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The Mountain Goats - Beat the champ

The Mountain Goats- Beat the champ

Merge / Cargo
VÖ: 10.04.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

In den Seilen, auf den Seilen

Ein Konzeptalbum über Wrestling. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Konzeptalbum. Über Wrestling. Sofort denkt man an die eigene Kindheit vor der Glotze zurück. An Sammelkarten. An Actionfiguren. An Hulk Hogan und The Undertaker. So viele Erinnerungen! Wrestling ist nicht einfach nur ein Hobby, nicht nur irgendein Event, das man sich im Fernsehen anschaut, sondern eine Institution, die besonders auf dem amerikanischen Kontinent seit Jahrzehnten boomt. Auch John Darnielle, Mastermind von The Mountain Goats, ist Wrestling-Fan, seit 30 Jahren schon. Und widmet dem Sport mit "Beat the champ" einfach ein ganzes Album. Das ist mal mehr, mal weniger subtil. Mehrere Songs der Band aus North Carolina weisen explizit auf Wrestler hin: Im indie-poppigen "The legend of Chavo Guerrero" besingt Darnielle den Helden seiner Kindheit, sieht sich selbst als kleinen Jungen auf dem Boden vor dem Fernseher sitzen und den texanischen Champion anfeuern: "Chavo meant the most to me" und "I need justice in my life / Here it comes" sind nur zwei Zeilen, die verdeutlichen, dass es hier wohl um mehr geht als eben nur um Wrestling.

Der innere Kampf eines Heranwachsenden steht im Kontrast zu "The ballad of Bull Ramos", die Geschichte eines Wrestlers, der von Alter und Krankheit gezeichnet versucht, an seiner längst vergangenen Stärke und den Tagen des Erfolgs festzuhalten. Bull Ramos starb 2006 an den Folgen einer Infektion. Zu diesem Zeitpunkt war er durch seine Diabetes-Erkrankung blind geworden, hatte einen Zeh verloren und musste wegen eines Nierenleidens mehrmals wöchentlich zur Dialyse. Darnielle bedauert aber nicht den Fall des einst großen Mannes – er verneigt sich vor ihm. Das zappendüstere "Stabbed to death outside San Juan" ist eine weitere Referenz an wahre Begebenheiten: Der Mord an Bruiser Brody im Jahr 1988 wird hier aus der Sicht des Opfers erzählt und wirkt dadurch umso dramatischer. Mit hektischem Streicher-Einsatz und einem letzten Aufbäumen gen Ende verstummt Darnielle alias Brody – und mit ihm gefühlt auch ein Stück seiner Kindheit. Es sind diese Momente, die sich auch auf das alltägliche Leben anwenden lassen, die "Beat the champ" zu einem Konzeptalbum der interessanten Art machen.

Auch der vom Punk geküsste Rock von "Choked out" beschäftigt sich zumindest oberflächlich mit Guerrero, ist bei näherer Betrachtung aber vor allem auch eine Hommage an das Leben und ein Aufruf zum Weitermachen: "Everybody's got their limits / Nobody's found mine", singt Darnielle und zwingt sich scheinbar selbst dazu, niemals aufzugeben. In der melancholischen Lounge-Nummer "Luna" kämpft der 48-Jährige dennoch gegen alte Dämonen, im jazzigen "Fire editorial" beschäftigt er sich mit der manchmal durchaus absurd anmutenden Theatralik des Wrestlings und findet im alles zerstörenden Champion eine Analogie zur Realität: Wann kommt er, der Retter, der Bezwinger, der Held, auf den die Menschheit wartet? Jedenfalls nicht im zurückhaltenden "Unmasked!", in dem sich der Protagonist mit der Schande auseinandersetzen muss, dass ihm im Ring die Maske heruntergerissen wurde und er somit seiner zweiten Identität, quasi seines Schutzvorhangs beraubt wurde. Dass der große Held womöglich nie auftauchen wird, macht auch das Abschlussstück "Hair match" klar. Beim Wrestling werden dem Verlierer eines solchen als Form der Demütigung noch im Ring die Haare abrasiert. Nicht erst jetzt wird deutlich: Auf "Beat the champ" geht es womöglich gar nicht um den Gewinner oder denjenigen, dessen Name in großen Lettern auf dem Poster stehen. Sondern um den Underdog, der diesen einen Kampf verloren hat – aber schon den nächsten gewinnen könnte. Währenddessen sitzt irgendwo ein kleiner Junge daheim auf dem Boden vorm Fernseher und wartet auf ihn, seinen neuen Helden. Also ab in den Ring.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • The legend of Chavo Guerrero
  • Choked out
  • Luna
  • The ballad of Bull Ramos

Tracklist

  1. Southwestern territory
  2. The legend of Chavo Guerrero
  3. Foreign object
  4. Animal mask
  5. Choked out
  6. Heel turn 2
  7. Fire editorial
  8. Stabbed to death outside San Juan
  9. Werewolf gimmick
  10. Luna
  11. Unmasked!
  12. The ballad of Bull Ramos
  13. Hair match

Gesamtspielzeit: 46:15 min.

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