Robert Forster - Songs to play

Tapete / Indigo
VÖ: 18.09.2015
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Vergeblichkeit allen Tuns
Nur im Nichtwissen lässt sich eine Gestalt zusammenreimen, die man tief innen herbeiwünscht. So soll sie unerklärlich und rätselumwoben bleiben. "Let me imagine you" von Robert Forster ist eine verspielte Ideen-Lehre, die darum bittet, von allen Twitterbildern verschont zu bleiben, die Frauen allzu greifbar machen. Denn in seiner Vorstellung sind sie ihm wesensnäher oder seinem Ego entsprechender, als sie es jemals vermögen können. Seine Technikkritik ist die eines puren Romantikers. Dieser süffige Akustik-Pop pariert zwischen den Instrumenten und bietet den Schlüssel zu "Songs to play". Die Regression des Robert Forsters nach allem Kummer im letzten Werk "The evangelist", dem sieben Jahre zurückliegenden Nekrolog an den The-Go-Betweens-Gefährten Grant McLennan, in eine leichtfüßige und optimistische Daseinsform.
"Learn to burn" lästert geradezu über schwadronierende Songwriter und Forster mimt den Mick Jagger als übertrieben coolen Rockstar, zu ebenso scharfen E-Gitarren wie Geigen. Die Streicherparts stammen von Forsters Ehedame Karin Bäumler, der wahren Harmoniegeberin auf "Songs to play". Wann immer Forster meint durchdrehen zu müssen, wann immer er geradezu schmerzhaft grotesk wird, spielt sie ihn zurück auf den Boden. Oder liefert eine engelsgleiche Zweitstimme. Als Bäumler wegen eines Krankheitsfalls ins niederbayrische Haindling zu ihrer Familie zog, hat Forster sie begleitet. Um in Ruhe weiterzuarbeiten und das gar süffisant zu kommentieren: "Population 80 / Nothing much here."
"A poet walks" ist ruppig wie das erste selbstbetitelte Tindersticks-Album, bietet ähnliche Bläser-Arrangements. Dazu ist Forster weiterhin der literarischste aller Songwriter, der hier mit Leopold Bloom aus James Joyces "Ulysses" liebäugelt, mal selbst der Poet ist, dann von sich in dritter Singularperson spricht und Eindrücke mit Überlegungen und aller Bewusstheit dieses merkwürdigen Lebens paart. Leidgetragen schwillt es an, dieses "Disaster in motion", vom lieblichen Folk mit einem suggestiven "What we had"-Chor inmitten von Schichten aus E-Orgel und verschlungenen Gitarren-Soli. Forster verklumpt alles Leid, das er nicht wie schmutzige Kleider abstreifen kann, zu diesem Brocken seiner eigenen Sisyphusarbeit. Und singt dabei, wie eben nur ein Robert Forster singt, ein Bohemien alter Schule, der in aller Albernheit tröstlich erschüttert. Oder freimütig vor sich hin dümpelt wie in "Love is where it is" zu verlangsamtem Tango-Rhythmus und behutsam ironischem "Ba-Da-Da-Da".
Forsters Kammerpop fällt aus dieser Zeit. Er tappt sich weiter, durch sein sich ständig erweiterndes Repertoire meisterhafter Lieder. Zehn neue sind dazugekommen. Und er singt so schöne kluge Sachen wie in "Turn on the rain": "Don't stare at the heavens / For guidance or reason or even right / Don't stare at the heavens / Hoping to find the movement of time." Dazu Bäumlers Violinen und Frauenchoral. Als vertonte Vergeblichkeit allen Tuns.
Highlights
- Let me imagine you
- A poet walks
- Turn on the rain
- Disaster in motion
Tracklist
- Learn to burn
- Let me imagine you
- Songwriters on the run
- And I knew
- A poet walks
- I'm so happy for you
- Love is where it is
- Turn on the rain
- I love myself (and I always have)
- Disaster in motion
Gesamtspielzeit: 39:15 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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mispel Postings: 2471 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-12-07 18:47:54 Uhr
Bin auch sehr überrascht, dass Köln ausverkauft ist. Zum Glück hab ich meine Karte früh gekauft. Ich drück dir trotzdem die Daumen. |
Gordon Fraser Postings: 2770 Registriert seit 14.06.2013 |
2015-12-07 18:41:35 Uhr
Hat jemand für Freitag in Berlin eine Karte über/abzugeben? Bin leider viel zu spät dran wie ich gerade merke.... :( |
Gordon Fraser Postings: 2770 Registriert seit 14.06.2013 |
2015-10-17 18:20:56 Uhr
Please don't twitter / let me imagine youGroßartig, wieviel Skepsis und Verachtung er in das Wort "twitter" legt - erinnert an Morrisseys "Hamburger" auf der Quarry-Platte. Ansonsten doch recht bewährte Forster-Kost, die mich nicht so sehr vom Hocker haut - man hört, was man erwartet zu hören. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28296 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-09-17 22:58:09 Uhr
Stimmt, danke. |
Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-09-17 21:06:58 Uhr
Muss ich auch mal reinhören."The Evangelist" ist übrigens vor 7 Jahren erschienen, nicht vor 5, wie in der Rezi steht. |
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Referenzen
The Go-Betweens; Grant McLennan; Ed Kuepper; Beachfield; Hefner; The Verlaines; Nikki Sudden; The Triffids; The Apartments; Chamber Strings; Tindersticks; Stuart A. Staples; The Smiths; Lloyd Cole; Robyn Hitchcock; Roddy Frame; Aztec Camera; Edwyn Collins; My Teenage Stride; The Trash Can Sinatras; Lou Reed; Honeymoons; Julian Cope; Bob Dylan; Teenage Fanclub; Morrissey; Jonathan Richman; Camper Van Beethoven; I Am Kloot; The Decemberists; Colin Meloy; The House Of Love; Randy Newman; Neil Diamond; Billy Bragg; Shearwater; Patti Smith; The Field Mice; Violent Femmes; Beat Happening; Frank Black; Alex Chilton; Blondie; Jacobites; The Black Watch; The Magnetic Fields
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