Girlpool - Before the world was big

Wichita / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 29.05.2015
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Jenseits der Bikinilinie
Bei manchen Bands ist der Name Programm. Gut für den Hörer: Wer sich ohne Vorkenntnisse Nine Inch Nails auf den Plattenteller legt, kann davon ausgehen, dass ihn Schmerzen und Qualen erwarten. Wer sich hingegen für Best Coast entscheidet, ist wohl eher Freund sonnigen Beach-Pops. Freilich gibt es auch Gegenbeispiele, aber sich als Black-Metal-Songs covernder House-Act The Soft Pink Truth zu nennen, ist ja auch irgendwie schon wieder charmant. Bei Girlpool bekommt man auf den ersten Blick jedenfalls genau das, was drauf steht: Girls, die Musik für warme und faule Nachmittage am Pool machen. Ihre Themen sind dabei natürlich nicht immer sonnig: Melancholie und Wachstumsschmerz durchziehen die zehn kurzweiligen Stücke ihres Debütalbums, ohne aber kotzbrockig-zickig daher zu kommen. Kurz gesagt: Wer sich Tegan And Sara mal wieder ohne Disco-Verliebtheit gewünscht hat, kann hier möglicherweise voll auf seine Kosten kommen.
Mit "Ideal world" haben Cleo Tucker und Harmony Tividad, die beiden Mädels hinter Girlpool, gleich einen der stärksten und dringlichsten Songs an den Anfang gestellt: Die Gitarren dengeln friedfertig im Takt der lobenswerten 90er-Jahre, darüber erklingt der mehrstimmige Gesang des Duos – ohne Aufregung oder Ausbruch, dafür aber mit viel Herzblut und Grasflecken auf den Sommerkleidern, das wird bereits zu diesem Zeitpunkt klar, erzählen die beiden Kalifornierinnen ihre lakonischen Geschichten. Nicht immer haben ihre Stücke den Verve und den Wortwitz, den beispielsweise eine Courtney Barnett mitbringt, doch Tucker und Tividad scheinen mit "Before the world was big" ohnehin keine außergewöhnlichen Ansprüche zu hegen: Ihre Arrangements sind reduziert-minimalistisch, ihre Kompositionen suchen den kürzesten Weg zum Ohr und brauchen dabei oftmals kaum mehr als zwei Minuten. So wirken ihre Stücke nicht selten wie vertonte Tagebucheinträge, was sich vielleicht fieser liest, als es gemeint ist.
Am zwingendsten agieren die beiden Musikerinnen immer dann, wenn sie das Tempo variieren und sich nicht an irgendwelche Vorfahrtsregeln halten: "Cherry picking" beginnt beispielsweise als melancholischer Schleicher, entwickelt sich aber im Laufe seiner dreieinhalb Minuten zu einem leidenschaftlichen Plädoyer fürs zwischenmenschliche Rosinenpicken. Im wehklagenden "City bus" nutzen Girlpool dann selbst Verkehrsmetaphern: "You are a city bus / Driving on the wrong side of the road / Where do you go?" Auch eher kein Kompliment für die angesprochene Person, aber um nette Worte scheren sich Girlpool ohnehin herzlich wenig. Hier geht es darum, auch mal die Wut und den Frust rauszulassen und dabei trotzdem cool zu bleiben. Weil man eben Lust drauf hat. Auf den zweiten Blick klingt der Bandname also vielleicht wirklich zu niedlich. Aber Warpaint war halt leider schon vergeben.
Highlights
- Ideal world
- Cherry picking
- Emily
Tracklist
- Ideal world
- Dear Nora
- Before the world was big
- Chinatown
- Cherry picking
- Magnifying glass
- City bus
- Pretty
- Emily
- I like that you can see it
Gesamtspielzeit: 24:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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humbert humbert Postings: 2486 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-04-22 23:17:59 Uhr
Im Mai kommt übrigends ein neues Album raus: Powerplant. Klingt dann wohl etwa so. Nicht mehr ganz so Lo-Fi. |
saihttam Postings: 2626 Registriert seit 15.06.2013 |
2015-06-22 11:04:12 Uhr
Schönes Ding! Kurzweilig und doch sehr emotional. Ich würde eine 7 geben. |
humbert humbert Postings: 2486 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-03-15 12:17:49 Uhr
Ein starker Riot Grrrl-Einfluss ist hier ebenfalls nicht abzusprechen. |
humbert humbert Postings: 2486 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-03-14 12:35:19 Uhr
Zwei Frauen spielen mit je einer Gitarre kleine symphatische Lo-Fi-Songs. Ihr erstes Album 'Before The World Was Big' kommt Anfang Juni heraus. Ein Lied davon gibt es schon zu hören. Bis dahin kann man ja mal die selbstbetitelte EP vom Vorjahr antesten. Sind auch paar gute Songs drauf. |
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Referenzen
Tegan And Sara; Cults; Joanna Gruesome; An Horse; Swearin'; Waxahatchee; Sleater-Kinney; Wild Flag; Ex Hex; Speedy Ortiz; Trust Fund; Twin Peaks; Alvvays; Posse; Paws; Mr Twin Sister; Courtney Barnett; Angel Olsen; Sharon Van Etten; Dum Dum Girls; Crocodiles; Quarterbacks; Best Coast; Warpaint; EMA; Slutever; Charlotte Hatherley; Howling Bells; Metric; The Sounds; Vivian Girls; Surfer Blood; Dick Diver; Parquet Courts; Cloud Nothings; Mikal Cronin; La Sera; Veronica Falls; Kimya Dawson; Cat Power; Hinds; Pavement; The Replacements
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