola Sarcevic; Tony Sly; Matt Skiba; Kevin Devine; Frank Turner; The Lost Patrol; Dashboard Confessional; The New Amsterdams; Into It. Over It.; Bad Astronaut; Lagwagon; Scorpios; Sophia; Chuck Ragan; Nathan Gray; Damien Jurado; Damien Rice; Howie Beck; Nick Drake; Scott Matthew; Ben Harper; Josh Ritter; Sufjan Stevens; Dan Mangan; M. Ward; Bonnie 'Prince' Billy; Ray LaMontagne; Owen; Hayden; Boy Omega; Onelinedrawing; Kristofer Åström & Hidden Truck; Elliott Smith
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