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Aero Flynn - Aero Flynn

Aero Flynn- Aero Flynn

Memphis Industries / Indigo
VÖ: 28.08.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Tief in Scottland

Josh Scott scheint so etwas zu sein wie der gute Geist von Eau Claire, wenn nicht sogar der Heilige. Dort, in Wisconsin, war er für einen kleinen Kreis nicht nur Studienfreund, sondern auch Local Hero und Wegbereiter. Das Loblied, welches etwa Chris Porterfield von Field Report oder Justin Vernon auf Scotts Band Amateur Love sangen und noch heute tun, ist schier unerschöpflich. Für eine Zeit, so wirkt es rückblickend, konnte es für sie kaum etwas Schöneres geben, als in der verschlafenen Stadt seiner Musik zu lauschen, seine Konzerte zu besuchen, ihm zuzusehen. Bis jener Scott abrupt die Band hinter sich ließ, nach Chicago ging und künstlerisch nicht mehr stattfand.

Mit Depressionen in Folge einer Autoimmunkrankheit kämpfend sah er aus der Ferne, wie Bon Iver zu einer globalen Indie-Marke wurden, Megafaun sich formten und er selbst im beklemmenden Strudel physischer Einschränkungen und psychischer Enge lebte. Den zahlreichen Angeboten ins Business zurückzukehren entgegnete Scott mit Schweigen. Es dauerte Jahre, bis sich schließlich eine Nachricht nach Wisconsin durchdrang: Er macht wieder Musik. Als Aero Flynn. Zurück im nordöstlichen US-Bundesstaat produzierte Vernon "Aero Flynn", während Musiker aus seinem und dem gemeinsamen Dunstkreis, darunter etwa Sean Carey, ihren Teil zu dem kosmisch funkelnden Projekt beitrugen.

Mit vokalischer Extravaganz lässt sich die Hingabe für Scotts Person nicht erklären. Der Kopf hinter Aero Flynn agiert als Leisetreter und Song-Begleiter, nicht als empathischer Direktor. Seine Stimme, die mal mehr und mal weniger an Kevin Drew oder Richard Walters erinnert, taucht in die Abend- und Nachtstunden ein und verhaart dort über weite Strecken in einem Schwebezustand. Das gilt auch für ihn als Erzähler und seine verschwommen skizzierten Gedanken, die zur Aufarbeitung der letzten Jahre gehören und beitragen, aber nicht gleich greifbar sind. Das evoziert ohnehin die Musik.

Die Pianotupfer in der Einleitung und der Bläser-Ausklang von "Moonbeams" gestalten Scotts Verse im ansonsten raumumspannenden, analog-digitalen (Ent-)spannungsfeld höchst emotional. Noch wichtiger aber: Die Folktronica-Stücke, von denen "Twist" beinahe clubtauglich gerät, sind vielschichtige Gebilde mit cineastischer Raffinesse; sie lassen Bilder entstehen, wo Scott schon längst verstummt ist. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis jemand einem Glühwürmchen die GoPro auf den Rücken schnallt und dessen Flug über abgedunkelte Landschaften mit den letzten Minuten von "Plates2" untermalt.

"Aero Flynn" futtert sich genügend Arpeggien an, um auf das ausgerechnet "Tree" betitelte Stück hinzuarbeiten, dem mechanischsten Polyrhythmik-Konstrukt mit Free-Jazz-Anleihen und der wohl deutlichsten Referenz zu Radiohead. Zuvor hatte "Dk/Pi" feinste, blinkende Kornkreise aus Synthies geformt und "Crisp" den anfänglichen Thom-Yorke-Pfad verlassen, um von Fuzz-Gitarren zu fast trancigen Ambientflächen verdrängt zu werden. "Floating" verschluckt sich kurzzeitig an einer synthetischen Möwe, ehe der Track sich zunehmend psychedelischer, gar kautrockiger entwickelt. Nach dem lapsteelschwangerem "Brand new" und seinen fiebrigen Mantras vertont "Moonbeams" noch einmal kurz, wofür Taschentücher gemacht wurden. Kaum jemand war vor über zehn Jahren in Eau Claire dabei, aber jeder hat jetzt die Chance, Josh Scott zu hören. Und sollte es auch.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • Plates2
  • Dk/Pi
  • Floating
  • Moonbeams

Tracklist

  1. Plates2
  2. Twist
  3. Dk/Pi
  4. Crisp
  5. Tree
  6. Floating
  7. Maker
  8. Brand new
  9. Moonbeams

Gesamtspielzeit: 42:47 min.

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