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Ought - Sun coming down

Ought- Sun coming down

Constellation / Cargo
VÖ: 18.09.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Hochverachtungsvoll

Die gute Nachricht vorweg: Ought aus Montreal heißen immer noch Ought. Keine Selbstverständlichkeit, schaut man sich ihren Sänger und Gitarristen Tim Darcy an. Der hat seinen früheren Nachnamen Beeler ändern lassen – aus Gründen, wie man so schön sagt und wie Plattentests.de halb erstaunt zur Kenntnis nimmt. Denkbare Alternativen: Curtis oder Cocker. Der Mann legt live nämlich sowohl die manischen Zuckungen der Joy-Division-Ikone als auch die dandyhafte Arroganz des Pulp-Sängers an den Tag. Was ihn wiederum mit Alan Donahue von den längst aufgelösten Briten The Rakes eint, von der nuschelig-nordamerikanischen Phrasierung einmal abgesehen. Immerhin: Darcy hat ein reines Gewissen. "I didn't invent Paul Simon! Who did?", blaffte er letztes Jahr noch auf der "Once more with feeling"-EP seiner Band – dem großen Luftholen vor dem zweiten Longplayer.

Auch dieser ist nämlich so kurzatmig und abgekämpft wie das tolle, aber auch etwas unscharfe Debüt "More than any other day", wo der erste und genau genommen einzige Hit noch drei Songs lang auf sich warten ließ. "Sun coming down" will ihn sofort – geradeheraus, tight, drängend. Was der mal zackig marschierenden, dann wieder unablässig mahlenden Rhythmusgruppe, den kecken Schmirgelpapier-Gitarren und dem zynisch nörgelnden Gesang noch besser zu Gesicht steht. "Men for miles" hat gleichsam das Zeug zum College-rockigen Frust-Ohrwurm und zur missmutig um sich spuckenden Erbfolge von The Fall – und übernimmt das Zepter von "The weather song", bei dem Darcy noch als Beeler bei den Worten "Tell me what the weather's like / So I don't have to go outside" mit maximaler Angewidertheit auf seine Umwelt blickte. Doch woanders ist halt auch scheiße.

Weswegen sich Ought mit dem begnügen, was sie haben. Das mag aufs erste Ohr nicht viel oder besser gesagt auch nichts anderes sein als bei den allfälligen Bands, die ruinöses Zeitgeschehen und private Katastrophen durch die mit Post-Punk und rabiatem Indie-Rock notdürftig geölte Mangel drehen – die Kanadier aber verstehen noch weniger Spaß. Das auf einem Riff-Bierdeckel detonierende "The combo" etwa wirkt, als würde das Quartett gemeinsam einen lärmigen Veitstanz aufführen, weil die einzige Studio-Toilette bereits seit Stunden besetzt ist, der Quasi-Titelsong "Sun's coming down" sinkt mehrfach zu Boden. Nach dem Aufrappeln aber kontert er mit verschleppten Noise-Breitseiten nach Art des ersten Fugazi-Minialbums und schaut ungläubig auf eine sich immer schneller drehende Welt, in der jeder Sonnenuntergang wie die nahende Apokalypse wirkt.

Doch Darcy weiß, dass nichts so schlimm ist, um es nicht mit Verachtung strafen zu können – das siebeneinhalbminütige Meisterstück "Beautiful blue sky" tritt den Beweis an. Der Frontmann kommentiert mit schiefem, selbstreferenziellem Grinsen die Großwetterlage, mokiert sich über die materiellen Errungenschaften seiner Mitmenschen und kommt zum Schluss: "I'm no longer afraid to dance tonight / 'Cause that is all that I have left." Dazu zersplittert die Gitarre im Hintergrund punktgenau, der Song steuert auf einen dröhnenden Höhepunkt zu und fällt schließlich auseinander, ehe Darcy beim Uptempo von "Celebration" gar kurz einen desillusionierten Jello Biafra raushängen lässt. Auf diesem exquisiten Album hingegen hängt, wackelt, schlackert gar nichts – allenfalls der Hörer mit den Ohren. Wie es sich geziemt bei so glasklarer, diszipliniert-böser Musik.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Men for miles
  • The combo
  • Beautiful blue sky

Tracklist

  1. Men for miles
  2. Passionate turn
  3. The combo
  4. Sun's coming down
  5. Beautiful blue sky
  6. Celebration
  7. On the line
  8. Never better

Gesamtspielzeit: 40:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

zurueck_zum_beton

Postings: 205

Registriert seit 07.07.2013

2015-11-23 15:22:30 Uhr
Hatte schon die Befürchtung, dass Ought reguläre Konzerte abgesagt hätten, zugunsten des Le Guess Who? in Utrecht. - War mein erster Gedanke, denn da haben die letztes Jahr zwei Sets gespielt, die ich blöderweise beide verpasst habe.

Kommt ja ab und zu vor, dass da ein besser dotiertes Angebot kurzfristig bevorzugt wird.

Mit Brüssel ist natürlich über-schei..ße. Weil wegen die Sicherheit ein Konzert absagen zu müssen. Aber im Zweifel richtige Entscheidung!

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2015-11-23 13:01:27 Uhr
Da hattest du ja Glück im Unglück. ;)
Das Konzert gestern in Brüssel wurde auch abgesagt, aber wohl vor allem aus Sicherheitsgründen. Ich frage mich, ob sie heute wieder spielen.

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2015-11-23 10:12:32 Uhr
Das Konzert heute in Offenbach wurde krankheitsbedingt abgesagt. Ich hab mich so darauf gefreut. Schließlich ist Sun Coming Down in den letzten Wochen noch immens gewachsen und vielleicht sogar noch besser als das Debüt. Hoffentlich gibt es bald einen Nachholtermin.

Konnte am Samstag nicht und wäre so gerne hin. Insofern für mich ganz fein, sollte es nachgeholt werden. In jedem Fall Pflichttermin.

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2015-11-23 02:51:42 Uhr
Mittlerweile ist auch jeder Song hängengeblieben, und das richtig! Klasse Album! Ich ärger mich immer noch so über das ausgefallene Konzert.

Herder

Postings: 1836

Registriert seit 13.06.2013

2015-11-21 16:59:46 Uhr
Gefällt mir wieder richtig gut. Wundert mich ein wenig, dass hier geschrieben wurde, kein Song würde im Ohr hängen bleiben. Das geht mir ganz anders und beginnt gleich schon mit "Men for Miles".
Mir gefällt insbesondere wieder die Dringlichkeit von Songs wie etwa "The Combo".
Zum kompletten Thread

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