Lianne La Havas - Blood

Warner
VÖ: 31.07.2015
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Dicker als Wasser
Es pumpt unaufhaltsam durch unsere Venen und Arterien und hält die menschliche Maschine am Laufen. Und doch dreht sich uns der Magen um, wenn wir es sehen, weil es wieder einmal nach außen tritt: in viskosem Rot, durch gebrochene Nasen, geschrammte Knie, aufgekratzte Narben. Blut ist gleichermaßen ein Sinnbild für Leid wie auch für Leidenschaft, es steht für Liebe und Leben, genauso wie für Tod und Qualen. Kaum ein anderer Stoff ist in unserer Wahrnehmung ähnlich ambivalent. Für ihr zweites Album hat die englische Soul-Sängerin Lianne La Havas Blut zum Titelthema auserkoren, auch wenn sie das Wort nur ein einziges Mal konkret verwendet: Im zerbrechlich beginnenden Folk-Stück "Grow" heißt es nämlich: "I requested to know what I did wrong / Cos I sure didn't mean to string you along / But the blood in my body and my heartbeat said: 'Is to feel a crime?'" Für die britische Sängerin gilt wohl: In sanguine veritas.
Nachdem ihr gefeiertes Debütalbum "Is your love big enough?" auf fragile und schöne Weise Folk und Soul kombinierte, agiert La Havas auf "Blood" nun etwas handfester, sie stochert weniger im morgendlichen Sommernebel, sondern gibt sich kantiger und greifbarer, was man vielleicht schade finden kann, wenn man auf so herrlich fragile Kompositionen wie "No room for doubt" stand. Ihren nun deutlich erdigeren Soul kombiniert sie mit zeitgemäßen R'n'B-Versatzstücken, die ihr mitunter den endgültigen Durchbruch sichern könnten. Der smoothe Opener "Unstoppable" zum Beispiel schält sich zunächst aus einem Kokon leisen Stimmgewirrs, um sich dann in ruhige Fahrwasser abzusetzen, La Havas' Stimme setzt dabei verlässlich und geschmackssicher die Segel. Im darauf folgenden "Green & gold" kommen zunächst akustische Gitarren zum Einsatz, darunter ein entspannter Schlagzeugbeat, im weiteren Verlauf gesellen sich leise Bläser hinzu: Die Arrangements auf "Blood" sind ein weiteres Mal klasse. Doch manchmal, wirklich nur ab und an, hat man das Gefühl, es wäre vielleicht auf der Ebene der Songs mehr drin gewesen, sie klingen hier und da zu standardisiert, gerade verglichen mit dem Debüt als Referenzwerk. Freilich ist dies aber Meckern auf hohem Niveau.
Am besten gefällt La Havas, und darüber lässt sich sicherlich streiten, in den ruhigen Stücken, wenn ihre Stimme vor einer nackten Folk-Kulisse eine Liaison mit dem reduzierten Instrumentarium eingeht. Wenn der Herzschmerz im Blut Promillewerte erreicht und die Sehnsucht den Puls merklich verändert. Es sind also weniger die Big-Band-Momente, die ihr gut zu Gesicht stehen, sondern vielmehr die intimen Momente, wenn sie sich öffnet und Stille zulässt. "Wonderful" wäre ein solcher Song, der auf wunderbare Weise das zwischenmenschliche Knistern in einen zebrechlichen Vierminüter transkribiert. Ähnlich gelagert ist das sanfte "Ghost", für das sich die Britin ihrer eigenen Dämonen annimmt und sie mit ihrer stärksten Waffe bekämpft: ihrer einnehmenden Stimme. Mit dem gefühlvollen "Good goodbye" beantwortet La Havas schließlich auch die eingangs selbst gestellte Frage: Nein, ein solcher Song kann einfach kein Verbrechen sein.
Highlights
- Wonderful
- Ghost
- Good goodbye
Tracklist
- Unstoppable
- Green & gold
- What you don't do
- Tokyo
- Wonderful
- Midnight
- Grow
- Ghost
- Never get enough
- Good goodbye
Gesamtspielzeit: 40:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam Postings: 2654 Registriert seit 15.06.2013 |
2015-11-23 01:58:36 Uhr
Mir gefällts ganz gut. Schöne, einnehmende Stimme. Die Songs klingen mir insgesamt vielleicht alle ein bisschen zu ähnlich und der Refrain von Never Get Enough ist nichts für mich, aber ansonsten sind da schon auch einige sehr schöne Nummern dabei. |
Andrew |
2015-08-07 08:41:32 Uhr
Weltklasse, für mich eher 9/10 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28847 Registriert seit 08.01.2012 |
2015-08-04 00:57:15 Uhr
Frisch rezensiert! Meinungen? |
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Referenzen
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