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Pile - You're better than this

Pile- You're better than this

Fierce Panda / Cargo
VÖ: 06.03.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Gefühle versenken

Rick Maguire, der Sänger der Bostoner Post-Hardcore-Band Pile, trifft kaum einen Ton. Seine Kollegen ertragen nur selten länger als 30 Sekunden denselben Rhythmus. Und dann diese Gitarrenriffs: dissonant, sprunghaft, abgehackt. Anstrengend ist das, nervenzerrend gar. Auch soundtechnisch operiert das Quartett auf seinem neuen Album "You're better than this" meist jenseits der Schmerzgrenze. Die Saiteninstrumente sind extrem mittig gemischt, das Schlagzeug poltert derart roh daher, dass sich automatisch Gedanken an Steve Albini einstellen. Doch nicht der Analogpapst aus Montana, sondern Ben Brodin aus Nebraska saß hier hinter den Reglern. Brodin, der für die Aufnahme diverser Saddle-Creek-Alben verantwortlich zeichnete, ist aber definitiv ein Schüler Albinis – und in Sachen Gitarrenkrach mit Rumpeltrommel sicher nicht das schlechteste Vorbild.

Womit wir wieder bei Maguire wären. Der trifft zwar wie erwähnt kaum einen Ton, die Momente, in denen er in erwartbaren Tonräumen agiert, zeigen aber, dass die ganzen Dissonanzen Absicht sind. Und auch die kurze Aufmerksamkeitsspanne seiner Mitmusiker folgt einem Prinzip: Pile wollen nicht zusammenfügen, sondern brechen. Zuerst Erwartungen, dann Nackenwirbel. Songs wie "The world is your motel" belegen diese These eindrucksvoll: Wendungsreich und wirr ist das Ganze definitiv — chaotisch jedoch nicht. Sobald sich ein Element häuslich eingerichtet hat, wird es mittels eines kompromisslosen Tempowechsels vor die Tür befördert. Dieses Hackschnitzelverfahren ist im Genre selbstverständlich längst bekannt, wird hier jedoch besonders gekonnt angewandt.

Wer schon immer einmal wissen wollte, wie eine manische Phase klingt, dem sei "Touched by comfort" ans Herz gelegt. Grungig und verspult zu Beginn, mündet der Song in einen wahnhaften Schrammelpart, dem das Kunststück gelingt, gleichzeitig Euphorie und Verzweiflung zu verbreiten. Ebenfalls im Schatten der Achtelnote steht das Noise-Biest "#2 hit single", in dem die Band so lange auf die Instrumente eindrischt, bis der Putz von der Decke rieselt. Da Pile überaus effizient arbeiten, ist das bereits nach knapp zweieinhalb Minuten der Fall. Was genug Zeit lässt, um den anrückenden Ordnungshütern in Form eines Akustikgitarrensolos ein Ständchen zu spielen. Die Fingerpicking-Übung hört auf den schönen Namen "Fuck the police" und muss leider ohne einen Gastauftritt von Dr. Dre auskommen, was aber alles andere als schade ist.

Schade ist auf "You're better than this" ohnehin wenig. Egal, ob sie das Tempo drosseln oder sich Abrissarbeiten widmen – die Bostoner bleiben stets Herren der Lage. Zwar nicht mehr ganz so unbarmherzig wie auf ihren bisherigen Longplayern, dafür aber um einiges versierter und hinterlistiger. "Ist das jetzt eigentlich Punkrock?", werden manche fragen. Die Antwort liefern Pile in einem siebenminütigen Gefühlswechselbad namens "Yellow room". Mitten im Lied verebbt der Krach und nichts außer einigen maschinellen Geräuschen erklingt, ehe eine Frauenstimme das Motto verkündet: "Rock and roll forever with the customer in mind, take one." Plektrum fest umklammern, Verstärker auf zehn, ballern. Und natürlich den perfekten Take abliefern. Die richtigen Töne sind nicht die, die getroffen werden, sondern die, die treffen.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • The world is your motel
  • Touched by comfort
  • #2 hit single
  • Yellow room

Tracklist

  1. The world is your motel
  2. Mr. Fish
  3. Tin foil hat
  4. Hot breath
  5. Touched by comfort
  6. Fuck the police
  7. Waking up in the morning
  8. #2 hit single
  9. Yellow room
  10. Appendicitis

Gesamtspielzeit: 37:00 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2023-02-20 12:10:14 Uhr
Verstehe total, was du meinst. Ich verfolge die Band schon länger, weil ich den Ansatz super spannend finde, aber irgendwie fehlt dann doch immer was, um mich vollends zu packen. Vielleicht ist es das zu große Durcheinander, wodurch dann zwar ein sehr cooles Gesamtbild, aber eben nicht genügend wirklich einprägsame Momente entstehen. Irgendwas an der Band zieht mich zwar schon immer wieder zu ihr zurück, aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich ihre Alben direkt noch ein zweites Mal hören will, nachdem ich einen Durchgang beendet habe.

Hierkannmanparken

Postings: 760

Registriert seit 22.10.2021

2023-02-20 11:46:12 Uhr
Das ist so ne Band, bei der ich sagen würde, sie hat ganz gute Ansätze. Aber ich glaube, durch die komischen Songstrukturen packt es mich nicht. Mal ist Krach, mal Zurückhaltung, mal melodisch, mal perkussiv. Das ist mir alles ein bisschen zu abrupt.

u.x.o.

Postings: 510

Registriert seit 29.08.2019

2023-02-20 06:19:39 Uhr
Hab ich in der letzten Woche häufig gehört. Gefällt mir gut, Konzert Ende März sehe ich mir wohl Mal an.

Streckenweise muss ich an eine experimentelle Version von Radiohead denken. (Nur mit etwas zugänglicher Stimme.)

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3576

Registriert seit 12.12.2013

2023-02-20 00:48:20 Uhr
Lol, das hab ich neulich erst gehört. Stabiler Krach.

etienoir

Postings: 770

Registriert seit 03.02.2023

2023-02-19 23:30:47 Uhr
gutes beispiel für ein album, das mich erstmal ratlos lässt. passiert mir selten, ist dann aber meist ein gutes zeichen.
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