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Kurt Vile - B'lieve I'm goin down

Kurt Vile- B'lieve I'm goin down

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 25.09.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Rüpel boy

Kollegin Depner hat – wie so oft – recht. Und das steht hier nicht nur geschrieben, weil sie mit einem spitzen Gegenstand bewaffnet die Produktion dieses Textes überwacht, sondern da es speziell in diesem Fall eben stimmt. "Nimm Dir Zeit", so lautete ihre passende Überschrift zum letzten Kurt-Vile-Album "Wakin on a pretty daze" und eigentlich könnte man ebenjene genauso für die neue Platte übernehmen, würde der auf Abwechslung pochende Chef – nennen wir ihn an dieser Stelle der Einfachheit halber Armin L. – dann einem nicht mit diabolischem Grinsen nur noch Joachim Witt und Sunrise Avenue auf den Schreibtisch knallen. Dann also doch lieber eine andere Überschrift, auch wenn nochmals betont werden soll: Vile verlangt vom Hörer einiges ab, zum Beispiel Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen. Seine Songs sind unscheinbar und mäandern manchmal etwas orientierungslos vor sich hin, doch auf lange Sicht finden sie immer ein Ziel, auch wenn sie vielleicht gar nicht danach gesucht haben. Stimmungsvoll erzählt der aus Philadelphia stammende Sänger dabei seine lakonischen Geschichten, die oftmals reichlich verkatert daherkommen und unter anderem auch davon handeln, dass man am Morgen nach einer durchzechten Nacht nicht mal mehr in der Lage ist, sein eigenes Spiegelbild zu erkennen. Wer dieses Gefühl nicht nachvollziehen kann, hat das Nachtleben wohl nie wirklich geliebt.

Ohnehin könnte man Vile als den Mario Basler des Indie-Business bezeichnen: Kaum einer hat so viel Potenzial, doch macht seine launische Persönlichkeit ihm manchmal einen Strich durch die Rechnung. Da werden dann schon mal Konzerte abgebrochen und Fans beschimpft. Klar, dass ein solcher Musiker auch in seinen Kompositionen mit den eigenen Dämonen in den Ring steigt. Im folk-infizierten "I'm an outlaw" thematisiert er dann auch augenzwinkernd sein eigenes Rüpel-Image: "I'm an outlaw / On the brink of self-implosion / Alone in the crowd, on the corner / In my walkman, in a snow globe / Goin' nowhere slow." Musikalisch fühlt sich Vile hier in seinen Westernstiefeln wohl, klingt der Song doch nach staubtrockenem Wüstensand und unbarmherzig brennender Mittagssonne. Eine ebenfalls sehr gelungene Abrechnung mit dem eigenen Ich ist das defätistische "Dust bunnies", in dem Vile den eigenen substanzinduzierten Verfall beschreibt, auch wenn nicht ganz klar ist, ob er nicht sogar ein klein wenig stolz auf die ersten Abnutzungserscheinungen ist: "You may think that it's funny now / That I got a headache like a ShopVac / Coughin' dust bunnies / It's hard to see when it's all red / And all you hear are just white noises." Im Hintergrund verbrüdern sich derweil perlende Gitarren und quengelnde Heimorgel und trinken gemeinsam einen doppelten Tequila auf ihren geistigen Schöpfer.

Aufgenommen wurde "B'lieve I'm goin down" in den verschiedensten Ecken der Vereinigten Staaten. Was natürlich einmal mehr unterstreicht, dass Vile, ähnlich wie auch seine frühere Band The War On Drugs, für einen Sound steht, der etwas Ur-Amerikanisches in sich trägt: Darin spiegeln sich Weitläufigkeit und Ferne, Erdverbundenheit und die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Das ruhige, atmosphärische "That's life, tho (Almost hate to say)" ist das melancholische Herzstück einer nicht ganz unkomplizierten Platte. Langsam entfaltet sich hier der süße Schmerz, den Vile uns einimpfen möchte, der Bauch kribbelt schon verdächtig und das Hirn schaltet langsam in den Standby-Modus. Wäre es nicht ein so abgeschmacktes Wort, man könnte fast behaupten, "B'lieve I'm goin down" lulle den Hörer ein. Aber das würde zu kurz greifen, schließlich fordert einen dieses Album auch ein wenig heraus. Es erschließt sich nicht von selbst, sondern will erobert werden. Dies liegt mitunter an dem ausgeprägten repetitiven Charakter einzelner Kompositionen, am lässig genölten Nicht-Gesang Viles und an den kruden Hirngespinsten, aus denen er seine Geschichten formt. Dass man letztlich belohnt wird, steht natürlich vollkommen außer Frage.

PS: Kollegin Depner vergibt auch die 7/10. Damit liegt sie freilich goldrichtig.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Pretty pimpin
  • Dust bunnies
  • That's life, tho (Almost hate to say)
  • Wild imagination

Tracklist

  1. Pretty pimpin
  2. I'm an outlaw
  3. Dust bunnies
  4. That's life, tho (Almost hate to say)
  5. Wheelhouse
  6. Life like this
  7. All in a daze work
  8. Lost my head there
  9. Stand inside
  10. Bad omens
  11. Kidding around
  12. Wild imagination

Gesamtspielzeit: 60:54 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Quirm

Postings: 489

Registriert seit 14.06.2013

2015-11-11 11:25:57 Uhr
Mein Beitrag bezog sich jetzt auch nur auf das Konzert gestern. Die Platten finde ich auch weiterhin super. ;-) Es gibt halt einfach Künstler/Bands die ich auf Platte super finde, mir aber live nicht immer geben muss.
Kurti
2015-11-11 10:49:02 Uhr

Kurt viles sound ist einzigartig, und das muss man heutzutage mal schffen. MAn erkennt ihn sofort, nicht nur am gesang!

Klasse, der Typ unterscheidet sich von 100 000 anderen.

zurueck_zum_beton

Postings: 237

Registriert seit 07.07.2013

2015-11-11 10:20:02 Uhr
http://thequietus.com/articles/19180-things-learned-at-pitchfork-paris-review

The quietus erklärt, in ihrem Bericht "Things we learned at pitchfork", warum Kurt Vile schei..ße ist:

"Kurt Vile, who more and more resembles Otto the bus driver from The Simpsons these days, is mystifyingly crap. He stole his name from the venerated Weimarian composer of The Threepenny Opera, but he's little more than a two bob bit with a banjo. "

Quirm

Postings: 489

Registriert seit 14.06.2013

2015-11-11 09:09:42 Uhr
Gestern in Köln zum ersten Mal live gesehen. War ganz gut, müsste ich mir jetzt aber nicht auf der jeder Tour anschauen.

Gordon Fraser

Postings: 2782

Registriert seit 14.06.2013

2015-10-04 17:51:22 Uhr
"Wild Imagination" ist bei mir auch hängengeblieben.
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