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Rachel Sermanni - Tied to the moon

Rachel Sermanni- Tied to the moon

Middle Of Nowhere / Membran
VÖ: 14.08.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Sing, Sirene, sing

"I'm on my way down", ertönt eine betörende Stimme. Nebel hängt über dem Wasser, es ist kurz nach Mitternacht, und ein alter Kahn schippert einsam durch die Weite. "Follow me if you want", ergänzt die Stimme. Die Seemänner kennen die Sagen und Legenden, wissen, wer auf der sich andeutenden Insel lauern muss. Doch selbst wenn die Stimme geradewegs ins Verderben führt, müssen sie ihr folgen. Ein Sog entsteht, Wellen zerbrechen an sich aus der Finsternis auftuenden Felsen und mit ihnen ein alter Kahn.

Hand aufs Herz, wahrscheinlich hat es sich nicht ganz so zugetragen wie geschildert. Die Urheberin jener Klänge stammt beispielsweise aus dem nicht ganz so mythischen Teil einer Insel namens Schottland. Trotzdem würde es nicht verwundern, wenn der Hafen Glasgows eine auffällig hohe Unglücksquote für die Nächte verzeichnete, in welchen die Frau zur Stimme in den Pubs der Stadt auftrat. Die Folk-Balladen Rachel Sermannis werden hierzulande trotz gemeinsamer Auftritte mit Mumford & Sons sowie Elvis Costello oder ihres vielgelobten Debüts "Under mountains" aus dem Jahre 2012 gänzlich unbekannt sein. Dies sollte sich nun mit dem Zweitling "Tied to the moon" ändern.

Denn wie die einer poetischen Freiheit entsprungenen Seemänner wird auch eine Schar von Hörern bereits mitten im Opener "Run" in Sermannis Bann gezogen. Eine düster-melancholische Atmosphäre wird hier mitsamt der minimalistischen Instrumentalisierung etabliert. Darüber breitet die 23-jährige bedächtig ihre Geschichten aus, mit denen sie sich als begnadete Erzählerin bestätigt. Die Ruhe, den Rückzug aus medialen Kontexten in sich selbst, brauche Sermanni, um Songs zu schreiben. Glücklicherweise findet sie dort auch neben den großen Themen wie Liebe und Einsamkeit noch allerhand Dinge, auf die sie zurückgreifen kann. Wer seine Karriere in ihrem zarten Alter selbst managt, im Rahmen des Programms Vox Liminis mit Häftlingen an Songs arbeitet, jede Menge tourt und währenddessen liest, hat halt eine Menge zu berichten. Auch wenn die Schottin mit ihren Geschichten nicht ganz an die Klasse des traurigen Meisterwerks "Marshmallow unicorn" ihres Vorgängeralbums heranreicht, bedeutet "Tied to the moon" keineswegs einen künstlerischen Rückschritt.

Schließlich handelt es sich um ein sehr atmosphärisches Album ohne jegliche Ausfälle, und aus den vielen guten Songs stechen immer wieder ein paar Perlen heraus. "This love" dekonstruiert zum Schluss knallhart die klassischen Emotionen zum Ende einer Beziehung in atemberaubender Ruhe, "Ferryman" hingegen schwebt irgendwo zwischen Verspieltheit und Melancholie. Zum Atemanhalten ist auch die wundervolle Single "Tractor", die sich vom Schlagzeug getrieben zwischen Selbstzweifeln, Aufbruchsstimmung, Druck aus dem Umfeld und ihren Helden hin und her bewegt, nur um zu der ebenso lakonischen wie tiefsinnigen Essenz zu gelangen: "All this living just to lie down and love." Wer solche Songs schreibt und trotzdem noch etwas Mecker bezieht, sollte sich ohnehin glücklich schätzen und dies weise als eine Wertschätzung hinnehmen. Gerade bei der Folk-Musikerin muss man sich dahingehend keine Sorgen machen, zeigt sie sich doch mit 23 im Spannungsfeld zwischen Sehnsucht und einer Weisheit, welche sie den meisten im besten Alter voraus hat, wie sie in "Old ladies lament" untermauert. "I would do it all again / I'd have my heart be broken." Rachel Sermanni bricht einem auf "Tied to the moon" das Herz. Und man genießt jede Sekunde davon.

(Marcel Menne)

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Highlights

  • Tractor
  • Old ladies lament
  • Ferryman

Tracklist

  1. Run
  2. Wine sweet wine
  3. Old ladies lament
  4. I've got a girl
  5. Don't fade
  6. Tractor
  7. Ferryman
  8. Banks are broken
  9. Begin
  10. This love

Gesamtspielzeit: 39:32 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Robert G. Blume

Postings: 898

Registriert seit 07.06.2015

2016-12-10 00:54:17 Uhr
Warum eigentlich nicht? Das ist echt mal eine Perle. Viel zu spät und eher zufällig entdeckt.

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4711

Registriert seit 14.05.2013

2015-08-11 22:01:02 Uhr
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