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Giant Sand - Heartbreak pass

Giant Sand- Heartbreak pass

New West / Ada / Warner
VÖ: 08.05.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Einen hat er noch

Am Sterbebett: Was sagt der Südstaaten-Cowboy, der hofft, dass das göttliche Gericht trotz sündigen Lebens Gnade walten lässt? "Heaventually." Noch einen Kalauer hinterher: Auf was freut sich der Desert-Rocker nach einem 20-Stunden-Arbeitstag, an dem er im Schweiße seines Angesichts den letzten Song für sein Jubiläumsalbum eingespielt hat? "Home sweat home." Howe Gelb reibt sich die Hände, klopft auf seine vom Wüstenrock geformten Schenkel, die Jeans staubt, und das Publikum blickt verwirrt den Mann auf der Bühne an, als hätte sich just in diesem Moment der amerikanische Traum in Fips Asmussen verwandelt.

Nun ist Gelb kein Altherrenwitz, sondern die Legende des musikalischen Americana, aus dessen Großfamilie in der Hütte irgendwo in Tucson, Arizona, Calexico geschlüpft sind. Es wäre falsch, ihn an missglückten Wortspielen zu messen, auch wenn er sie schön verpackt zu Songtiteln deklariert. Giant Sand sind 30 und damit alt. Happy Birthday. Jetzt bleibt die Wahl, etwas ganz Neues zu probieren, die alteingesessenen Fans zu verstoßen, dafür posthum für seinen Mut ausgezeichnet zu werden. Oder eben weiterzuklampfen wie immer, vielleicht fünf, sechs, sieben Alben mit etwas weniger Power und Avantgarde-Druck, dafür mit dem ein oder anderen Schenkelklopfer, um irgendwann wie die Stones des Desert-Rock zu enden.

Howe Gelb hat seine Wahl getroffen, und wie sich zeigt, war es die einzig mögliche. Giant³ Sand: neuer Namenszusatz in Form einer hochgestellten "3", altes Konzept. Wüste, Gitarre, das Hohelied zerstörter Träume: "I hurt myself, is all I do." Selten klingt Gelb so fröhlich wie in "Hurtin' Habit", wenn er sich textlich selbst verstümmelt. Sonic-Youth-Drummer Steve Shelley taktet das Galgen-Stück, das so gar nicht an einen in Selbstmitleid versinkenden Johnny Cash erinnern will. Die Familie – mit Paula Jean Brown und Winston Watson Wegbegleiter aus den 80ern, mit Grant Lee Phillips und John Parish alte Bekannte – ist für "Heartbreak pass" zusammengekommen und lauscht Vatis Witzchen, bevor er ganz tief im Poesie-Album versinkt und Sätze hineinritzt wie "When love is angry / and love turns deadly / And the days become / A Leonard Cohen medley" in "Texting feist". Wenn er seine Gitarre zersägt, den Sand in Eels-Manier aus den getragenen Bluespassagen schüttelt, spätestens dann hat "Heartbreak pass" den ersten seiner vielen Höhepunkte erreicht.

Mit Jason Lytle gesellt sich der Grandaddy zu Papa Gelb, spielt für "Transponder" schnell mal alle Instrumente, die Desert-Rocker so im Gepäck haben und röhrt den tiefsten Bass ins Mikro, den sich Opas Enkel nur wünschen können. Bezeichnend, dass Howe Gelb von zwei Leben spricht, in die er sich die vergangenen 30 Jahre gespalten hat und auf diesem Album zusammenführt. Denn die Gefühlswelt gerät spätestens dann in Wallung, wenn er sich eine Partnerin an die Seite holt. Ob nun Ilse DeLange, die mit ihren The Common Linnets der 40 Jahre andauernden Leidenszeit der niederländischen Song-Contest-Fans mit gnadenreichem Ausdruck ein Ende setzte und nun im Wechselgesang mit Gelb in "Man on a string" Partnerschaft zur Abhängigkeit erklärt . Oder die bislang eher unbekannte Bandbegleiterin Lonna Kelley, die zischelt und flüstert und krächzt wie Scout Niblett und "Pen to paper" und "Gypsy candle" zu etwas Zeitlosem erhebt. Für "Heartbreak pass" mag Gelb durch Nordamerika und Europa gereist sein, um das zu finden, was seiner Musik die Aura eines zerberstenden US-Mythos verleiht. Am Ende kehrt er dorthin zurück, wo alles begann. Tucson, Arizona. "Forever and always" nahm er zu Hause mit seiner Frau Talula per Handy auf. Eine Liebeserklärung in Garage, an seine Musik, an seine Familie. Die lauscht jedenfalls genau, wenn Vati spricht. Denn einen hat er noch.

(Bastian Sünkel)

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Highlights

  • Texting feist
  • Gypsy candle
  • Man on a string
  • Hurtin' Habit
  • Transponder

Tracklist

  1. Heaventually
  2. Texting feist
  3. Hurtin' habit
  4. Transponder
  5. Song so wrong
  6. Every now and then
  7. Man on a string
  8. Home sweat home
  9. Eye opening
  10. Pen to paper
  11. Bitter suite
  12. House in order
  13. Gypsy candle
  14. Done
  15. Forever and always

Gesamtspielzeit: 49:45 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Sehr
2017-04-18 11:25:50 Uhr
Schön

Jennifer

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 4711

Registriert seit 14.05.2013

2015-05-06 18:50:39 Uhr
Frisch rezensiert. Meinungen?
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