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Torres - Sprinter

Torres- Sprinter

Partisan / PIAS / Rough Trade
VÖ: 15.05.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Tiefer als tief

Gerade mal 24 Jahre hat dieses Mädel auf dem Buckel, und doch ringt sie mit sich selbst, leidet sie, als hätte sie ihren Rucksack mit Herzschmerz-Beton randvoll gepackt. Mit einer Last an persönlichen Erfahrungen, über die sie singen muss, um irgendwie klar zu kommen. Als neutraler Beobachter müsste man fast mit betroffen sein, zumindest aber bleibt man beim ersten Hören von Mackenzie Scott alias Torres' zweitem Album "Sprinter" etwas verstört und ratlos zurück. Verstört deshalb, weil sie Themen wie emotionalen Wundschmerz und die Angst vor Isolation tiefgründig und für ihr Alter auch erstaunlich selbstreflektiert angeht. Ratlos und dennoch ergriffen ist man hingegen, wenn Scotts manchmal zarte, oft aufgewühlt-wütende Stimme dieses Album im elegischen, beinahe vollends akustischen "The exchange" mit einer Zeile wie "Mother, father, I'm underwater / And I don't think you can pull me out of this" beendet. Das geht tief – und sitzt womöglich noch viel tiefer.

Wie schon auf ihrem selbstbetitelten Debüt fordert Torres von ihren Zuhörern erhöhte Aufmerksamkeit, während sich die junge Dame aus Nashville auf "Sprinter" musikalisch verschroben zwischen Singer-Songwriter, der frühen PJ Harvey und Stromgitarren platziert. Die brillante erste Auskopplung "Strange hellos", die zart beginnt und als Midtempo-Grunge-Killer endet, lebt im Spannungsfeld zwischen Zuneigung und Hass. Und entfesselt ihre Kraft zwischen Bekenntnis und Abgrenzung: "I was all for being real / But if I don't believe then no one will / What's mine isn't really yours / But I hope you find what you're looking for." Weniger wütend geht es im schönen "A proper Polish welcome" zu, in dem Scotts Stimme eher Balsam denn giftigen Natter-Charme versprüht. Unnahbar gibt sich dagegen das fragil-bedrohliche, von stoischen Gitarren und unheimlichen Stimmeffekten dominierte "Son, you are no island".

Wer solche Kompositionen durchzieht, darf sich nicht wundern, wenn man schnell als eine der hoffnungsvollsten jungen Künstlerinnen im Lande gilt. Und spätestens nach dem traurigen "Ferris wheel", dem ersten von zwei über sieben Minuten langen Stücken, ist klar: "Sprinter" ist lyrisch wie stilistisch breiter aufgestellt als das Debüt der US-Amerikanerin – was sicherlich auf die äußerst passgenaue Produktion von Rob Ellis, aber auch auf den Entstehungsprozess der Platte zurückzuführen ist: Erste Ideen notierte Scott nämlich nicht in der Heimat, sondern im englischen Bridport. Mit diesen Song-Skizzen bewaffnet, reiste sie zu Adrian Utley (Portishead) nach Bristol. In dessen Studio entwickelten sie die Kompositionen dann gemeinsam weiter und verfeinerten die Songs mit Utleys Gitarren- und Sythesizer-Spiel durchaus vorzüglich. Mit Ellis und Ian Olliver komplettierten zwei Mitglieder von PJ Harveys Band das Studio-Ensemble.

Doch Scott verleugnet ihre Country- und Folk-Wurzeln natürlich nicht: Neben dem verspielten, mit dezenten Elektro-Spielereien versehenen "Cowboy guilt" ist auch der feine Titelsong auf die Südstaaten-Wurzeln der Künstlerin gebaut, die in Nashville, Tennessee geboren wurde und in Macon, Georgia aufgewachsen ist. Letzterer trägt trotz Eleganz und der allüberbordenden Melancholie auch etwas Versöhnliches in der Melodie, was die Sängerin zu folgender Aussage bewegt: "If there's still time / I'll choose the sun / I'll run it back for everyone." Denn Scott weiß, dass persönliche Nackenschläge irgendwann auch Früchte tragen können und einen entscheidenden Vorteil mit sich bringen. "If you never know the darkness, then you're the one who fears the most", stellt sie im nicht minder tollen "New skin" klar. Torres hat sich im Dunkeln arrangiert, das Licht am Ende des Tunnels scheint noch lange nicht erreicht.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Strange hellos
  • New skin
  • Sprinter
  • Ferris wheel

Tracklist

  1. Strange hellos
  2. New skin
  3. Son, you are no island
  4. A proper Polish welcome
  5. Sprinter
  6. Cowboy guilt
  7. Ferris wheel
  8. The harshest light
  9. The exchange

Gesamtspielzeit: 44:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Robert G. Blume

Postings: 898

Registriert seit 07.06.2015

2015-06-07 15:15:48 Uhr
Wer das (zurecht) toll findet, sollte auf jeden Fall auch Nadine Shah ein Ohr leihen. "Fast Food" ist ein verdammt gutes Album.

Mainstream

Postings: 1864

Registriert seit 26.07.2013

2015-05-28 13:24:30 Uhr
Needledrop hatte Unrecht!
Wusste doch, dass sie kein schlechtes Album herausbringen kann.

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2015-05-27 16:37:53 Uhr
Japp. Am besten abends in Ruhe, mit Kopfhörer. Beim ersten "Nebenbeihören" ist auch bei mir kaum was hängengeblieben.

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2015-05-27 16:32:49 Uhr
Wie wäre es, die Beiträge zum neuen Album aus dem anderen Torres-Thread hierher zu übertragen? Da wurde ja auch schon ein bisschen diskutiert. Aber das nur am Rande. Hab das Album noch nicht ausgiebig gehört. Der erste und bislang einzige Durchgang war ganz nett, aber hat mich noch nicht von den Socken gehauen. Muss mir das mal mit mehr Muße anhören.
Robert G. Blume
2015-05-26 15:26:22 Uhr
Ich würde sogar sagen: Tolles Album. 8/10.
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