Carly Rae Jepsen - E·mo·tion
Schoolboy / Interscope / Universal
VÖ: 18.09.2015
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Ja, nein, vielleicht
Carly Rae Jepsen steht vor einem Plakat und bohrt ihrem Konterfeit in der Nase. Carly Rae Jepsen surft auf einer Zwergenwelle. Carly Rae Jepsen malt ein Pony in den Sand. Carly Rae Jepsen hält ihren Cousin auf dem Arm. Carly Rae Jepsen fährt mit Freundinnen in der Rollschul-Disco umher. Ist das nicht alles herrlich normal? Also auch ein bißchen kindisch für eine 29-Jährige, aber so gänzlich weg von jedweder Form der Aufregung und Polarisierung? Ein Blick auf Jepsens Facebook-Seite spiegelt die Musik der Kanadierin auf ihrem dritten Album wider. Man wähnt sich im Klammergriff eines Kirmes-Bären, der über das samtene Tagebuch einer circa 20-Jährigen wacht, während die Besitzerin Alltags-Probleme mit Jungs hat und gerne bis tief in die Nacht feiert. Das wirkt bei Avril Lavigne nur noch peinlich, bei Jepsen rundet es das Bild einer Person ab, die Sex als Vermarktungsstrategie und Beef-Battles auf Twitter nur aus der Ferne mit einem Kopfschütteln registriert. Natürlich zählt das auch zur Image-Pflege, nur ein unschuldig wirkendes Werk wie "E·mo·tion" tut zur Abwechlsung einfach mal gut.
Mit welcher Hartnäckigkeit die Platte den One-Hit-Wonder-Stempel von "Call me maybe" ablegen und ein Gesamtwerk von perfektioniertem Hochglanz-Pop werden möchte, beeindruckt so sehr, wie es als wahnwitzig einzustufen ist. Bei rund 250 (!) Songs als Basis halfen Ladies und Gentlemen der ersten Songwriter-Liga beim Aussieben und filterten Popsong von Popsong. Nicht jeder bohrt sich schließlich nach dem ersten Hören so sehr ins Gedächtnis wie "I really like you". Ein Titel so simpel, dass selbst ein Schauspiel-Darling der Familienunterhaltung wie Tom Hanks problemlos im Video zu den gefühlten 147 Wiederholungen des Wortes "really" mittanzt. Würde Jepsen danach auf einem hingeschobenen Zettel fragen "Willst du mit mir gehen?", sie müsste die Antworten "Nein" und "Vielleicht" nicht einmal aufführen.
Das Prunkstück von "E·mo·tion" steht völlig zurecht am Beginn des Albums. Der Beat von "Run away with me" ist nicht mal besonders catchy, das Saxophon aber nimmt den Refrain bei der Hand und stürmt mit Jepsen einträchtig in die Nacht. "Boy problems" heißt wirklich so und lässt einen schon bei mancher Zeile leicht beschämt schlucken, während die einstige Canadian-Idol-Teilnehmerin musikalisch ungefragt Katy Perrys "Last Friday night" weiterführt. Vorsichtig formuliert ist "E·mo·tion" kein Album zum Nachdenken und "Gimmie love" der Beweis für das Nerv-Potenzial von "Oooh"-Chören. Mundabwischen und weiter.
Zu "Making the most of the night" etwa, dessen Sia-Mitarbeit nicht zu leugnen ist und dem groovenden "Warm blood", das man jeder Indie-Electro-Pop-Kappelle oder Robyn anstandslos abnehmen würde – liegt vermutlich an dem Mitwirken von Vampire Weekends Rostam Batmanglij. Sei es indirekt über die Wurzeln von Bands wie Chvrches oder Haim oder als direkter Verweis zu Prince und The Human Leagues "Human" in der starken Ballade "All that": "E·mo·tion" findet seine Inspiration in den achtziger Jahren. Mit angemessem Schmalz in den Zwischenzeilen und dem Saxophon in "Let's get lost". Sprechen wir also nicht über die Bedeutung dieses Albums in drei Jahren, sondern bewahren einfach mal den Moment. Und der geht völlig in Ordnung.
Highlights
- Run away with me
- I really like you
- All that
- Warm blood
Tracklist
- Run away with me
- Emotion
- I really like you
- Gimmie love
- All that
- Boy problems
- Making the most of the night
- Your type
- Let's get lost
- LA hallucinations
- Warm blood
- When I needed you
Gesamtspielzeit: 43:59 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Affengitarre User und News-Scout Postings: 11233 Registriert seit 23.07.2014 |
2024-07-24 17:02:50 Uhr
Der Opener ist immer noch so verdammt gut. Auch sonst ein sehr schönes Album, die 6/10 ist schon klar zu niedrig. |
Bonzo Postings: 3197 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-10-20 14:06:49 Uhr
Das ist ne nette Popplatte. Die Qualität der Produktion ist teilweise jedoch arg grenzwertig. Beispiel: der dumpfe Sound bei "When I Needed You". Das ist höchstens im Sinne einer miesen 80er-Produktion retro. |
tuxx Postings: 263 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-10-20 13:51:34 Uhr
Bestes Album 2015. |
keenan Postings: 5311 Registriert seit 14.06.2013 |
2016-10-20 08:02:31 Uhr
ich sollte vlt. doch mal wieder ab und zu in die charts reinhören. vor kurzem das erste mal das video mit tom hanks gesehen, sehr unterhaltsam und amüsant gemacht :-) |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10274 Registriert seit 26.02.2016 |
2016-09-02 09:37:08 Uhr
:-D |
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Referenzen
Kylie Minogue; Katy Perry; Tegan And Sara; I Blame Coco; NoNoNo; Foxes; Robin Sparkles; Charli XCX; Madonna; Robyn; Sia; Belinda Carlisle; Samantha Fox; Kim Wilde; Cyndi Lauper; Haim; Jessie J; Chvrches; Lily Allen; Lorde; Marina & The Diamonds; Lady Gaga; Bonnie McKee; MS MR; Years & Years; Giorgio Moroder; Kelly Clarkson; Tove Styrke; Diana Vickers; Demi Lovato; Miley Cyrus; Sophie Ellis-Bextor; Rita Ora; Taylor Swift; The Jezabels; La Roux; Brandon Flowers; Sandra; Eurythmics; Pet Shop Boys; The Human League; The Ting Tings; Superhumanoids
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